Corpus Christii-11In diesen Tagen trägt Europa die blutigen Mahnmale des Black Metal-Undergrounds auf seiner Stirn: die zwei Kultisten-Kombos von Corpus Christii und The Stone haben sich zusammengeschlossen, auf ihrer “Necrotic Moon Over Europe”-Tour einen teuflischen Blastbeat-Live-Sturm zu entfesseln, der verspricht, eine bittere und intensive Klangerfahrung zu werden, die einem den Boden unter den Füßen stehlen kann. Als Doppel-Headliner promoten beide Bands derzeit ihre aktuellen Alben. So stand erst Ende März die neue VÖ “PaleMoon” von dem portugiesischen Hochkaräter Corpus Christii ins Haus, während die Serben The Stone noch immer auf den hallenden Echos ihres im Herbst 2014 erschienenen “Nekroza” reiten. Vier Deutschlandtermine hatten die Satanisten-Korps auf ihrer Reise auserkoren – am 23.04. tauchten sie sogar das „kompakte“ Wuppertaler Underground in tiefstes, trostloses Schwarz, auch wenn es nicht ganz 50 Besucher bloß in den Club zog. In familiärer Runde und enger Räumlichkeit ging die Musik der zwei Trupps samt ihrem Support Muert aber umso mehr unter die Haut und ins Hirn hinein. Ob sich der Abend gelohnt hat, erfahrt ihr hier. 

Mit Verzug von fast vierzig Minuten traten zunächst drei unbekanntere Gesellen auf die kleine „Bühne“, im Endeffekt nur ein leicht erhöhtes Parterre im Raum. Muert, angereist von einem Ort, an den man wohl niemals Black Metal-Musik Muert-6ansiedelte, wenn man mal die Hand aufs Herz legt: die Jungs kommen von der schönen Kanaren-Insel Teneriffa. Und so oft Magazine und Interviewer die Dreie auch fragen, ob dies ein verschmitzter Scherz sei, so ist das dennoch die Wahrheit. Sänger und Gitarrist Ebola, kantig und muskulös, trägt traditionell eine Scharfrichterhaube, während seine Kollegen mit schwarzweißer Schminke und Drudenfuß auf der Stirn ihre Plätze einnehmen. Muerts roher Sound drang durch Mark und Bein, während der gesamten knappen Dreiviertelstunde ihres Auftritts. Die Band blickt auf ihr englischsprachiges Debüt „Mysteriorum Prophanationis Sepulcralis“ und ein Split-Album mit den deutschen Waffenträger Luzifers und Necrogoat zurück. Im Januar erschien dann das neue „Ahul Xaxo“, auf dem man sich in Muttersprache mit der Geschichte und dem Götterglauben der kanarischen Inseln auseinandersetzt. Nicht umsonst trägt Drummer Guayota den Namen des Unterweltgottes der „Guanchen“, wie die Ureinwohner der Inseln genannt werden. Schweißtreibend und beeindruckend war der Auftakt, die Optik des Trios unheimlich – aber wir harren der Dinge, die noch folgten.

Corpus Christii-13Nach kurzem, aber zügigem Umbau traten die Gastmusiker des eigentlichen Solokünstlers Nocturnus Horrendus auf die Bühne des Underground, während vom Sänger noch keine Spur war. Als Ein-Mann-Projekt Black Metal-Mucke zu schaffen, das ist zwar keine Neuheit, aber der portugiesische Pan-Instrumentalist, bürgerlich Alexandre Mota, schafft als Kopf seines Projekts nun bereits seit 1998 unentwegt seinen finsteren, unvergleichlich rohen Sound unter der Standarte Corpus Christii. Erst kurz vor Beginn trat der Hüne mit „NH“-Tätowierung in den Saal, sprach nur wenige Worte mit seinem Publikum und stachelte –der Mystik hinter seiner Figur zuträglich- höchstens dann und wann mit einem energischen „C’mon“ oder „Go“ an. Wohl am präsentesten bei den Besuchern waren die Stücke vom neuen Werk „PaleMoon“, welches gerade in der Szene einschlägt wie eine Bombe. Auch live trieben die Stücke gehörig ihre Pflüge durch das Gehör und hinterließen mächtig Eindruck, nicht allein durch die bedrohliche Optik der vier Mannen mit ordentlichem Corpsepaint. Das umgedrehte Kreuz auf der Stirn des Sängers, Killernieten, ausdrucksstarke Mimik und Gestik und magere Belichtung – all das ließ schon eine kultige wie düster-satanische Atmosphäre aufkommen.  Nachdem NHs eigenes Label „Nightmare Productions“ geschlossen wurde, wechselte er 2014 zum deutschen Underground-Label Folter Records (u.A. Hallig, Northern Plague, Hagl) – und das Live-Gastspiel in Wuppertal wurde nach langer Durststrecke für die deutschen Fans zu einer intensiven Rückkehr, datiert die letzte Germany-Tour des Portugiesen mit Ausnahme des letztjährigen Auftritts beim „Under The Black Sun“-Festival bereits vier Jahre zurück. Highlights der Setlist (leider aufgrund der fortgeschritten Zeit um zwei Songs gekürzt) waren definitiv das brandneue „Under Beastcraft“ und das schließende „All Hail…“ als Anrufung des Leibhaftigen höchst selbst, bei dem das ganze Publikum zum „f*cked by Satan’s horn“ den Mittelfinger erhob.

Am Ende standen dann noch die zweiten Headliner The Stone auf dem Parkett. Die Slawen mit ihrem nicht minder The Stone-7epochalen, pagan-beeinflussten Black Metal gibt es in der jetzigen Besetzung seit 2001, nachdem man zuvor schon seit 1996 unter dem Namen “Stone to Flesh” unterwegs war. Die Jungs aus dem serbischen Belgrad verzaubern und erschlagen zugleich mit ihrer slawisch-folkigen Song-Ästhetik, die zwar in sensu Krodas oder Drudkhs funktioniert, aber ganz anders geartet und ausgeprägt ist. Eindrucksvoll war hier bereits der Bühnenaufbau mit dem Mikroständer von Bandkopf Nefas, eine Aufbaute wie ein Galgen mit gleich zwei Stricken. Diese Exekutions-Optik wurde auch dadurch beibehalten, dass Drummer L.G. während des ganzen Konzerts einen Strick um den Hals trug, als sei er kurz vor Beginn selbst aufgeknüpft worden – zudem trug Nefas die ganzen 45 Minuten durch einen schwarzen Nylonstrumpf über dem Gesicht, sodass der Auftritt bedrohlich ausdruckslos, dafür intensiver in der Akustik wurde (und vermutlich extrem warm für den Vokalisten selbst). Überhaupt spielen The Stone sehr gerne mit angsteinflößenderm Horror-Erscheinungsbild, trugen auch die Bandkollegen des Fronters obligatorischen Corpsepaint, Nieten und Knochenketten.  Ebenso im Kader von Folter Records wussten die Jungs noch einmal richtig einen Zahn zuzulegen und stießen vor allem mit Songs vom aktuellen „Nekroza“, hier vorrangig gar dem Titelsong, auf „Jaaa“-Rufe, headbangendes Publikum und maßlose Begeisterung. Eine Endleistung, die gewiss für die dünne Wuppertaler Besuchergruppe ein würdiger Abschluss eines heftigen Abends war.

Auch wenn ein Donnerstag-Abend, noch dazu am Tag eines erneuten GDL-Streiks, nicht der größte Publikumsmagnet für die Tour der Black Metal-Botschafter gewesen war, wussten alle drei Trupps ihre Musik ordentlich zu präsentieren und zu begeistern – und so wurde das Underground Wuppertal an diesem Abend zum „Place To Be“ für Black Metal-Fans aus NRW und darüber hinaus – sogar eine Anhängergruppe aus Belgien war extra in das Bergische Land gereist, um an der Satansmesse teilzuhaben. Einmal mehr stellte man unter Beweis, dass es keineswegs einer riesigen Bühne bedarf, um exzellenter Live-Musik beizuwohnen. Live-Musik, geschmiedet für Liebhaber des verrohten und fiesen Sounds von Corpus Christii und The Stone. Mein Verdikt: Unbedingt einen der anderen Termine wahrnehmen.