Tarja Turunen-9Die finnische Ausnahmesängerin Tarja Turunen beehrt in diesen Tagen der Vorweihnachtszeit wieder die europäischen Lande mit ihrer einzigartigen Stimme auf ihrer „Ave Maria Christmas Tour“. Hier geht es ganz anders zu als auf ihren regulären Rock-Shows ihres Solo-Projekts oder den alten Zeiten bei Nightwish: in akustischem Klassik-Kleid wird die Sopranistin bei bestuhlten bzw. Kirchenbank-Konzerten von einem talentierten Instrumentalquartett begleitet. Flügel, Cello, Violine, Flöte. That’s it. Die Grenze zwischen Klassik und Heavy Metal hatte die Sängerin schon längst eingerissen und erhielt durch ihre unzähligen Live-Auftritte und -VÖs weltweit großes Medienecho auch im Feuilleton – nicht zuletzt dadurch, dass sie eine immer jünger werdende Generation für klassische Musik interessiert. Am Freitag, den 11. Dezember stattete die Finnin der Bochumer Christuskirche einen Besuch ab. Ob sich der Abend gelohnt hat, erfahrt ihr hier.

Nachdem der Konzertbeginn kurzfristig um eine Stunde nach hinten verschoben wurde (warum eigentlich? Verspätung des Musikerkonvois? Planungsschwierigkeiten beim Aufbau oder Ablauf? Man wurde etwas im Dunklen gelassen), betraten pünktlich um 21 Uhr Tarja in weißem Blickfang-Dress und ihr Ensemble die Bühne – und ohne Umschweife wurden gleich zwei „Ave Maria“-Versionen gespielt, bevor Tarja in flüssigem, freudigem Deutsch (so ist das wohl mit der guten Sprach-Ausbildung in der Klassik-Ausbildung) ihr Publikum begrüßte. Weitere Ansprachen gab es auf Englisch, „because my German vanished into the air, if you want“, so Turunen. Auch ihre Muttersprache stellte Tarja vor: mit „Varpunen jouluaamuna“ (zu deutsch: Sperling am Weihnachtsmorgen) kündigte sie ein schwermütiges Stück aus ihrer Heimat an, das eigentlich vom finnlandschwedischen Schriftsteller Zacharias Topelius stammt.Tarja Turunen-6

Einen Ausflug ins Weihnachtliche gab es bei der exzeptionellen Sängerin bereits 2006 mit dem teils finnisch-sprachigen „Henkäys Ikuisuudesta“. Auch hier war die Fusion von Klassik und Metal-Musik bereits absehbar und dass das Herz der Dame ohnehin in beide Richtungen wild zu pochen scheint – ganz bei¬läu¬fig hat ihr „Opera Metal“ ja ohnehin seit Jahren schon deut¬lich gemacht, dass es in der Klas¬sik wie dem Metal um dieselbe Sache geht: darum, gro¬ßen Gefüh¬len eine Form zu geben. Eine, die trägt. Und das funktionierte auch sehr gut in reinem Akustik-Gewand. Auch die Arbeiten anderer berühmter Komponisten und Musiker wurden ins Weihnachtskonzertprogramm eingepflegt: so gab es daneben beispielsweise auch gleich mehrere „Ave Maria“-Versionen von u.a. Caccini und Schubert zu hören. Eine Pause im Programm gab es nicht – dafür pausierte die Dame in Weiß ab und an und ihre Begleitmusiker schickten sich zu mehreren instrumentalen Zwischenspielen an: mit einigen Traditional-Melodien wie dem englischen Folklore-Stück „Greensleeves“ oder dem amerikanischen Lied „Little Drummer Boy“ überbrückten die Musiker die Hiate, während derer Tarja die Bühne verließ.

Ein schönes Highlight markierte wohl das Bing Crosby-Cover von „White Christmas“, welches den klassisch-warmherzigen Orchester-Stil kurzzeitig ein wenig mehr in Jazz- und Blues-Gefilde abdriften ließ. Als am Ende des regulären Sets allerdings ein paar erste Piano-Tonfolgen von „Walking In The Air“ zu hören waren, ging ein Jubeln und Raunen durch die Kirchenreihen – ein ästhetischer Evergreen, der auch bei diesem Akustikabend nicht fehlen durfte, nicht allein wegen des Tarja Turunen-5obligatorischen „Must-Play“-Status des Stücks, welches schon auf dem 1998er Album „Oceanborn“ in der Nightwish-Diskographie vertont wurde, sondern auch, weil der Song einem beflügelten Weihnachtsmärchen entstammt und somit einfach verflixt gut passen will. Die Ankündigung zum Beinahe-Finale war hier ein charismatisches „With this song Ich wünsche euch: Frohe Weihnachten“ seitens der Sängerin. Als Zugabe dann noch eine ebenso wunderschöne und an Herz und Seele reichende Version von „Stille Nacht“ fürs deutsche Publikum, bevor sich die Darbietenden artig verabschiedeten, Tarjas Fans die Sängerin mit Geschenken und Blumensträußen überhäuften und sich die Bänke lichteten.

Fazit: Eine andächtige und sanfte Stimmenmacht zum Einschwören auf das von der Finnin inniglich geliebte Weihnachtsfest. Viel Rahmenprogramm gab es nicht – weder ein Support, noch eine außerordentlich lange Show erwarteten die Besucher der Christuskirche zum Weihnachts-Akustik-Konzert, und wer gar auf ein paar rockigere Töne oder bekannte Songs aus der Tarja- oder der Nightwish-Feder hoffte, war hier leider schief gewickelt. Nimmt man es an dieser Stelle aber eher mit Humor oder nicht ohne erheblichen Groll auf, wenn in den hinteren Bankreihen plötzlich ein sägendes Schnarchen die Stille bricht, oder entschuldigt man ein Wegdösen bei dieser geradewegs minimalistischen Konzertreise? Noch dazu eine, bei der ohne weiteren Pomp einzig und allein Tarjas Stimmenapparat im Fokus und im Spotlight steht? Sehr schade, dass der kurzweilige Kunst-Exzess, bei dem die Christuskirche in eine Philharmonie gewandelt wurde, so schnell wieder vorüber war – um halb 11 verließ man das Kirchenschiff schon wieder. Wobei man natürlich auch Verständnis für die Belastung der Sängerin aufbringen muss und kein Drei-Stunden-Gastspiel erwarten darf. Dazu kommt die Tatsache, dass man durchaus die Frage stellen darf, ob die fünfte und sechste aufeinander folgende Version ein und desselben Liedes mit dem titelgebenden „Ave Maria“ nicht ein wenig eintönig daherkommt, auch wenn die musikalischen Arrangements und Interpretationen, sowie die Sprachen natürlich variierten – für Liebhaber des katholischen „Gegrüßet seist du, Maria“, Klassik-Kenner und Theophile vermutlich eine große Offenbarung, sonst stellenweise -keine Frage- ermüdend. Vor diesem Hintergrund darf man auch bei dem saftigen Ticketpreis von ü40€ kurz schlucken, bevor man dann wieder sachlich herangeht und betont, dass kein Cent davon sein Geld nicht wert wäre, auch wenn es happig klingt. Vorausgesetzt, man ist ein großer Jünger der Stimmgewalt aus Kitee, Finnland.