Am Samstag, den 16. November 2019, feierte das Tanzt! Festival sein dreizehnjähriges Bestehen im Backstage München. Gefeiert wurde dies mit Newcomern, alten Bekannten und jeder Menge Piraten. Leider war das Indoor-Festival dieses Mal etwas schwach besucht, trotz extra aus Italien anreisender Fans, die das letzte Konzert des Headliners Folkstone sehen wollten, bevor die Band sich auflösen würde.
Zum Einlass um 13:30 Uhr war es gar nicht so kuschelig wie die letzten Male, auch wenn die Außentemperaturen das durchaus gerechtfertigt hätten. Das Gute an weniger stark besuchten Events ist immerhin, dass man kaum einmal wo lange anstehen muss. Drinnen war, wahrscheinlich auch temperaturbedingt, schon etwas mehr los, dort wurde das Bier bereits fleißig angezapft. Um 14:30 Uhr ging pünktlich die Vorhänge zur ersten Band, Vera Lux, auf. Die female-fronted Folk-Metaller aus Nürnberg konnten von Anfang an überzeugen und sorgten für einen starken Einstieg in einen langen Tag voller Folk- und Rockmusik. Besonders hervorzuheben sei hierbei auch die Stimme von Leadsängerin Inara, die sich kraftvoll ins Zeug legte. Verwunderlich zwar, dass die Band, die seit 2013 existiert, außer einem Musikvideo zum Song „König aller Lügen“ bisher noch nichts offiziell produziert hat, doch kurz nach dem Festival vermeldeten die Musiker, dass sie nun mehr als genug Geld bei einer Crowdfunding-Kampagne gesammelt hatte und das Erstlingswerk somit sorgenfrei professionell herstellen kann.
Ebenfalls seit 2013 gibt es die Folk-Formation Delva, allerdings konnte man durch die aktive Unterstützung von Eric Fish schon früh in Produktion gehen und stand nun nicht nur als zweiter Act auf der Bühne im Backstage Werk, sondern auch mit einem Bein im Aufnahmestudio, um an der bereits dritten CD seit dem letzten Auftritt am Tanzt! Festival, dem zweiten Studioalbum, zu feilen. Man ließe sich dabei allerdings Zeit, merkte Sängerin Johanna an, denn man wolle das Werk so gut es geht perfektionieren. Verbessert hat die Gruppe außerdem ihre Bühnenperformance, die nun deutlich authentischer wirkte. Vielleicht geschah dies nicht zuletzt durch die Erweiterung durch einen Drummer. Zum Release des neuen Albums kommt es voraussichtlich im Sommer 2020, doch ein paar neue Lieder wurden gleich schon einmal live präsentiert.
Vogelfrey sorgten im Anschluss dann wieder für deutlich partylastigere Stimmung. Mit Songs wie „Schuld ist nur der Met“ oder „Crystal Met“ wurde fleißig zum Mitgrölen oder vielleicht auch ein kleines bisschen zum Trinken animiert. Vorgestellt wurde das neue Album „Nachtwache“, welches erst jüngst am 25. Oktober erschien. Am E-Cello sprang kurzfristig Sandy von Storm Seeker für Johanna ein, glich sich aber mit großer Sonnenbrille erfolgreich dem strengen Dresscode der Vogelfreyen an.
Das aufgeheizte Publikum kaperten danach Cultus Ferox und läuteten somit das mehrstündige Piratenprogramm ein. Die Berliner warteten zwar nicht mit einer neuen CD auf, dafür aber mit neuer Bassistin und Tänzerinnen, die die Show bereicherten. Neues Material ist bei den „netten Jungs“ leider so selten wie ihre Rock-Konzerte. Die Band tritt nun mal zumeist akustisch als Marktmusikgruppe auf, dafür konnte man in München mit inzwischen siebzehn Jahren Bühnenerfahrung punkten sowie mit einigen einprägsamen Klassikern der Mittelalterrockszene.
Die Ye Banished Privateers waren letztes Jahr ebenfalls am Tanzt! zugegen, haben aber seitdem nichts von ihrem Freibeutercharme und ihren tumultartig-spannenden Konzertgestaltungen verloren. Gut, der Soundcheck hat diesmal etwas länger gedauert, aber das kann bei neun Leuten auf der Bühne durchaus einmal passieren. Für Begeisterung vor der Bühne sorgten die Schweden allemal und auch so mancher Pirat schwang das Holzbein zu den flotten Folk-Rhythmen.
Den Abschluss der Piratenband-Trilogie lieferten die lokal ansässigen Seeräuber von Vroudenspil. Auch wenn man sich musikalisch etwas vom Freibeuter-Folk entfernt und zu den Zwanzigerjahren hinbewegt hat, darf es kein Tanzt! ohne die Münchener geben. Den 70-Minuten-Slot konnten die Freudenspieler auch gekonnt mit einer Mischung aus altbekannten Songs und neuem Material füllen. Im März kam nämlich das lang ersehnte neue Album „Panoptikum“ heraus, das ein paar neue, abwechslungsreiche Einflüsse im ohnehin schon einzigartigen Stil der Band offenbarte. Die Fans verstanden dies, gebührend mit ihren Lieblingspiraten zu feiern. Nur der Kraken feierte zuhause die Ankunft seines Kindes, es sprang aber „El Pako“, auch bekannt als Carsten von Ignis Fatuu, an den Drums ein.
Schließlich wurden sämtliche Schiffsteile und Totenkopffahnen abgebaut und durch ein großes Folkstone-Banner ersetzt. Die Italiener, die ebenfalls 2018 in der bayerischen Hauptstadt bereits aufgetreten waren, gaben sich ein letztes Mal die Ehre. Die Band löste sich nämlich danach auf und das war ihr allerletztes Konzert. Zahlreiche Fans waren aus Norditalien angereist, um die erfolgreichste Folkmetal-Band Italiens gebührend zu verabschieden. Da wurde es kurz vor dem Konzert rundherum ruhig im Saal, als in der Mitte circa 200 Menschen zum italienischen Gesang ansetzten, um sich auf das Geschehen einzustimmen. Folkstone selber verabschiedeten sich mit einem lauten und fulminanten Abschlusskonzert, das bestimmt keine Fans enttäuscht zurück lies. Ein verdienter Headliner-Slot zur Ehre und als kleinen Ausgleich dafür, dass man nie den Sprung auf große deutsche Bühnen geschafft hat.
Was sich zum Jahresende nicht auflösen wird, ist das Tanzt! Festival selbst. Trotz schwächelnder Besucherzahlen in diesem Jahr, ist man zuversichtlich, 2020 wieder einiges bieten zu können. Zumindest das Datum für die kommende Veranstaltung wurde bereits bestätigt: 20.11.2020 – save the date!