Wer sagt, Musik im Rock- und Metal-Bereich müsse immer einem bestimmtem Kochrezept folgen und immer das gleiche Schema durchlaufen? Gitarre, Bass, Schlagzeug und in welcher Stimmlage auch immer singender Frontmann mag im Allgemeinen funktionieren, aber wer dieses Aufgebot a priori erwartet, ist manchmal schief gewickelt: unter den Fittichen von Prophecy Productions kroch erst kürzlich ein weiteres, über alle Maßen interessantes Konglomerat aus dem Unterholz. Es trägt den Namen „Sunset in the 12th House“ – das ist das Nebenprojekt von Hupogrammos und Sol Faur, beide ehemals beim Folk-Black Metal-Kriegswagen Negură Bunget aktiv, heute bei Dordeduh. Nahezu rein instrumental, mit zahlreichen orientalischen Ausflüchten in Instrumentierung und Feeling, atmosphärisch, mitunter hart, dann wieder auf sehr seichten Schwingen: so wollen die Musiker stilfremd zu ihren anderen Projekten mit Post Rock in traditionell angehauchter Couleur punkten. Das Debüt erschien mit „Mozaic“ Anfang Juni, obwohl es das Vierer-Projekt im Geiste schon seit 2011 gibt. Ob den Derwischen aus dem westrumänischen Timișoara hier ein glorreicher Schlag oder nur ein laues Lüftchen gelungen ist, erfahrt ihr hier.
Das anfängliche „Seven Insignia“ mit seinen über 14 Minuten skandiert schon deutlich, worauf man sich mit der Platte einzulassen hat: ein langes Intro läutet die ersten Instrumentenwälle ein, dennoch verliert sich hier nichts in heilloses Chaos oder eine zu dichte Extreme. Dordeduh-Drummer Sergio Ponti kann sich hier zwar gehörig ausleben, aber dennoch dominiert hier Melodie und beständiger Wechsel derer. Überall und in jedem Song gelungene Spannungsbögen, eine erfrischende Dynamik und ein rundum toller Background-Soundtrack. Zum doch extrem arabisch-verbildlichten „Desert’s Eschaton“, dem auch ein stimmiges Wüsten-Musikvideo spendiert wurde, gesellen sich zum wabernden, progressiven Rock-Aufbau gar eine gewaltige Vielfalt des reichhaltigen Instrumentariums aus dem Morgenland. Der Song sticht zudem als wohl größtes Wechselbalg des Albums heraus: Percussion (vllt. von einer Darbuka?) und typisch orientalische Kanun-Kastenzither lösen hier in perfekter Paarung das druckvolle E-Gitarren- und Schlagzeugspiel ab wie in einem ausgeklügelten Tanz. Am Ende entfliegen Edmond Karban dann doch noch einmal fiese Vocals, um die er wohl beim Songwriting einfach nicht herumkam. In „Rejuvenation“ geht es da nämlich noch einmal härter zu, in seinem Naturell zwar leichtfüßig, aber in harschen Spitzenmomenten kann das Quartett dann doch wieder ihre Herkunft im Black Metal nicht leugnen – plus Vocals eben, die als netter Bonus wirken, aber um ehrlich zu sein irgendwie überflüssig erscheinen, das Stück funktioniert auch ohne gut. Das alles wirkt insgesamt sehr rund und, um mal einen Vergleichspunkt zu liefern, wie ein Mischwesen aus Orphaned Land und God Is An Astronaut. Wahrhaft psychedelische Folklore, die einfach von unbeschreiblicher Ästhetik ist.
Fazit: Welch ein vielschichter Triumphzug, da wird man echt baff. „Mozaic“ ist eine wunderschöne, mal unbequem nagende, mal wieder spirituell erhebende Reise mit Sack und Pack geworden. Wer sich wirklich Zeit nimmt für das Werk, dem werden nur noch fassungslos Begriffe wie „ätherisch“ oder „transzendental“ entfleuchen. Der rätselhafte Bandname, welcher aus dem astrologischen 12. Haus vorgeht, prägt schon sehr gut, worum es den Musikern aus dem Karpatenland geht: hier geht es um das Unbewusste, die Suche nach beflügelnden Idealen, die dem Leben einen Sinn schenken – und hierin liegen demnach auch die Motive der Band und das enigmatische, Namen gebende „Mozaic“. Wo in anderen musikalischen Projekten der Jungs immer wieder ihrer Geburtsstätte Tribut gezollt wird, verlagert man hier die Leitbilder in ganz andere Gefilde der Welt. Egal, ob man nun der Esoterik etwas abgewinnen kann, oder lieber den bodenständigen und knallharten Wissenschaftler gibt: Sunset in the 12th House regen deutlich zum Träumen an und liefern hier einen Soundtrack zum Flanieren in freier Wildbahn und zum Augenschließen. Eine Offenbarung für Geduldige, aber ein zäher Klumpen für Schnelllebige, so viel sei gesagt. Dennoch: konzeptionell schön, entspannend und darüber hinaus noch musikalisch komplex und durchdacht. Was bleibt denn da noch zu wünschen übrig, wenn man sich zurücklehnen und berieseln lassen will von guter Musik?
Interesse geweckt? „Mozaic“ erschien am 05. Juni via Prophecy Productions und ist sowohl auf CD als auch Vinyl erhältlich. Hier könnt ihr die Scheibe erwerben.