Auch die dritte Auflage des Steampunk Jahrmarktes in der Bochumer Jahrhunderthalle war wieder ein absoluter Publikumsmagnet. Bis zu 5000 Besucher kamen am Samstag, den 11. Februar, vor der historischen Industriekulisse im Ruhrgebiet zusammen und verbrachten den ersten Termin des Historischen Jahrmarktes gemeinsam – darunter Normalsterbliche genauso wie gewandete Szene-Anhänger. Dabei war das Konzept der Großveranstaltung des Szene-Zirkels, O-Ton Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes, ursprünglich „ein Zufallsprodukt“. Elf Jahre zuvor hatten die nordrhein-westfälischen Schausteller bei ihrem Jahresempfang nämlich zwei Karussells vergangener Tage zur Dekoration aufgestellt und den Anblick dieser im industriellen Retro-Ambiente für derart gut befunden, dass man sich dazu entschloss, einen waschechten Historischen Jahrmarkt in eben jenem Baudenkmal stattfinden zu lassen. Dieser wurde zum ersten Mal im Jahr 2008 veranstaltet, dazumal jedoch bloß an zwei Wochenenden und ohne die rege Beteiligung der Steampunker, deren Genre-Sparte erst in den vergangenen Jahren richtig populär geworden ist, obwohl sich die Faszination des 19. Jahrhunderts und die visionären Zukunftsblicke aus dieser Zeit bereits mehrere Jahrzehnte zurückverfolgen lässt, sowohl in Literatur, als auch in Film. Die Steampunk-Besucherschaft gesellte sich erst 2015 zu den wunderbaren Fahrgeschäften wie dem Riesenrad von Baujahr 1884 und dem Pferdekarussell (Baujahr 1878) dazu und verlieh der bundesweit ohnehin schon einmaligen Veranstaltung noch einen zusätzlichen Charme.

Steampunk Jahrmarkt-90Neben Geisterbahn, Raupenbahn oder dem „Selbstfahrer“ (neudeutsch bisweilen als Autoscooter bekannt) bietet sich den Besuchern des Steampunkjahrmarkt-Tages vor allem auch die einmalige Gelegenheit, die detailreichen und faszinierenden Aufmachungen der Szeneangehörigen zu bewundern, sowie in die Zeit der Industrialisierung und des Entdeckergeistes einzutauchen, der das 19. Jahrhundert ausgezeichnet hat. Der mühe- doch liebevolle Umgang mit den Elementen der viktorianischen Zeit, den jene selbsternannten Retrofuturisten pflegen, besitzt seinen ganz eigenen Reiz und ist mit Sicherheit einer der Gründe, warum die Veranstaltung sich jährlich mehr etabliert. Wenngleich sich die Fahrgeschäfte 2017 im Vergleich zu den Vorjahren mit Ausnahme ihrer Position in der Halle nicht verändert haben, so verliert das Event dadurch trotzdem nichts von seiner Attraktivität. Au contraire: So kann man mit Fug und Recht behaupten, der Vintage-Rummel erfreut sich gerade durch seine Beständigkeit großer Beliebtheit – zumal sich die Veranstalter mit dem Rahmenprogramm durchaus jedes Jahr etwas Neues einfallen lassen. So gab es in diesem Jahr unter anderem Lesungen des Autorenpaars Judith und Christian Vogt aus ihrem Roman „Die verlorene Puppe“, Vorführungen einzigartiger Dampfkonstruktionen durch das Abacus Theater sowie mehrere Konzerte der Steampunk-Band Drachenflug. Als besonderes Highlight hatten sich die Jahrmarktbetreiber des Weiteren um einen Kostümwettbewerb bemüht, dessen Gewinner die Chance auf einen Trip zum weltgrößten Steampunk-Festival, dem Asylum Steampunk Festival im britischen Lincoln, hatte, selbstverständlich samt Begleitung.

Sehen die Beiträge der lokalen Presse u.a. eher dürftig aus, fiel der Beiträg auf Youtube von Ride Review ausführlicher und mit mehr Bildmaterial aus:

Steampunk Jahrmarkt-5Gerade diese Idee traf beim Publikum voll ins Schwarze, denn sie bot der sowieso zeigefreudigen und produktiven Gemeinschaft einen weiteren Ansporn, ihr Können gebührend zur Schau zu stellen. Rund 40 Teilnehmer hatten sich vorab angemeldet und bekamen zum Abend hin jeweils zwei Minuten, um sich und ihr Gewand der Jury und Moderator Ritter vorzustellen. Unter den Kandidaten blieb es dabei jedoch nicht ausschließlich bei Vertretern der Steampunk-Bewegung, auch Angehörige der Furry-Szene, Fantasy-Larper und Downright-Goths hatten sich in den Konkurrenzkampf gestürzt und bewiesen damit mal wieder, wie fließend die Übergänge beim alternativen Volk sind, zumal auch sie trotz ihrer bewussten Themaverfehlung das ein oder andere Lob seitens der Preisrichter erhaschen konnten. Gewonnen hat letztendlich im Übrigen ganz klassisch ein Steam-Alchemistenpärchen, das sich über seinen Hauptgewinn auch angemessen freute, wenngleich man bemängeln muss, dass der Wettbewerb und seine Entscheidung inmitten der lauten Jahrmarktstände ein wenig unterging und somit vermutlich einige der nicht erschienenen Teilnehmer auch schlicht weg ihren Einsatz verpasst hatten. Ein großes Drama war das allerdings nicht – war man doch an diesem Tag zusammengekommen, um sich angemessen gekleidet bis in die Nacht hinein zu amüsieren, was in Anbetracht der vielen zufrieden lächelnden Gesichter, die einem beim Verlassen der Jahrhunderthalle entgegenblickten, wohl ein weiteres Mal restlos geglückt sein dürfte.

Fazit: Ein herrliches Event. Nach jedem Steampunk-Jahrmarkt wird der Besucher für eine Weile von einer harmonischen Nostalgie geborgen, die im stressigen Alltag wie Seelenbalsam wirkt. Wenn im nächsten Jahr bei wichtigen Ansagen bzw. Programmpunkten darauf geachtet wird, dass die Hintergrundgeräusche herunter- oder zumindest die Mikro-Lautstärke herauf gedreht wird, kann man absolut nichts bemängeln.