Staubkind-12Bereits im September starteten die Berliner Staubkind um den Kreativkopf Louis Manke mit ihrer Akustik-Konzertreihe unter dem Titel „Wo wir zu Hause sind“ und erkoren vier exklusive Orte abseits der üblichen Clubs, um die Fans zum Träumen einzuladen und die bekannten Songs der Diskographie im „stripped down“-Klangkleid zu präsentieren. Zum letzten Termin der Kurz-Tour führte es die Berliner am Freitag, 20.11.2015, einmal erneut nach Bochum in die Christuskirche, die ein warmes und gern gewähltes Nest für andächtige und selige Metamorphosen eigentlich rockigerer Musik ist, nicht bloß für die Staubkinder. Hier könnt ihr nachlesen, wie wir den Abend erlebt haben.

Während sich pünktlich um 20 Uhr Sänger, Dreh- und Angelpunkt des Abends Manke schon einmal nach vorn bemühte, um sein Publikum zu begrüßen und mit herzlichen Worten ins Abendprogramm einzuleiten (auch zu den Terror-Anschlägen in Paris verlor der Herr einige mitfühlende, zurückhaltende Worte, welche zum Zeitpunkt des Konzerts erst auf den Tag genau eine Woche zurücklagen – hier betonte Manke, dass auch dort sich Menschen auf einem Konzert „zu Hause gefühlt haben“, und wir uns natürlich nicht von den Drahtziehern einschüchtern lassen sollten), Batomae-5gab es zunächst im Vorprogramm Batomae zu bestaunen. Das Duo um den Luxuslärm-Bassisten David Müller schenkte den Kirchenbesuchern zunächst seichte, emotionale Pop-Sounds von ihrer Debüt-EP. Diese ist gleichsam Soundtrack zum Buch „Das Mädchen aus der 1. Reihe“ von Jana Crämer, der besten Freundin des Frontmanns. Ein bisschen Product-Placement hier und da (Werbung im eigenen Sinne kann, darf und muss, aber eben wohldosiert), ein bisschen Pathos-getränkt der Auftritt an sich – dennoch war der Keyboard-, Gitarren- und Gesangs-unterstützte Sound der deutschsprachigen mit unverblümter und ungezwungener Lyrik zunächst zwar etwas irritierend, ging dann aber in mitreißende Ästhetik über. Vom eröffnenden „Kein Wort“ über das flottere „Adrenalin“ bis zu „Unvergleichlich“, dem wohl aufrüttelndsten Song im Repertoire des Projekts, zu dem auch ein authentisches Musikvideo veröffentlicht wurde, war das Konzert in sich geschlossen, der Herr präsentierte sich sympathisch und gewitzt. Geschichten aus dem Leben – hier die Abkehr von medial eingetrichterten Schönheitsidealen und eine Liebeserklärung an das Gegenüber, unverändert und echt. Der Titelsong besagten Buches, „Reihe 1“, wurde damit eingeläutet, dass man trotz der Konzertlocation und den Kirchenbänken durchaus tanzen dürfe, auch wenn „kein Caipirinha da ist und keine Grillstimmung herrscht“. Die Buch-Lovestory wurde durch die Songs ganz gut vermittelt und wandelte immer den schmalen Grat zwischen Anspruch und Kitsch, ohne dabei zu sehr in eine Seite abzudriften. Sehr angenehm und überraschend, dennoch nur bedingt passend zu Staubkindchens Klangwelten.

Den Einstand zum Headliner-Konzert lieferten Staubkind schlussendlich gegen viertel vor 9 mit dem wehmütigen, Hoffnung schöpfenden „Alles, was ich bin“ – im Ensemble neben der Band selbst auch Support von Violine und Cello für die Staubkind-7„leisen, getragenen“ Töne. Man lieferte gekonnt stilvoll und ästhetisch ab – über „Was für immer bleibt“, in rotes, feuriges Licht getüncht (die weißen Staubkind-Lettern-Möbel dabei lauschig angestrahlt), den Opener vom 2014er Album „Den Träumen so nah“, „So still“ oder „Fühlst du“. Letzterer Song war auch der erste, an dem Manke zum ersten Mal die Besucherschaft einlud, zum treibenden Intro aufzustehen und zu tanzen. Etwas ulkig, wie zwischen jedem Song sich die halbe Menge in den Kirchenreihen wieder artig hinsetzte und die andere stehen bleiben wollte, man sich aber nicht einig wurde und so aus Höflichkeit immer wieder setzte – erst als es zum Konzertende schwenkte, blieb man unvermindert auf beiden Beinen. Zum minimalistischen Gute-Nacht-Märchen „Traumfänger“ inquirierte der Sympath auch gleich mal, wer unter seinen Zuhörern denn schon Mama oder Papa ist, auch mit dem Blick auf die paar Kinder, die durch die Reihen wuselten – als Ausdruck der Liebe zur eigenen Familie. Um starke Gefühle, Bindungen und Liebe drehen sich alle Songs der Berliner, welche in der Instrumentenkulisse hier perfekt untermalt waren. Aber nicht nur die neuere Song-Front hatte ein Plätzchen in der Setlist gefunden – zu „Ein Traum, der nie vergeht“ vom 2004er Debüt-Album, damals noch etwas elektronischer und „kälter“ im Naturell, kam Manke auch nicht umhin, mal abzufragen, ob sich sogar Fans der ersten Stunde im Publikum befänden – diese waren zwar rarer gesät, aber vorhanden. Ein üppiges und schönes Best of-Programm bescherten Staubkind hier, bevor es mit den Klassikern zu Ende ging.

Fazit: Batomae im Vorprogramm wird bei vielen Liebhabern der Pop-Ader Staubkinds schiere Begeisterungsfluten ausgelöst haben, während der gefühlvolle, glattgebügelte Radiotauglichkeits-Anstrich zwischen Revolverheld und Xavier Naidoo bei den Gothic-Szenegängern im Publikum wohl negativer aufstieß. Das konnte man auch am Andrang am Merch-Stand -sowohl für Support- als auch Haupt-Act- messen. Wer vor zwei Jahren nicht die Möglichkeit hatte, die Akustik-Tour zu besuchen, hatte hier Gelegenheit, endlich seine blutenden Wunden zu verbinden und die Songs der Staubkinder mal in „unrockig“ sanft zu erleben – die Wandlung will eindeutig zum melancholischen und gefühlsbetonten Tonus der Stücke passen und dürfte das Herz jedes Besuchers aufgehen lassen haben. Wer natürlich krampfhaft mehr den klischeehaften Kitsch im neuen Staubkind-Sound entdecken will, der durch die Bekanntheit der Touren und Zusammenarbeiten mit dem Grafen von Unheilig unweigerlich kommen musste, wird vor allem auch durch die bunte, gefühlsduselige Bühnenaufmachung mit dem verschnörkelten „Wo wir zu Hause sind“-Leuchtschriftzug im Background und den niedlichen Luftballons seine Bestätigung finden. Aber hey, das entkräftet kaum die Schlagkraft der echten und tiefgehenden Songs von Herz, deren Impuls auch durch die Umarbeitung in wärmere, abgespecktere Akustik nicht verloren geht. Dazu kommen die charismatischen Ansagen des Sängers, der bei seiner Hörerschaft mit Leichtigkeit ein familiäres „Wir gehören zusammen“-Gefühl aufkochen lässt. Wunderschön und für eingefleischte Fans von Manke und seinem Gefolge wohl ein kleiner Wunschtraum, an den man sich gerne und noch lange erinnern mag. Gerne wieder!