Stahlmann statteten am Samstag, 26.09., der Bochumer Matrix einen Besuch bei ihrer „Eisenstaub“-Tour ab. Die Göttinger NDHler vermarkten derzeit ihr neues Album „CO2“, bei dem sie mal wieder klarmachen, dass die Rammstein-Zeloten ungeachtet jedweder Kritiker ihren eigenen Weg beschreiten. Man kann sie lieben, man kann sie hassen, man kann den Joke mit einem ihrer ersten Songs „Hass Mich… Lieb Mich“ an dieser Stelle bringen – aber ein richtiges „Dazwischen“ gibt es bei den Hörern Stahlmanns nicht. Man muss wohl der Tatsache ins Auge sehen: kaum eine Band im Potpourri der Neue Deutsche Härte-Bewegung polarisiert derzeit so sehr wie die Mannen hier. Wenn ihr nachlesen wollt, wie die hammerharte, stählerne Portion des Musik-Abends war, erfahrt ihr hier mehr.
Den abendlichen Auftakt gab zunächst die Mainzer Combo Nervenbeisser. Ihr aktuelles Album „Geschlechterschlacht“ (Re-Release des 2004er Werks) gibt es seit ein paar Wochen zu kaufen, nachdem sie erst vergangenes Jahr ihr Comeback feiern konnten. Der Live-Klang –ob der Technik zu schulden, sei mal dahingestellt- war jedoch von eher mäßiger Güte. Nach drei Songs dann die Gewissheit, dass Nervenbeisser in den Studioaufnahmen schlicht besser klingen und hier nicht das Gleiche erbracht wird. Wummernd, böse, punkig in Momenten… Eigentlich schade, dass das live nur inselweise Begeisterung hervorrief, in Anbetracht der Tatsache, dass es die Band schon länger gibt und man hier derzeit eine kleine Wiederauferstehung feiert. Stücke wie „Süße Träume“ und „Nichts bleibt“ bleiben da noch am ehesten im Gedächtnis, auch mit den Zusatzvocals von der Keyboarderin.
Als zweiter Support stand Lichtgestalt auf der Tube-Stage. Die etwas älteren Herren stehen noch am Anfang der Karriereleiter und promoten derzeit ihr erstes Ungetüm „Motorenherz“, welches heftig im Kritiker-Kreuzverhör mal als CD vielversprechender, neuer NDH-Infanteristen, mal wieder als Totalausfall gehandelt wurde. Der Auftritt der Jungs, die zudem noch aus der Region um die Matrix herum stammen, wie Frontpersönlichkeit Hertz verriet, war dafür, dass das Projekt noch in den Kinderschuhen steckt, ganz ecken- & kantenlos und wusste zu gefallen. Auch wenn zu viele der besseren Stücke des Albums unberücksichtigt blieben und neben dem starken Intro „Entfessele den Sturm“, dem lyrisch gewandten Titeltrack ihres Debüts und dem Sucht-Manifest „Spieler“ nur das fade und textlich sehr einfältige „Der kalte Mann“ als unangenehmer Tiefpunkt im Kopf blieb. Mit „Böse Fee“ gab es dann noch eine in Retrospektive aber auch einschlaglose Live-Premiere, wie Sänger Thomas Hertz verriet. Insgesamt aber doch eine nur stellenweise positive und überwiegend enttäuschende Erfahrung, wo so viel Staub um den Namen Lichtgestalt aufgewirbelt wurde. Optik und Gesamtpräsentation der Mitglieder als Wortverdreher, Menschmaschinen und Arbeitstiere untermauern trotzdem ein cooles Image und die Jungs als einen weiteren, netten Baustein für die Worker-Musik-Riege.
Die Stahlmänner selbst gaben sich routiniert, abgebrüht und stets mit einer Prise Humor. Mit Sonnenbrille in düsterer Club-Atmo ging es mit dem „CO2“-Intro „Feindflug“ in die Schlacht, direkt gefolgt von „Adrenalin“ und dem Selbstbeweihräucherungs-Anthem „Stahlmann“. Tjaja, charmant geben sich die Versilberten ja schon für ihr Fan-Volk: warme Begrüßung, Feier-Ansagen, Anstachelungen und Witzchen. Locker und nice ging es von Song zu Song, ein großer Fokus natürlich auf dem neuen Album. Zu „Sadist“ gab man seine Neigungen zu härteren Schäferstündchen zu, für das neue „Deutschland tanzt“ wechselte man artig die Garderobe zu weißen Hemden, krawattiert und mit Homburg-Hüten – und neben weiteren Evergreens wie „Hass Mich… Lieb Mich“ aus erster Stunde, die Schwarze Szene-Liebeserklärung „Schwarz“ und das vorpreschende „Spring nicht“, zu dem es sich entgegen des Titels hervorragend zu springen lässt, standen natürlich noch das neue „Plasma“ (dessen Ansage Mart erstmal verkackte und zugeben musste, die Reihenfolge vertauscht zu haben, man ist ja auch nur Mensch) und die „Tanzmaschine“.
Eine gewisse Redundanz im Liedgut von Stahlmann bemerkt man dann in der Live-Setlist aber doch, wenn man mal ehrlich ist: „Stahlmann“, „Stahlwittchen“, der „Ich bin ein Mann aus Stahl“-Chor aus „Der Schmied“, dann wieder „Deutschland tanzt“, „Wenn Engel tanzen“ oder „Tanzmaschine“… wir lassen die Stücke für sich selbst sprechen. Mitunter ist dann doch wieder die Nähe zu so vielen anderen NDH-Gestalten unumgänglich und schier nicht ausblendbar. Diese Tatsache wiegt aber nicht so schwer, als dass man mit Stahlmann keinen Spaß haben könnte – und wer nicht mitmachte im Club, der landete sowieso auf dem Schoß von Bassist AblaZ oder im Bett mit Gitarrist Frank Herzig, damit drohte man immer wieder diesen Abend. Null-Acht-Fünfzehn-Song und Hoffnungsschimmer reichten sich hier die Hand, denn die Kritik schwache und unbedarftere Lyrics im Glanze cooler Industrial-Metal-Hymnen zu verpacken gilt bei Stahlmann definitiv nicht für jedes Lied. Zur Zugabe streifte Front-Gurgel Mart dann mit Zigarette zurück aufs Parkett. Denn, so gab er bekannt, „wenn ich rauche, dann ist das eine künstlerische Darbietung“ – die Raucher im Saal mussten bis draußen warten. Mit dem ebenso noch brandneuen „Spiegelbild“ und dem Klassiker „Süchtig“ ging es dann zum Grand Finale „Asche“ über, wo sie sich ein weiteres Mal auf die Bühne bitten ließen.
Fazit: Was Stahlmann auf der Stage zelebrieren ist von einem ungemeinen Sog und stets von einer besonderen Coolness begleitet – die böse Metallik-Optik der Springinsfelde mit silbernem Bodypaint, die ulkigen Ansagen und das gegenseitige Piesacken der Bandmitglieder, wie auch das verrauchte Timbre von Frontmann Mart tun ihr Übriges. Trotzdem: die starken Rhythmen stehen ungerührt und unumstößlich da, EBM tropft rudimentär aus den Poren, aber es gibt einfach keine richtigen Überraschungen, wenn die Songlyrics austauschbar werden. Simpler Aufbau schafft aber auch leichten Zugang, nicht umsonst frisst die Fan-Meute Martin Soer und seinem Konsortium aus den Händen. Live muss man den Jungs auch einfach zugestehen, eine Wahnsinns-Stimmung hervorzurufen, da treten dann das neblige Lyrik-Fundament und das unter den Füßen bröckelnde Konzept-Treppchen in den Hintergrund. Mit den zwei interessanten, aber irgendwie auch wenig im Gedächtnis bleibenden Support-Gruppen im Vorprogramm verhielt es sich leider so, wie im Vorfeld befürchtet: das Brandzeichen wurde unangeheizt ins Leere gepusht. Dabei hatten Lichtgestalt doch ein paar vielversprechende Songs auf der Platte, die nur zum Teil berücksichtigt wurden, und Nervenbeissers Song-Sammelsurium nagte im wahrsten Sinne des Wortes an den Neuro-Fasern, wo die Songs auf Platte irgendwie zehnmal besser klangen. Das geschnürte Gesamtpaket war natürlich extrem stimmig und wird die eingefleischten Jünger definitiv überzeugt, Skeptiker aber auch bestätigt haben. Reißerisch geht mühelos, nur mitunter inhaltsleer.