Schönesende als Bandname klingt wahnsinnig sarkastisch, wenn man bedenkt, dass wir hier ein neues Black Metal/Sludge-Monstrum vor Augen geworfen bekommen. Das Ein-Mann-Projekt unter der Schirmherrschaft vom Londoner Matthew Bunkell (u.a. auch tätig bei Black Mass, Light Bearer & Momentum) gibt es seit 2012, steckte aber mehr oder weniger lange in den Blaupausen und am Reißbrett fest: erst diesen Sommer erschien die selbstbetitelte Debüt-Scheibe und das zunächst digital. Jetzt Ende September wird das Album auch physisch zu erwerben sein – und wie beim im deutschen Schönkirchen ansässigen Independent-Label Narshardaa (u.a. Arktika, Thurm) üblich nur in wunderschön gestalteter, exklusiver Doppel-LP. Wir haben uns das Ding mal näher angesehen, welches in alleiniger Eigenregie von nur einem unermüdlichen Kreativkopf zusammengebastelt wurde.
Zugegeben: als englisches Bandprojekt den Titel „Schönesende“ zu wählen, hat bei der Weltuntergangsstimmung in der energisch-brutalen und ausufernden Musik, die hier geschmiedet wird, schon fast wieder etwas Komisches und Kongeniales in sich. Wir drücken auf Play: nach dem Kurz-Intro „The Condition“ brettert direkt „Escape From Evil“ los. Und auch wenn die vordergründigen Stilistika des schwarzen Metalls überall unter der Haut des Projekts stecken, wir zügig deutlich, dass Bunkell hier einen freigeistigeren, frischeren und vor allem “postigeren” Anlauf auf die extreme Musiksparte angeht. Klar ist die „evilness“, die typisch BM ist, auch nicht heruntergedreht – vielmehr ist es die Monotonie, die ähnlich wie Acts wie die deutschen Der Weg Einer Freiheit, die alten Lantlôs oder wie der Blackgaze mit Combos wie Deafheaven in den dichten Soundwänden ihre Melodie versteckt hält. Zunächst und auf den ersten Blick sind diese Klangstürme unbändig, verroht und undurchdringlich-unfassbar. Die ellenlangen Stücke werden nach druckvollen Odysseen ohne Atempause immer mal wieder unterbrochen – sei es nun mit bohrenden Piano-Sounds, Ambient-Einlagen oder fast schon gespenstischer Stille. Funktioniert ungemein gut und zieht mit, reißerisch und epochal.
Das geistige Herzstück und den gleicherzeit größten Song-Titan bildet an der Trackstelle #3 “Rise, Moloch“ mit seinen über 22 Minuten Länge. Stimmig und ruhig beginnt man hier fast wie zynisch mit einem Akustik-Gitarren-Intro in Lagerfeuer-Ambiente, bevor die ersten typischen Brecher-Passagen einsetzen. Mit dem Text liefert Bunkell auch gleich eine Deutung dessen: es geht um den Moloch, das Alles konsumierende Biest, dem wir uns mit verbundenen Augen opfern – Kapitalismus-Kritik par excellence. Da fühlt man sich glatt an Fritz Langs Metropolis erinnert, bei der Metaphorik des Stücks. Dazu treten auch einerseits der Gastgesang von Black Mass-Fronter Jack Riddleston und andererseits gesprochene Passagen, hier aus einer Rede von James Dobson, der den Materialismus anprangert, seinerseits aus theologischer Perspektive. Insgesamt benennt das Label die Thematik von Schönesende mit „human condition“ – menschliches Befinden, vielleicht besser noch „menschliche Lage“ im Sinne von „Status quo“. Wo sind wir, wo gehen wir hin, wie verhalten wir uns, was steckt in uns. Alles Dinge, denen hier nachgegangen wird. Fragen, die einer Klärung bedürfen, ehe wir ein wortwörtliches „Schönes Ende“ finden können. In „Of Flesh And Stone“ wird der Mensch in den Kontext seiner Historie gestellt: vom kleinsten Holzkeil bis zum größten Weltwunder-Bauwerk versuchen wir stets, etwas von Dauer zu schaffen, damit man sich an uns erinnert. „We were here“, keift Bunkell unentwegt – zwischenzeitig lässt der Song sogar ein wenig Klargesang durchschimmern (zumindest bei der antwortenden Passage „And watched it all fade away“), was fast schon abstoßend deplatziert wirken mag, weil alles bisher so einheitlich düster war. Nach dem Instrumental „The Worm At The Core“ geht es mit „Exit Smiling“ zum 17-minütigen End-Koloss über und wir beenden die fast 70-Minuten-Reise mit einem simplen Fade Out.
Fazit: Weitläufige Einöden von Instrumentalpassagen, die wie schleifende Stürme alles niederreißen, eine inhärente Kühle und ein Wurzelwerk im Fundament des Realen zeichnen das Projekt „Schönesende“ aus. Besonders genießbar wird die Platte mit dem Blick auf die außerordentlichen Lyrics, die die Begeisterung für Philosophie und Psychologie seitens des Masterminds hinter der Musik fett unterstreichen. Da wird die Tatsache gleich noch süßer im Abgang, dass Bunkell in nicht allzu ferner Zukunft die VÖs einer Sammlung von Kurzgeschichten und einer Novelle angekündigt hat, die inhaltlich stark mit dem Wirken von Schönesende verwoben sein sollen. Sechs Songs gibt es – „nur“ wäre angesichts der Tracklängen wohl blauäugig. Aber jede einzelne Minute wirkt durchdacht und wohlplatziert. Konzeptionell wie von der Produktion her ein echtes Fest. Geheimtipp! „For I am the sum of everything I own.“
Interesse geweckt? „Schönesende“ erschien am 17. September offiziell als Doppel-Vinylplatte samt Downloadcode (hier zu ordern) und kann auf der offiziellen Bandcamp-Präsenz in voller Länge begutachtet und geladen werden. Die Einnahmen der Downloads spendet Bunkell im Übrigen an den Kaleidoscope Trust, einer Organisation, die sich für Gleichberechtigung von u.a. Homosexuellen einsetzt.