In deutlich rockigerer Manier präsentierte sich der zweite Tag des Schattenwelt Festivals in der Nähe von Wien. Den Anfang machten MicroClocks mit eindeutigen Sisters Of Mercy-Anleihen. Rauchige Gitarrenriffs und Trommelwirbel hielten die noch kleine vor der Bühne versammelte Menge auf Trab. Im klassischen Arrangement vermengten sich 1980er-Hommagen und traditionelle Hardrock-Einflüsse. Zuletzt wurde der neue Song „Rapture“ präsentiert, welcher – wie man gerne erwähnte – zuvor Platz eins in den Deutschen Alternative Charts belegt hatte. Verspielte Riffs paarten sich mit gefühlvoller Performance-Gestik. Hier sei noch angemerkt, dass laut der vor Ort ausgehändigten Broschüre ROOT4 den Anfang machen sollten, sich diese Information jedoch mit den Anzeigen auf den vorhandenen Timetable-Screens nicht deckte. In der Tat traten MicroClocks als erster Act auf.
Bei ROOT4 kamen dann elektronisch-gesinntere Gäste wieder auf ihre Kosten. Irgendwo zwischen Future Pop, EBM und Electro-Pop flackerte das Stroboskop, die Menschenmenge in der Mitte weitete sich einstweilen minimal aus. Im dezent martialischen Get-up schnitt man unterschiedliche Spektren der elektronischen Unterhaltungsmusik an. Da fingierte der Synthesizer auch mal loopende, orgelartige Klänge und die eine oder andere Depeche Mode-Hommage machte sich breit. Im selben Atemzug steuerte man harschere Gefilde an und geizte nicht mit Verzerrungseffekten. Auch ein Cover des Grauzone-Klassikers „Eisbär“ blieb nicht unversucht. Das Resultat dieses Unterfangens wollte jedoch nicht wirklich fruchten. Nichtsdestotrotz schien der eklektisch-elektrische Mix bei der Mitte ganz gut anzukommen.
Ganz im Zeichen des theatralisches Dark Rocks beehrten Vlad In Tears später die Bühne. Mit Glam-Attitüde und einem nicht zu verachtenden Selbstbewusstsein ausgestattet, gab man eine dezidiert melodramatische Performance zum Besten. Im Akt des sich Präsentierens war man dabei übereifrig: Im Stile einer Hair Metal-Band anno 1987, stolzierte man über die Bühne, schmachtete und schrie sich pathetische Textpassagen aus dem Leibe und avancierte in das nächste Level des Poseur-Daseins. Auch um die Interaktion mit dem Publikum war man bemüht. „For now, we keep rocking our asses off.“, verkündete man stolz, wenngleich etwas außer Puste. Mit viel Mut zum Bombast in einer marginal gefüllten Halle wurde das Set fortgesetzt. Mal konnte man minimale Horror-Elemente vernehmen, dann stand alles wieder im Zeichen des Herzschmerzes – eine starke Rhythmus-Sektion in Form eines üppig ausgestatteten Drumsets fungierte als konstanter Wegbegleiter. Die an den Glam-Metal angelehnten Gitarrenriffs setzten der schaustellerischen Note die Krone auf. Gegen Ende des Sets wurde ein Cover des Chris Isaak-Klassikers „Wicked Game“ angestimmt, welches jedoch nicht überzeugen konnte. Zu viel Überschwang und zu wenig Gefühl zerspielten den serenadischen Charme der bluesigen Ballade.
Ähnlich bombastisch mutete der Auftritt des Local-Acts Lolita KompleX an. Bei kabarettistischem Get-up und kratzigen Chords stand der Sinn nach Unterhaltung. Musikalisch betrachtet, machte man eine Gratwanderung zwischen Show Metal und Party Rock. Songs wurden mit einer Erläuterung ihrer intendierten Funktion angekündigt. So war man zum Beispiel stolz, den offiziellen Dance-Song „Tanz, Schweinchen, tanz“ zu präsentieren und persiflierte die Angewohnheit mancher Acts, ihr „hartes“ oder „böses“ Image etwas zu ernst zu nehmen. Das obligatorische Cover durfte natürlich auch nicht fehlen. Hierbei handelte es sich um die Tatu-Nummer „All The Things She Said“. Mit einer animierten Bühnenpräsenz und verspielter Attitüde bewies man Mut zur Leichtigkeit. Was negativ auffiel, ist das passiv-aggressive, nach Aufmerksamkeit ringende Verhalten der Band gegenüber dem Publikum. Wiederholt verbal zu implizieren, das Publikum wäre an der subjektiv empfundenen Flaute schuld gewesen, brachte kaum Sympathiepunkte ein.
Die Überraschung des Abends lieferte die Kombo Black Nail Cabaret, die an Stelle von The Frozen Autumn auftrat. Aufgrund einer Erkrankung von Froxeanne musste das italienische Dark Wave-Duo leider absagen. Mit der Situation wurde jedoch kompetent umgegangen und der passende Ersatz gefunden. Mit atmosphärischen Klangstrukturen und minimalen Shoegaze-Anleihen wurde das Set eingeleitet. Dahintreibend und der Melancholie verschrieben, wurden tröpfelnd-regnerische Arrangements in Szene gesetzt. Man bewegte sich dabei in einem stetigen Spagat zwischen Minimal und Electro-Clash. Die außergewöhnlich tiefe Stimmlage der enigmatischen Vokalistin Árvai-Illés Emese verlieh der Performance einen besonderen Charme. Rhythmische Kompositionen machten Platz für Downtempo-Arrangements. Auch trance-artige Strukturen und Disco-Elemente waren zu vernehmen. Auf dem Bildschirm waren einstweilen aufwändige Visuals zu sehen. Mit Songs wie „Sister, Sister“ und „Veronica“ gewann man das Publikum für sich.
Ihnen folgten Funker Vogt, welche nach dem Debakel der Causa Sacha Korn nun mit Chris L. an den Vocals einen Neustart wagten. Brachial und von jeglicher Sympathie befreit, wurden wie gewohnt Plattitüden zu stampfenden Beats runtergebrüllt. Optisch unterstrichen wurde die Tiefstapelei von der einen Schützengraben andeutenden Bühnendekoration und paramilitärischen Aufmachung. Aus den genannten Gründen gehen wir an dieser Stelle nicht weiter auf den Auftritt ein und werden auch keine Fotos davon veröffentlichen.
Einstweilen bereitete sich alles auf den Hauptact vor. Covenant kündigten ihre Performance durch treibende sphärische Klänge an. Das Intro ließ schon beinahe ein Ambient-Konzert vermuten. Ehe man sich versah, landete man jedoch in der von dem Act gewohnten Futurepop-Szenerie. Die Vorstellung seitens Eskil Simonsson erfolgte auf Deutsch. Die Bühnenpräsenz blieb ein gut gehütetes Geheimnis. Bei minimaler Belichtung wurde das Leben so manch eines Fotografen oder einer Fotografin schwer gemacht. In der Tat breitete sich die lauschige Atmosphäre auch auf das versammelte Publikum aus. Man befand sich im Dunkeln. Mit rhythmischer Beschallung und dem Gebrauch des einen oder anderen Fan-Favoriten, wurde die Mitte jedoch bei guter Laune gehalten. Auch das Stroboskop wurde wieder ausgepackt. So glich die Atmosphäre vor Ort einer Disco und in der Tat wurde unter den Besuchern ausgelassen getanzt. Mindestens ebenso ausgelassen spielte die Band allerdings auch mit dem mitgebrachten Nebelwerfer, was schließlich tatsächlich den Feueralarm durch Rauchmelder auslöste – so musste die Venue zum Schluss noch kurzfristig geräumt werden.
Am zweiten Tag wurde aufgrund von Beschwerden das Rauchen auf dem DJ Floor eingestellt. Wo sich der besagte Chillout-Bereich befand, war jedoch nach wie vor schwer zu ermitteln. Kritische Stimmen waren auch in Bezug auf den Becherpfand bei den Bars zu vernehmen. Es handelte sich dabei um schlichte Einwegbecher, die leicht beschädigt werden konnten. Das Personal vor Ort war jedoch sehr bemüht, wenngleich etwas unterbesetzt. Hinsichtlich der Atmosphäre war kaum eine Veränderung zum ersten Tag erkennbar. Große Teile der Halle waren nach wie vor leer. Es mangelte keineswegs an hingebungsvollen Fans, die ihrer Freude durch Tanz Ausdruck verliehen. Diese hätte man jedoch in einer kleineren Venue auch unterbringen können. Positiv fiel die schnelle Handlung hinsichtlich des Ausfalles von The Frozen Autumn auf. Man war sichtlich auch bemüht, einen Ersatz zu finden, der stilistisch in einem adäquaten Verhältnis zum ursprünglich geplanten Act stand. Einen guten Eindruck hinterließ auch das Vorhandensein unterschiedlicher Stände mit verschiedenen Schwerpunkten. Ebenfalls löblich war der reibungslos eingehaltene Zeitplan. Jeder Interpret startete zur angemessenen Zeit und die Warteintervalle hielten sich in einem angenehmen Rahmen. Das vierte Schattenwelt Festival wurde für das Jahr 2018 bereits angekündigt, Details dazu sind allerdings noch nicht bekannt.