Ehrlich, gesellschaftskritisch, kein Blatt vor den Mund nehmen – das und mehr könnte Schattenmann beschreiben und doch wird keine dieser Eigenschaften der jungen NDH-Band alleine gerecht. Sie sind so viel mehr. Seit ihrer Gründung 2016 gehen sie ihren eigenen Weg und schaffen es immer wieder, mit diversen Songs aus der Masse der Neuen Deutschen Härte herauszustechen, ohne fremd zu wirken. Nun veröffentlichen sie am 05. November ihr drittes Studioalbum via AFM Records mit dem Titel „Chaos„. Zumindest dem Namen nach könnte es nicht besser in diese turbulente Zeit passen. Wir verraten hier, was das Album außer Chaos noch zu bieten hat.
Songs, die sich gewaschen haben
„Die Ruhe vor dem Sturm“ heißt die Hörer auf dem Jahrmarkt des Wahnsinns willkommen – als sehr kurzes Intro wird hierbei tatsächlich schlichtweg typische Jahrmarktsmusik eingespielt. Kurze 18 Sekunden hält es an und wird vom Titeltrack „Chaos“ abgelöst. Brachial bricht es zunächst über einen herein, bis die Musik in den Hintergrund rückt und Frank Herzigs Stimme den Song dominiert. Weltuntergangsszenarien überspitzen die Entwicklung der aktuellen Gesellschaft und die Frage, wie wir in diese Oberflächlichkeit und den Hass abgedriftet sind. „Heyhey“-Parts im Refrain machen den Song sicherlich zum nächsten Live-Kracher.
Wie bereits mit Musikvideo angekündigt, geht es mit ehrlicher Gesellschaftskritik bei „Abschaum“ direkt weiter. Elektronisch verzerrte Stimmen stechen im Refrain hervor, während die harten Gitarren-Riffs „Chaos“ irgendwie ähneln.
Die ersten Songs des Albums, die alle vergleichsweise kurz sind, sind unverkennbar Schattenmann. Sie fahren eine konstante Linie im NDH-Bereich und klingen nicht wie ein Rammstein-Abklatsch. Wie ein roter Faden ziehen sich brachiale Sounds, die so facettenreich wie unverkennbar sind durch das Album. Was inhaltlich immer wieder durchdringt: Gesellschaftskritik. Und das nicht in blumig verpackten Worten, sondern direkt und unmissverständlich direkt „in your fucking face“, um es mit einer Zeile bzw. dem Titel „IYFF“ zu sagen.
Zwischen digitalem und echtem Wahnsinn

Schattenmann auf dem Near Castle Festival 2019
Wir und die Gesellschaft beschäftigt derzeit so Vieles, das man es kaum in Worte fassen kann. Kein Problem für Schattenmann, die Themen wie unendlichen Hass und Hetze (im Netz), der gezielt gesucht und geschürt wird, mit „Choleriker“ verarbeiten. Zwischen harten Gitarrenklängen und fast schon rauchigem Gesang, wird immer wieder ein Sirenenartiger Sound eingespielt. Eine Warnung? Vielleicht.
Dass uns zwischenmenschlich etwas durch die digitale Welt abhanden kommt, findet Raum in „Cosima“ – eine Liebeserklärung an einen digitalen/technischen Menschenersatz, der einen in seinem Egotrip-Leben nicht aufhält, wie ein echter Mensch es angeblich tut. Textzeilen wie „Jeder ist ersetzbar“ verdeutlichen gut das Denken Vieler in dieser Wegwerfgesellschaft.
Bei „Spring“ haben zwei bekannte Stimmen einen Gastauftritt: Vito C. und Hannes G. Laber Holzmann von J.B.O. reihen sich in den Apell ein, einen Neuanfang zu wagen. Die beiden, die wohl eher durch ihre augenzwinkernden Interpretationen bekannter Songs im Metalgewand bekannt sind, in einem doch eher ernsten Kontext zu hören, mutet zu Beginn merkwürdig an. Gibt man dem Song eine Chance, merkt man schnell, dass besonders gesanglich wirklich alles stimmig ist.
Eine unfassbare Zäsur bietet schließlich „Voodoo“ – sowohl musikalisch als auch textlich. Ein Song, der völlig aus der Reihe fällt und irgendwie nicht so recht zum Album passen möchte. Mit „Alman“ wird man dann jedoch schnell wieder in den vorherigen Kontext zurückgeworfen. Mit elektrischen Elementen versehen, dringt der verzerrte Sound aus den Boxen, während Herzig über den typisch Deutschen herzieht. Die sogenannte Querdenkerbewegung bekommt dann mit „Wir gehorchen nicht“ auch noch ihr Fett weg. Treibende Sounds wie auf einem NDH-Marsch bewirken, dass der Song im Ohr hängen bleibt und sich vom Rest deutlich abhebt.
Fazit
Insgesamt hat das Album 15 Tracks zu bieten. Mit einer Spielzeit von unter einer Stunde ist Chaos vergleichsweise kurz geraten. Nichtsdestotrotz stehen die meisten Songs geradezu in Schattenmann-Tradition und wieder gibt es einige Songs, die hervorstechen. Hierzu gehört beispielsweise „Wir gehorchen nicht“ oder „Komplett auf Anschlag“. Ein fast rundes NDH-Album mit wenigen Ausreißern, kurzweilig und doch in Erinnerung bleibend. Besonders die Texte machen hier den Unterschied, da sie nicht nur leere Worthülsen sind, nicht blumig umschreiben und trotzdem Interpretationsspielraum lassen.