Fast ist man den Zweijahres-Zyklus bei Schattenmann schon gewohnt. Nachdem die ersten Beiden Alben Schlag auf Schlag kamen, nahm sich die junge Band für die letzten beiden Silberlinge etwas mehr Zeit. Nun erschien am 30.06.2023 das neue Album mit dem Titel Dia De Muertos und es könnte nach den langen Pandemie-Einschränkungen thematisch nicht besser in unsere Welt passen. Das honorierten die Fans, indem sie das Album in der ersten Veröffentlichungswoche auf Platz 10 der deutschen Album Charts brachten. Ob die Band noch länger in den Charts bleibt, wird sich zeigen – so viel vorweg: verdient hätten sie es!
Songs am Puls der Zeit
Schon der Opener und Titelsong Dia De Muertos hat es ordentlich in sich. Zwar besticht der Titel auch mit seinen melodischen Klängen, statt der gewohnten Härte der Band, doch zeigt sich der Song nicht weniger fulminant. Zur Feier der Toten (der Dia de Muertos ist eigentlich ein mexikanischer Gedenktag im November) zeigt sich nicht nur das Artwork des Albums mit einem typischen mexikanischem-Tag-der-Toten-Stil, sondern auch der Song hat einen leicht mexikanisch angehauchten Unterton. Thematisch geht es jedoch nicht nur darum, die Toten zu feiern, sondern vor allem auch das Leben, egal welchen Glauben man hat – nach der Pandemie ist die Vergänglichkeit des Lebens den meisten Menschen wohl noch ein wenig mehr bewusst. Der Song trägt auf jeden Fall zur Feierlaune bei.
Düster und mit einem hart-dreckigen Klang ist die Feierlaune bei Jeder ist schlecht aber schnell verflogen. Harte Gitarrenriffs, schnelle Drums und kratziger Gesang begrüßen einen in einer fast schon utopischen Umgebung. Der Refrain wird melodischer, doch viel Ruhe strahlt der Song nicht aus. Eine pessimistische Grundhaltung, Themen der aktuellen Weltgeschichte und harter Sound drücken einem die Utopie, in der wir bereits leben, ins Gesicht. Später wird das mit Menschenhasser nochmal auf die Spitze getrieben. Nicht nur ist jeder Mensch schlecht, sondern gleichzeitig sind die schlechten Menschen auch hassenswert. Der Song passt musikalisch zu älteren Schattenmann-Songs und lässt einen roten Faden der Bandgeschichte erkennen.
Eine Zäsur zwischen diesen beiden Titeln ist Hände hoch. Mit einem nahezu fröhlich mitsingbaren „döpdöpdöp“ wirkt der Song musikalisch im Kontrast zum Text fast schon zu fröhlich. Die Gesellschaftskritik wird jedoch auch hier deutlich – da braucht es kein mühseliges Zwischen den Zeilen Lesen. Mit beschwingten, wenn auch nicht weniger harten Riffs pressen Schattenmann einem die Lächerlichkeit der aktuellen medialen Themen in die Ohren. Weitere wichtige Themen der aktuellen Zeit werden auch in Dickpic thematisiert – mit einer Spur Empörung, einer Spur Fassungslosigkeit und einer Spur Sarkasmus reiht sich der Track in die lange Reihe der gesellschaftskritischen Titel der Band ein. Schnelle Drums und harte Gitarrenriffs gemischt mit weiblichem Gesang und Frank Herzigs rauchiger Stimme bewirken, dass der Song schnell im Ohr bleibt und zu Teilen auch direkt mitgesungen werden kann.
Die Gesellschaft auf dem Silbertablett

Schattenmann auf dem Near Castle Festival 2019
Wie schon in älteren Songs, thematisieren Schattenmann auch in ihrem neuen Album Dia De Muertos, was in der Welt und der Gesellschaft aktuell so schief läuft. Neben feiernden Menschen, denen alles egal ist, Menschen, die nur auf den eigenen Vorteil aus sind, Menschen die glauben, dass das Verschicken von Dickpics völlig okay ist, wird es auch immer Menschen geben, die ihren Hass und Unmut in die Welt hinausposaunen. Mit Haters gonna hate geben Schattenmann diesen Menschen keine Plattform. Mit elektrisch verzerrten Sounds und verzerrter Stimme sprechen Schattenmann die Hater direkt an und legen auch schamlos auf den Tisch, was bei vielen Hatern das Problem ist: Dummheit, Unwissenheit und Unzufriedenheit. Der Refrain wirkt im Vergleich zu den Strophen geradezu melodisch. Sänger Frank Herzig zeigt die Bandbreite seine Gesangsstimme, während er der Neidgesellschaft verbal ins Gesicht spuckt.
Andere, persönlichere Themen dürfen auf dem Album neben der ganzen Gesellschaftskritik aber auch nicht fehlen. Der Ruf nach Hilfe bei psychischen Problemen, Liebeskummer, Einsamkeit, aus der man nicht ausbrechen kann: Das und viel mehr liegt im Song Dämonen. Der Song besticht nicht nur mit nackter Ehrlichkeit und dem Schrei nach Hilfe und Liebe, sondern auch mit einem wechselnden Klanggewand aus rockigen und ruhigeren Klängen. Ein Interludium in der zweiten Hälfte des Songs wirkt wie ein emotionaler Ausbruch, nach dem die elektrischen Beats von Meer aus Licht fast schon befremdlich wirken.
Ruhigere Klänge zum Ende
In deinem Schatten ist die erste und eigentlich einzige „Ballade“ des Albums. Melancholische Töne, ruhiger Gesang und ein drückend-schwarzes Thema treiben einem Gänsehaut über den Rücken. Thematisch bewegen sich Schattenmann zwischen toxischen Beziehungen, aus denen man sich nicht lösen kann. In Herzigs Gesang liegt die ganze Hilflosigkeit der Situation und die sehr ruhig gehaltenen Strophen rücken seinen Gesang noch stärker in den Vordergrund. Hat man sich von dieser Achterbahn der Gefühle erholt, schließt sich mit Ewigkeit die Klammer des Albums. Nicht mehr so beschwingt und nicht mehr so hart-rockig klingt Dia De Muertos aus. Die Botschaft ist trotzdem klar: Wir sollten das Leben feiern und genießen, solange wir können. Sollten wir zunächst noch das Leben feiern, machen Schattenmann nun bewusst, dass nichts für immer ist. Eine etwas andere Art zu sagen, man möge sein Leben einfach leben. Denn am Ende bleibt nichts mehr übrig.
Das neue Album von Schattenmann hat es in sich. Musikalisch bekommen Fans genau das, woran sie sich in den letzten Jahren praktisch gewöhnt haben. Eine starke Grundlage, verziert mit mal ruhigen und elektronischen Tönen sorgt für Stärke und Ausdauer in den Songs, sodass das Album mit keinem Ton langweilig wird. Thematisch hauen Schattenmann komplett in die Kerbe der aktuellen Gesellschaft und lassen verschiedene Zielgruppen bluten. Hut ab für diese Leistung!