Ein „Höhlenfestival“ in NRW, bei dem alle möglichen Facetten des Metal-Genres und auch akustische Musik in Richtung Folk und Jazz vertreten sind? Ja, wieso nicht? Das zweite Prophecy Fest am 29. und 30. Juli in der Balver Höhle war ein unvergleichbares, einmaliges Erlebnis, welches man so schnell nicht vergisst. Das bekannte Musiklabel Prophecy vermarktet seit 1996 viele Bands aus verschiedenen Ländern und hat im September 2015 die steinzeitliche Höhle in Balve das erste Mal für ein ganz spezielles Fest beansprucht. Die magisch-mystische Erscheinung der Höhle passt wie keine andere Lokation zu den Bands, die das Label führt.
Am Freitag startete die folkige Akustikband Hekate und brachte mittelalterliche Stimmung in die Steinzeithöhle. Mit der Mischung aus helltönigen Frauen- und basshaltigen Männergesang war die Band neben ihren vielen verschiedenen Instrumenten sehr abwechslungsreich. Für das Fest hat die Band ihre Zeremonie „Die Sonne im Geiste“ auf die Bühne gebracht: Mit einer Schale, in der Weihrauchduft in der Höhle verströmt wurde, war ihr Auftritt wahrhaftig einem magischen Ritual gleich. Die schweren, dumpfen Trommelschläge bewirkten das Gefühl von Aufbruch, der liebliche Frauengesang hingegen ließ einen in träumerische Ruhe versinken. Es wurde sowohl auf Deutsch, als auch teilweise auf Französisch gesungen. Auch ein wenig Latein und gewisse Dialekte waren zu hören und es machte Spaß, diesen unterschiedlichen Sprachen zu lauschen.
Düster ging es dann mit Germ weiter, die ihren ersten Auftritt in Deutschland hatten. Die atmosphärische Musik wurde von langgezogenen Schreien zerrissen, die man dem kurzhaarigen Sänger mit weißer Krawatte optisch gar nicht zugetraut hätte. Dazu kontrastierte wiederum melodischer Clean-Gesang aus derselben Kehle. Die langsamen Parts in ihrer Musik und das permanente Hintergrundrauschen durch die Gitarren-Echos verbreiteten eine finstere Stimmung in der dunklen Höhle. Die Lieder zogen sich in die Länge und legten einen melancholischen Rhythmus an den Tag. Nach Germ blieb auch während der Umbau-Pause die Höhle voll – denn die nächste Band war Les Discrets.
Französischer Black Metal strahlt meist eine traurig-schöne Aura aus und ist sowohl bedrückend, als auch etwas kitschig. Es mag an der Sprache liegen, die in gesungener Form noch flüssiger und melodischer klingt. Les Discrets, 2003 gegründet, zeigte auf der Bühne jedoch auch, dass sie durch härtere Töne von Schlagzeug und E-Gitarre das Kitschige hinter sich lassen können. Die harmonischen Akkorde, die von der Akustikgitarre ausgingen, wurden von gleichmäßigen Drumschlägen und einprägenden E-Gitarren-Rhythmen abgelöst. Der atmosphärische Echo-Effekt im Gesang und die kräftigen, melancholischen Klänge kennzeichnen die Band.
Etwas fröhlicher wurde es dann mit Iron Mountain. Die Iren verbreiteten mit ihren moderneren Folk Rock eine heitere Stimmung. Ein Highlight in ihrer Musik sind die unterschiedlichen Blasinstrumente, zum Beispiel Dudelsack, Querflöte und Low Whistle. Kombiniert mit derb gespieltem Schlagzeug und tiefer E-Gitarre hörten sich die Flötentöne jedoch eher beschwörend oder gar bedrohlich an. Die irischen Einflüsse machten die Musik zu etwas Besonderem.
Auf der Leinwand im Bühnenhintergrund wurden galaktische, atmosphärische und irdische Bilder projiziert, als die deutsche Band Secrets Of The Moon mit ihrer Akustik-Show begann. Das Okkulte in ihrer Musik wurde durch die Projetionen gut visualisiert. Der Clean-Gesang, der teils ein wenig gerappt, teils melodisch aus dem Mund des Sängers kam, ist ein Stilbruch, den man leicht verkraften kann, verleiht es der Band doch eine Portion Wiedererkennungswert. In einigen Liedern sang bzw. shoutete der Sänger wieder im typischen Metalstil, also in tieferer Stimmlage. Den Wechsel zwischen schnell und langsam, aggressiv und beruhigend, beherrschten die Musiker auf jeden Fall tadellos.
Die Pagan-Fans unter den Besuchern warteten dann wohl schon sehnsüchtig auf Helrunar, denn seit 2013 standen sie nicht mehr auf der Bühne. Dieser Auftritt sollte in diesem Jahr auch der Einzige sein. Kein Wunder also, dass die Höhle brechend voll war. Finster klingender Black-Metal-Sound und langsam gesungener, tiefer Gesang auf Deutsch waren zu hören; der Refrain lud zum Mitbrüllen ein. Liedtitel wie „Nebelspinne“, „Wein für Polyphem“ und „Magdeburg brennt“ lassen nur schwer zu, das allgemeine Thema der Band endgültig zu definieren. Doch diese Mischung macht die Band wohl auch gerade so beliebt, da in ihrer Musik quasi für jeden etwas dabei ist, was gefällt. Sie entließen die Fans in eine warme Sommernacht, die schon bald vorbei war. Der zweite Tag des Prophecy Fests stand schon in den Startlöchern.
Am Samstagmittag strömten die Besucher wieder zahlreich in die Steinzeithöhle, um sich die kanadische Band Völur anzuhören. Doomiger und heidnischer Pagan Metal erklang. Die Geigen-Melodien hörten sich mal traurig, mal absichtlich ohrenbetäubend schrill an. Zusammen mit der kräftigen Frauenstimme, die sich in melodischen, rituell anmutenden Rufen erhob, und den bebenden Drumschlägen wirkten diese kreischenden Geigenlaute etwas verstörend, ließen jedoch auch deshalb eine seltsame, geheimnisvolle Stimmung in die Höhle zurück.
Mit ihren langsamen, ruhigen Jazz hörte man von Bohren & Der Club Of Gore mal etwas komplett anderes. Die witzigen, sarkastischen Ansagen des Frontmanns brachten viele zum Lachen. Der jazzige Sound der Band aus NRW punktete dank klassischer Instrumente wie Saxophon, Klavier und Gitarre. Doch auch ungewöhnliche Instrumente wie Vibraphon, Fender Rhodes, Mellotron und Vocoder kamen bei der „Detective-Jazz“-Band zum Einsatz. Mit ihrer vergleichsweise sanfteren Musik sank der Pulsschlag der Zuhörer auf eine gesunde Frequenz herunter.
Ruhig ging es dann auch mit Antimatter weiter. Den schleppend rockigen Sound und den sehr melodischen Gesang kann man als progressiven Elektro-Rock beschreiben, der mit einer mitschwingenden Melancholie viele Besucher in Trance versetzt. Entstanden 1998, bei Prophecy seit 2002 und seitdem zahlreiche Live-Auftritte sowie zehn Alben. Von der Band GlerAkur aus Island rauschte dann gleichmäßig erklingender Black Metal aus den Boxen und nahm die ganze Luft in der Höhle in Anspruch und schickte den Herzschlag wieder auf Reisen. Die Band selbst definiert ihre Musik mit vielen Begriffen: Dark Spectral Shoegaze, Drone, Post Rock, psychedelischer Krautmetal, Doom, Ambient, Progressive und sogar „Red“-Metal sollen in ihrer Musik zu hören sein. Dass sie sehr gerne musikalisch experimentieren, ist jedenfalls nicht überhören: Ihre atmosphärischen, langandauernden Soundlandschaften mit Ohrwurm-Charakter ließen die Höhle beben. Gesang lassen die Isländer entweder ganz raus, oder er verschmilzt so sehr mit der Musik, dass man ihn kaum noch von einem Instrument unterscheiden kann.
Auf Alcest, einer der Headliner des Fests, freuten sich sicherlich sehr viele Festivalbesucher. Die Mischung aus Ambient, Shoegaze und Post Rock sind unverwechselbar: Die melodischen Gitarren, die ruhige Rhythmik des Schlagzeugs und der französische Gesang von Stéphane Paut aka Neige prägt die Band. Wie bei Les Discrets schon erwähnt, ist französischer Rock bzw. Metal meist sehr melancholisch und auch etwas kitschig. Dazu kommt aber, dass die Musik von Alcest auch verwunschen und geheimnisvoll klingt wie ein zauberhafter Klangregen. Das einmalige Line-Up mit Don Anderson (Agalloch), Matt Howden und Jo Quail machte dann den Auftritt von Sol Invictus zu etwas Besonderem. Der Sprechgesang von Tony Wakeford und die verschiedenen Instrumente (Geige, Flöte, Synthesizer, Percussion und Dulcimer) verbanden Progressive und Folk miteinander. Die eher traurig klingenden Melodien waren gut aufeinander abgestimmt und harmonisierten auch zusammen mit dem monotonen, melancholischen Gesang. Kaum zu glauben, dass Sänger Tony zu Beginn seiner Musikkariere in der Punk-Band Crisis mitmachte.
Mit ein wenig Verspätung, die sich durch die vorherigen Bands ergab, trat schließlich Vemod als letzte Band auf die Bühne. Finsterer Atmospheric Black Metal erschallte, als die Norweger zu spielen begannen. Durch den echolastigen Gesang sowie der Projektion von langsam rotierenden Sternen auf der Bühnenleinwand brachte die Nacht in die Höhle. Doch ruhigen, langsamen Parts folgte meistens ein Schlagzeuggewitter, der einen wieder ins Jenseits brachte. Der Müdigkeit zum Trotz hörten sich noch viele Besucher Vemod an, ehe sich der letzte Klang in den Steinen verlor und das Fest somit endete.