Ost+Front - Freundschaft (v1)Polarisierend und heiß diskutiert ist die Formation Ost+Front schon seit ihren ersten Lebenszeichen von 2011/2012. Das Stichwort „jugendgefährdende Texte“ ließ nach dem textlich und im Musikvideo bildlich pornographischen „Ich liebe es“ nicht lange auf sich warten. Debatten um politische Orientierung und ihr markantes, kostümiertes Auftreten zu Varieté- und Freakshow-Einlagen bei Live-Konzerten folgten ebenso. Wo ihr Erstling „Ave Maria“ damals noch roher und weniger ausgefeilt auftrat, durchbrachen Ost+Front mit „Olympia“ Anfang diesen Jahres alle Zweifel und toppten die Erwartungen maßlos – nun reichen die skandalträchtigen Neue Deutsche Härte-Vasallen nach der ersten Auskopplung mit dem markant-frivolen „Liebeslied“ ihre Single „Freundschaft“ als EP nach. „Bitterböse“ kann die Berliner Truppe schon lange, und jede neue Veröffentlichung untermauert das nur. Tiefschwarzes Liedgut für eine dunkle Jahreszeit verspricht die CD – am 12. Dezember erschienen nehmen wir uns das Kurzwerk einmal zur Brust.

Der Titelsong „Freundschaft“ ist allen Fans der Band bereits als Live-Bombe und als beliebtes Album-Stück bekannt, zerstampft und bearbeitet die Hirne der Hörer und walzt brachial alles nieder, was nicht bei Drei auf dem Baum ist. Der Song spuckt geradezu ätzende Satire-Säure ins Gesicht, verarbeitet der Song ja sozialistisches Gedankengut mit allen Dogmen und Floskeln à la „Leidgenosse, dir zum Gruß“ und „Kulturrevolution“. Anspielungen auf das anarchistische „Hundert Blumen“-Magazin und Gerede vom „Klassenfeind“ in knallhartem Zynismus oberster Güteklasse. Der Song hat alles: plötzlicher Anfang ohne unnötige Einleitungsdeko, ein Vorschlaghammer-Refrain in gewohnter NDH-Manier, wie es einst schon Rammstein taten, als deren Klone Kopf Hermann und seine Band gerne abgestempelt werden. Der Vergleich liegt nun einmal nahe. Eine gehörige Portion Textironie und preschende Rhythmen auf Elektroniksturm und Drumgedonner fehlen auch nicht. „Freundschaft – gelbes Gift“ skandiert der Ost+Frontmann unablässig. Passagen wie „Lasst Aktivist und Bausoldat mein Angesicht in Marmor hauen“ machen deutlich, was die Band mit ihrem Song mitteilen, viel mehr noch kritisieren möchte. Das neu produzierte Musikvideo greift diese Thematik in aller Bildgewalt noch in einem anderen Gesichtspunkt auf: im Stillen eines verlassenen Wohnhauses werden hier Puppen zermahlen und zu Medikamenten verarbeitet, während die Band in winterliche Mäntel gehüllt vor dem Olympia-Symbol posiert. Hier greift Hermann einen grotesken Internethoax auf, der durch die gesamte Medienlandschaft streifte. So hieß es angeblich, dass abgetriebene Föten in Fernost zu Potenzpillen verarbeitet würden. Gefundenes Fressen für den aufmerksamen Ost+Front-Kapitän – und im Kontext des Liedes muss man da noch einmal schlucken.

Als Bonus-Songs finden sich auf der Platte auch gleich zwei neue Stücke. Zunächst hören wir „Wanderlust“, progressiv-rasant, balladesk und hart, allerdings ohne klassische Liedstruktur. „Großer Vogel, flieg‘ – in mein Schutzgebiet“ heißt es, tönt von reichen Industriestaatbürgern, die billigen Sexurlaub anstreben. „Tschernobyl“ folgt, ein neu aufgenommener Demo-Song, der bereits seit Jahren in suboptimaler Qualität durch das Netz geisterte, nun aber endlich in ein gutes Licht gerückt wurde und ebenso zynisch wie tanz- und abgehbar erstrahlt. Dass letzterer Song neu aufgenommen wurde, hat der Hörer wohl vor allem den das Lied frenetisch feiernden Fans und den Forderungen des Fanclubs zu verdanken. Hier wird das verlassene, durch die Atomkatastrophe Anno ´86 leblose Tschernobyl als erholsamer Urlaubsort und Entspannungsoase angepriesen, „wo nicht nur die Sonne strahlt“. Wieder ein Zeugnis für Ost+Fronts würzige Ironiegüte. Es folgen fünf mittel-innovative Remixe „alter“ Songs, unter denen sich das Reinhören lohnt, wenn man die Dirigenten der Neumischungen kennt und mag. Unter Anderem legten Lord of the Lost, Tanzwut und Heldmaschine Hand an, deren Arrangements sich durchaus gut machen.

Fazit: Ost+Front drehen mit dem Song „Freundschaft“ ordentlich auf und ihre Hörerschaft durch den Fleischwolf, so viel ist mal klar. Acht Songs ziehen sich eine gute halbe Stunde lang durch – wahrlich im Gedächtnis bleiben aber nicht die Remixe, nein, die EP lohnt vor allem wegen der neuen Stücke, bei der Fan und Bald-Fan ganz auf ihre Kosten kommen werden. Frischer Wind für die Szene des deutschsprachigen Industrial-Metals, auch wenn dieses Kleinwerk wenig Neues mitbringt. Am Ende bleibt nur zu konstatieren: „Ost+Front macht frei!“ Die „Freundschaft“-EP erscheint als CD im Digipak bei Out of Line, in einer weißen und in einer schwarzen Hülle, welche sich inhaltlich nicht unterscheiden.