NeguraBunget-TauDie Legenden des atmosphärischen Folk Black Metal Negură Bunget aus Rumänien feierten Ende Februar nach zwei Jahren Abstinenz mit ihrem neuen Gigas „Tău“ ihre Rückkehr in die Metalszene. Während einige Fans noch immer dem 2006er „Om“ hinterhertrauern, es als innovativstes Werk in geschaffener und herübergebrachter, außerweltlicher Atmosphäre bezeichnen und ihre beiden letzten Alben „Măiestrit“ und „Vîrstele pămîntului“, beide 2010 erschienen, ebenso gewaltige Wellen schlugen, lief es danach recht suboptimal für die Band. Suboptimal nicht ob ihres Erfolges wegen, sondern aufgrund diverser Wandlungen im Bandgefüge. Bereits 2014 ließ man durchblicken, auf welche neue musikalische Odyssee die Fans sich gemeinsam mit dem seit zwanzig Jahren bestehenden Phänomen begeben würden. Vom ursprünglichen Line-Up von früher ist allerdings lediglich noch Multi-Instrumentalist und kreativer Kopf der Band Gabriel Mafa (alias Negru) übrig, nachdem es in den vergangenen Jahren einige Wechsel in der Besetzung gegeben hatte. So ließ ein neues Werk leider länger auf sich warten – aber diese lange Durstrecke ist nun endlich durchbrochen worden. Man darf gleichwohl die Frage stellen: ist das noch Negură Bunget, genauso wie in alter Besetzung, oder hat man es nun auf der neuen Platte mit einer anderen Metamorphose einer Band zu tun, die nur noch den selbigen Namen trägt?

Im allerersten und auch bereits als erster Vorgeschmack aufs neue Album veröffentlichten Song-Riesen „Nămetenie” wird sich noch mit einem düster-getragenen Midtempo zurückgehalten, wenn man vergleicht, zu welcher Wucht die Herrschaften aus Timișoara im Westen des Landes fähig sind. Wenngleich als längster Song der Platte kommt mir das Stück trotzdem bloß wie eine Einleitung in das Setting vor: urzeitlich-gespenstische Choräle unterlegen die treibenden Rhythmen einer verzerrten Gitarre, bevor das druckvolle Instrumentenspiel wieder von Flöten und Holzschlaginstrumenten durchbrochen wird und wieder die meditative Ruhe im Zeremoniengesang dominiert. Dazu tritt ein Sound, den ich gar nicht richtig einem Instrument zuordnen kann, irgendwo zwischen Star Trek-Aetherophon und unsäglich hoch gespieltem Gitarrensound, welcher den smoothen Passagen eine irgendwie „verhext-angsteinflößende“ böse Präsenz schenkt. Den ersten reißerischen Stücken der Scheibe wie dem soliden „Izbucul Galbenei“ steht der gänzlich akustische und nur von okkulten und rituellen Gesängen begleitete Song „Curgerea muntelui“ entgegen. Bereits 2014 veröffentlicht, ist das Stück nun für das Album neu aufgenommen worden. Wir hören langsamen, doom-haften Bass-Sound, durchschnitten vom progressiven Schlagzeug-Aufbau und einem Konglomerat aus Folk-Instrumental-Klängen wie Alphörnern, Panflöten oder der charakteristischen Dulcimer, die dem Banjo-Klang sehr nahe kommt, hier aber in seiner Wirkung anders eingesetzt wird, viel düsterer und als Ritual-Element. Darüber schwebt ein Flöten-Klang, psychedelisch und chaotisch eingenäht in den Soundteppich des Liedes.
Ja, Negură Bungets Sound trägt nach wie vor das Brandzeichen ihrer Heimat – so viele Folk Metal-Bands nutzen ähnliche Instrumente, aber irgendwie klingt hier doch alles nach dem Karpatenland. Pluspunkt dafür. Der eingangs erwähnten Besetzungsrevolution folgend müsste sich ja zwangsweise auch am Sound Negură Bungets ein Umschwung niederschlagen. 2013 holte sich Negru ein Septett völlig neuer Musiker ins Boot, schmiedete die EP „Gînd a-prins“ und seitdem hobelte und werkelte man an der neuen Platte. So gravierend anders ist der neue Sound allerdings nicht. Textlich in Gänze im für wohl die wenigsten Fans zugänglichen Rumänisch gehalten, weiß die fiese, raue Stimme vom neuen Sänger Tibor Kati durchaus eine schauerliche Atmosphäre zu kreieren, und zwar so dicht und Gänsehaut erweckend stellenweise, dass die Sprache, in der die Lyrics gekeucht werden, fast schon in Irrelevanz vergeht. In jedem Fall ist seine Growling-Technik von sehr tiefer Tonlage und erinnert an Blood of Kingu oder gar an die Death Metal-Nachbarschaft.

NB_00171-800x500Im gewaltvollen „Tărîm vîlhovnicesc“ kommen gar Guest Vocals von Sakis Tolis (Rotting Christ) zu tragen – das leiht dem Song nicht nur eine derbere Kutte, sondern harmoniert sogar auf merkwürdig fiese und subversive Art im Duettgesang des Stakkato-Reißer-Stücks. Völlig abgefahren beginnt da ein „Impodobeala timpului“, befremdlich flötendurchsetzt, Varieté-mäßig und leicht tanzbar sogar, an Korpiklaani und Konsorten erinnernd, bevor der typisch-Black Metal-lastige Soundwall einsetzt. Hier ist dann sogar der Blasphemer höchst selbst an der Gitarre zu hören, Rune Eriksen (ex-Mayhem und mittlerweile bei Aura Noir und Twilight of the Gods tätig). Ebenso bereichert das Line-Up die rumänische Sängerin Alexandrina. Das träumerische „Schimniceste” schließt das Album dann nach guten fünfzig Minuten ab und klingt dabei nicht schlecht – ist aber irgendwie doch ein wenig langweilig und zu ruhig als „fulminanter” End-Song.

Fazit: „Tău” markiert als klanglich variables Wechselbalg wohl definitiv eine neue Ära im Sound der Rumänen. Die Black Metal-Druckluft ist noch lange nicht ausgegangen, aber hier stehen mittlerweile eindeutig die Folk-Elemente und Charakteristika der ausgeprägten Instrumentenvielfalt im Vordergrund. Gleichwohl bleibt eine Metal-Härte monolithisch bestehen. Ja, der Sound der Band hat sich gewandelt – nein, er hat sich nicht um 180° gedreht. Melodien, die einladen zum Versinken in einer mit Bedacht und viel Heimatliebe gestalteten Musik, facettenreich und auch voll vieler anspruchsvoller Neuerungen. Wer die Gelegenheit auf ein Live-Konzert der eigenwilligen Klangmeister in den letzten zwei Jahren hatte, wird sicher bereits wissen, dass auch die neuen Musiker hinter dem Bandnamen die Standarte ihrer Vorgänger hochhalten und das Projekt nicht bloß am Leben halten, sondern es konsequent weiterführen. „Tău“, so versprechen Negură Bunget, soll den Anfang der groß geplanten, ambitionierten „Transylvanian Trilogy“ bilden – ein klanglicher wie visueller Tribut an die Natur und Tradition ihrer Heimat. Das Dingen hier soll Flora, Fauna und Landschaft Rumäniens ins Rampenlicht stellen, während künftige Veröffentlichungen sich mehr an den Landsleuten und der Kultur orientieren sollen. Ja nun, so erfrischend stark und vor allem bedrohlich böse wie hier hat die Natur wohl selten zuvor geklungen. Woran „Tău” bloß leider wirklich etwas krankt, ist die von der Band eigentlich gekannte Stringenz und ihr Wiedererkennungswert in den groß angelegt komponierten Songs. Keine minutenlangen Intros mehr, kein richtiges Progressive-Kleidchen, mehr ein abwechslungsreiches Aneinanderschmiegen und Sich-die-Hände-Reichen von Laut und Leise, ein Aufstellen in Reih und Glied eines weiten Instrumentenköfferchens, das zwar zusammengeschustert komplex und wirkungsträchtig daherkommt, aber irgendwie nicht mehr herausstechen will wie einst. Zu synthetisiert für das Folk-Image, zu überbordend und überladen mit Kleinigkeiten, ohne wirkliche Präsenz aufzubauen. „Tău” trödelt, „Tău” bummelt, „Tău” plätschert. Und da liegt das Problem: das ist nicht die Art, wie sich einige Fans Negură Bunget mit ihrem ersten Album seit fünf Jahren vorgestellt haben. Schon gar nicht, wenn das hier Gebotene der Grundstein ein ganzer Trilogie sein soll. Mit Sicherheit kein radikaler Wandel – aber spürbar genug, um einigen die Enttäuschung in die Tränendrüsen zu säen. Mal sehen, wie die weiteren Teile der Trilogie ausfallen. Irgendwie ist das Album hier bestenfalls „befriedigend“. „Tău” erschien am 27.02. via Prophecy Productions/Lupus Lounge und ist als reguläre CD wie als Vinyl erhältlich – für eingefleischte Fans sogar als umfassendes Artbook mit zusätzlichen Bonustracks.

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