Die Legenden des atmosphärischen Folk Black Metal Negură Bunget aus Rumänien feierten Ende Februar nach zwei Jahren Abstinenz mit ihrem neuen Gigas „Tău“ ihre Rückkehr in die Metalszene. Vom früheren Line-Up ist mittlerweile lediglich noch Multi-Instrumentalist und kreativer Kopf der Band Gabriel Mafa (alias Negru) übrig, nachdem es in den vergangenen Jahren einige Wechsel in der Besetzung gegeben hatte. So ließ ein neues Werk leider länger auf sich warten – aber diese lange Durstrecke ist nun endlich durchbrochen worden. So steuerten die Jungs aus Timisoara im schönen, geheimnisumwobenen Transylvanien gleich mehrfach deutsche Gefilde auf ihrer mehr als 70 Gigs umfassenden, aktuellen Europa-Tour an. Nur ein Marschziel lag dabei in Nordrhein-Westfalen: die heimische Matrix Bochum. Am 30.04. kehrten die Herren mit ihrem facettenreichen Sound zwischen Black Metal-Druckluft, atmosphärischen Chorälen und traditionellen Instrumenten im Rockpalast ein. „Tanz in den Mai“ ist an diesem Abend „off the table“ gewesen: das Motto war „Black Metal in den Mai“ – zweifelsohne. Gleich drei Bands hat man für das Vorprogramm auserkoren.

Zunächst eröffneten kurz nach 19 Uhr die Polen von Northern Plague den Abend in noch gähnend leerer Halle. Der Sound der Jungs ist stilistisch irgendwo zwischen den Landsleuten und Giganten Behemoth und Truppen wie Rotting Christ oder Septicflesh aus Griechenland anzusiedeln. Mit ihrem 2014er Debütalbum „Manifesto“ heizt die Truppe derzeit der Szene ordentlich ein. Unter den Fittichen von Folter Records promoten die Jungs ihren monolithischen und kraftvollen Sound: Sänger und Gitarrist Fenris ist dabei definitiv eine stimmliche Urgewalt und steht mit oberkörperbetonendem Hemd und stolzgeschwellter Brust am Mikro. Seine Kollegen zeigen bei ihren starken Stücken wie dem bereits durch Youtube bekannten „Pestilence“ oder dem „Schon-jetzt-Klassiker“ und Band- wie T-Shirt-Slogan „Reign Mother War“ eine abgebrühte und bühnenerfahrene Attitüde. Diese wird dann noch einmal dadurch untermauert, dass Drummer X seinem Drumset wohl den nötigen „Schwellsound“ dadurch entlockt, dass er ein völlig kaputt gebrochenes Crashbecken benutzt – der brave Schlagzeuger aus der Musikschule würde da nur den Kopf schütteln. Bei Northern Plague macht genau das ein herrlich böses, kaputtes Image aus. Da überspielt man gut und gerne ein paar technische Pannen – so ist das mit dem undankbaren Opener-Slot eben.

imageKurze Zeit später füllte sich der Saal weitaus mehr – und schon hier musste man ahnen, dass einige Fans für die zweite Support-Band und für diese allein angereist waren. Moribund Oblivion, das steht für Black Metal aus einem Land, in welchem man gewiss nicht intuitiv Schaffende dieser extremen Musik vermuten würde: der Türkei. Eine enthusiastische Fan-Schar vor der Bühne skandierte die Textzeilen, teils auf Englisch, teils in der Landessprache. Die Band zieht eine geradezu subversive Freude daraus, in ihrem Land eine Black Metal-Szene zu etablieren, das definitiv nicht für Rock und Metal bekannt ist. Mit Stücken wie „Soil“, dem satanischen „You Are Not Contented“ oder dem Band-eigenen Anthem „Red Flag Fluttered“ begeisterten die Viere besonders – aber auch das türkisch-sprachige „Ölmek Üzere Unutulmuş“, das die Band sogar in die Schlagzeilen des Hürriyet katapultierte, trägt zum ganz eigenwilligen Sound der Istanbuler bei. Moshpits, Fan-Kult – irgendwie der heimliche Star des Abends.

Agamendon aus Castrop-Rauxel mussten als Dritte in der Reihe die Besucher etwas vor die Stirn stoßen: ihr kompromissloser „Auf die Fresse“-Death Metal mit überwiegend gutturaler Grunz-Stimmlage (hier nicht negativ gemeint) ist mit Fug und Recht als aufstachelnd und mitreißend zu bezeichnen, wirkte hier aber absolut deplatziert. Sänger Dugi, kantig, als Kontrast zum dreckigen Sound in Anzug und Panama-Hut, machte ordentlich Stimmung, schüttete sein Stimmorgan regelrecht in den Rockpalast aus. Er präsentierte sich und seine Band dabei aber derart roh und eklatant heftig, dass man sich erschlagen gefühlt hat. Rein klanglich unpassend, auch wenn die Band sich nach drei Longplayer-Alben eine Fanbase erspielt hat, die nicht klein ist – die meisten Stücke stammten wohl vom aktuellen „Charleston City“ – während „aktuell“ das falsche Wort ist, stammt das Werk bereits von 2011. Man bewegte die Meute im Publikum zum Trinken (aus irgendeinem Grund stand sogar „Prost“ als fester Programmteil auf der Setlist, wie ulkig), trank selbst ordentlich und machte schließlich die Bühne zum Umbau frei. Nicht ohne Humor und Selbstironie, aber genau das sind eigentlich zwei Prädikate, die hier im Vorprogramm nicht hingehören.

imageAls gegen halb 10 dann der eigentliche Headliner der Tour auf die Bühne trat, wurde der Rockpalast merkwürdigerweise und ungerechtfertigt leerer: die Herren aus Rumänien, heute lediglich zu Viert zu Gast, bauten noch ihr (eigentlich klanglich unpassendes) Aetherophon auf und begannen ohne Umschweife ihre musikalische Reise. Die dramaturgische Art der Jungs aus Timisoara äußert sich vor allem im ellenlangen, progressiven Songaufbau und der theatralischen Mimik und Gestik von Sänger Tibor Kati. So gab es insgesamt lediglich eine kleine Handvoll Stücke für die Bochumer Besucher, vorrangig von ihrem jüngst veröffentlichten Neuwerk „Tău“. Weniger brachial ging es bei Negură Bunget zu, atmosphärischer, tiefgehender dafür umso mehr. Lange Instrumentalpassagen und stimmlicher Kontinentaldrift. Wow. Allein, leider wurde hier schon wieder die Setlist um einige Stücke gekürzt, weil sich die Vorbands zu viel Zeit genommen hatten und man wegen des Disko-Betriebs pünktlich enden musste: verflixt und zugenäht, ein Raunen im Publikum, nicht einmal das sonst obligatorische Alphorn kam zum Einsatz. Ärgerlich.

Traurigerweise lockte der Abend mit vier starken Truppen nur ein dünnes Publikum in den Bochumer Rockpalast. Voller wurde die Matrix da erst für den Diskobetrieb nach dem Konzert. Die Präsentation des Headliners war wieder einmal (nicht anders beim 2014er Auftritt in der Matrix) viel zu kurz, dafür eine spirituelle und erhebende Wanderung durch die rumänischen Gefilde, ganz wie die Band es beabsichtigt hat. Im Kontext ihrer Vorgängerbands muss man hier allerdings logischer- und notwendigerweise die Frage stellen, ob die Zusammenstellung des Supports für den rumänischen Headliner hier nicht ein Fehlgriff war: roher Black Metal-Sound der Polen, melodischerer, aber nicht minder rasanter Pomp der Türken und der vollkommen aus dem Rahmen fallende guttural-Death Metal der Gäste aus Castrop-Rauxel leiten weder gekonnt noch sonderlich angenehm eine ruhige, beinahe andächtige und folkig-angehauchte Klang-Odyssee wie die von Negură Bunget ein. Außerdem muss man keine drei Vorgänger-Bands haben, um den Abend gehörig zu promoten. So kam es in der Dive Bar Matrix zu einem unüberlegt inkohärent gemixten Programm, das sicher für jeden Jünger extremer Musik etwas im Gepäck gehabt hatte, dem Hauptact aber -Hand auf’s Herz- nicht gerecht wurde. Da blieb wohl nur den Rumänen eine gute Weiterreise zu wünschen: ihr letzter Deutschland-Auftritt während der gewaltigen, mehr als drei Monate andauernden Europa-Tournee war ein routinierter Klasse-Auftritt, vergleicht man aber die Supports anderer Gigs weint man schon Fjoergyn und Grimegod nach, die die Vorbands Negură Bungets an den Abenden in Erfurt und Berlin Anfang April gaben. Aber das ist wohl Meckern auf hohem Niveau!