2015 war ein ereignisreiches Jahr für Nachtgeschrei – der Labelwechsel zu Oblivion/SPV, das neue Album „Staub und Schatten
“ (-> wir berichteten) erschien, viele Auftritte auf großen Festivals, sowie einige Auftritte als Support von Saltatio Mortis – aber ein Zeichen von Müdigkeit ist kaum in Sicht. Wen wundert es da, dass schon früh eine weitere Konzertreise der Mittelalter-Rocker angekündigt wurde? Am 11. März, dem dritten Termin der laufenden Club-Tournee der Frankfurter Combo, ging es mal wieder in die Matrix Bochum, besser gesagt in den Rockpalast. Hier könnt ihr lesen, was der Konzertabend mit sich brachte.
Die Harpyie -nach dem letzten Gig von Anfang Oktober ´15 ebenfalls im Rockpalast, dazumal mit Cultus Ferox- war zuerst erneut im Vorprogramm zu sehen. Die Damen und Herren eröffneten das Konzert mit geringfügiger Verspätung und landeten ihren „Harpyiecopter“ (wenn man den Postings der Band auf Facebook folgt) zum Glück rechtzeitig in Bochum. Die sieben Jungs und Mädels aus dem ostwestfälischen Bad Oeynhausen spielten zwar haargenau die gleiche Setlist wie erst vergangenen Herbst, das aber diesmal vor etwas vollerem Rockpalast. Was in der Programm-Jukebox an Neu fehlte, glich wohl der sexy Band-Neuzugang Io an der Drehleiher aus, welche die künftige Lücke vom bald fehlenden Dudelsack-Spieler
Garik einnehmen soll. Neben der 5-jährigen Bandjubiläums-Show die Woche zuvor in heimischen Gefilden debütierte die Musikerin hier erstklassig und komplettierte klanglich wie optisch das Ensemble. Neben den obligatorischen Band-Reißern „Freakshow“ oder „Fauler Zauber“ vom jüngsten Album spielte man auch wieder das herrlich skurrile Eiffel 65-Cover vom bekloppten „Blue (Da ba dee)“ und beendete mit dem unermüdlichen Toleranz-Plädoyer „Sturmvögel“. Ein spaßiger wie süffiger Einstand. Die ersten Songs über war der Sound aber leider eher dumpf und die Vocals viel zu leise, dass man selbst als Kenner der einzelnen Lieder der Harpyien genau hinhören musste. Die Bilder des Auftritts findet ihr in unserer Galerie (-> hier).
Zum Auftritt von Nachtgeschrei ging es gleich nach dem orchestralen Intro Los mit dem Semi-Titeltrack „In die Schwärze der Nacht“ vom 2013er Album, welcher gleich eine unbequeme, doch atmosphärisch dichte und vor allem mitreißende Woge beschwor, die gleich das Publikum ergriff. Erneut fällt ins Auge: für Kapellen mit sechs oder mehr Mitgliedern, oft eben im Mittelalter-Genre der Fall, eignet sich das sparsame „Bühnchen“ des Rockpalasts eher bedingt, während die Saalgröße hier genau richtig war. Nach dem rasanten „Die Wilde Jagd“ und dem obligatorischen Halli-Hallo-Hallöle der Frankfurter Spielleute nahm der Auftritt erst richtig an Fahrt auf. Die Highlights der Show waren definitiv die Smasher vom jüngsten Album „Das Nichts“ (ein Grußwort „an alle Arschlöcher da draußen, ohne die die Welt ein besserer Ort wäre“, so Sänger Martin) und „Monster“, sowie das eher ruhige und kameradschaftliche „Bruder“ und die älteren „Niob“- und „Ardeo“-Hymnen.
Etwas im Kontrast zur oftmals eher ernsten Couleur des Nachtgeschrei-Liederaufgebots steht der Humorfaktor der Live-Shows mit der Band. Ulkig wird es beispielsweise auch dann, wenn man mitbekommt, welch unbändigen Spaß die Musiker in der Band an dem haben, was sie tun, vor allem, wenn man sich gegenseitig etwas aufs Korn nimmt: so stopfte die Drehleiher-Elfe Laui dem Frontmann ein wenig den Mund damit, dass sie sagte, vielleicht sei es auch manchmal ganz gut, wenn er keine Ansagen machte. Später wurde gar Dudelsacker Nik für sechs Leute aus dem Publikum eingetauscht, die daraufhin auf der Bühne mitrocken durften, während jener sich mitten in der Menge tummelte. Aufpassen musste man hier allerdings auf die langen Bordunpfeifen, durch die man -hätte man nicht Acht gegeben- durchaus „aufs Maul“ hätte bekommen können. Ein Sextett von Menschenleben wiegt also den frivolen Glam-Rocker aus den Reihen von Nachtgeschrei auf, ja? Soso. Mit dem Weltende-Stück „Der letzte Tag“ und dem sehnsuchtsgeladenen Song „Windstill“ vom 2008er Debüt endete dann das reguläre Set. Danach bemühte man sich nochmal zu „Sirene“, einem „Time To Say Goodbye“-Choral und dem Rausschmeißer des jüngsten Albums, „Schlaflos“, auf die Stage – passend mit dem am Schluss beinahe betulich wehmütigen „Ich will nicht, dass es enden muss“-Refrain. Die Fotos der Show gibt es in der Galerie (-> hier).
Fazit: Eine tolle und energische Show des Hauptacts Nachtgeschrei mit stimmigem und mega-sympathischem Vorprogramm in Form der Harpyien-Greifvögel. Eine erlesene Setlist, gespickt mit allerhand Neuem wie Altem, schaffte es eben, hierbei nicht einfach bloß „das Übliche“ abzuspulen, sondern alle zufrieden zu stellen und brachte gleichwohl ein paar Überraschungen mit sich. Genauso auffallend war auch die Fülle des doch eher kleinräumigen Rockpalasts. Überhaupt schien die Matrix den Abend über sehr gut besucht zu sein – nicht allein wegen der beliebten Empire of Darkness-Disco gleich im Anschluss, sondern auch wegen der Parallelveranstaltung mit L’Âme Immortelle um die Ausnahmesängerin Sonja Kraushofer in der Tube unten. Trotzdem: für den Mittelalter-Klänge-Hungrigen Fan dürfte der Abend im Rockpalast wieder ein ganz wundervoller Spaß geworden sein. Da freut man sich doch auf die Festival-Saison mit beiden Bands!