Vier Pirat:innen, die ihren Captain regelmäßig in den Wahnsinn treiben und singend eine Schneise des Chaos auf der Welt hinterlassen: Mr. Hurley & Die Pulveraffen. Am 05. März veröffentlichten sie nach nur zwei Jahren ihr neues Album und präsentierten es ihren Fans noch am gleichen Abend in einem Online-Konzert. Das Werk trägt den Titel „Seemannsgrab“ und hat neben Captain Blakes Geschichten noch vieles mehr zu bieten. Nun ist die Platte nach einer Woche bereits auf Platz 3 der deutschen Albumcharts geschossen und so viel sei vorab verraten: Die Band aus dem karibischen Osnabrück hat diesen Platz wahrlich verdient!
Vom großen Knall über den Styx

Mr. Hurley und die Pulveraffen beim Autokonzert in Oberhausen 2020.
Die neue Scheibe der Affen beginnt direkt mit dem Titeltrack, der mit seinem Rhythmus und der eingängigen Akkordeon-Melodie gleich im Ohr bleibt. Vom Chor seiner Kanonier:innen begleitet, besingt Hurley das Seemannsgrab, auf dem er tanzen mag. Wer mit dem Teufel anstößt und sich einen in den Sarg nagelt, knüpft vielleicht auch seinen Captain auf. Da geht „Hals über Kopf“ der eine oder andere Gauner über die Planke. Der Track besticht vor allem durch den Schallala-Part im Refrain, kann mit dem Titeltrack aber nicht so recht mithalten. Ganz anders steht es um „Kaboom“, das melodisch flott ohne Kompromisse loslegt und von den pyromanischen Vorlieben der Kanonier:innen handelt. Eine Liebeserklärung an die Kanone und die Explosion, an die Zündschnur und an das Feuer – rabimmel, rabammel, Kaboom!
Selbstverständlich darf auch auf diesem Album der Hörbuch-Part um Captain Blake nicht fehlen, der sich plötzlich auf dem Boot des Todes befindet und über den Styx gefahren wird. Ob er sich wohl aus den Fängen des Todes befreien kann und seinen Schatz zurückbekommt?
Der Fame eines Grogstars
Bei Pirat:innen darf natürlich auch Rum nicht fehlen und ab einem gewissen Bekanntheitsgrad fühlt man sich dann einfach wie ein „Grogstar“, inklusive Schallala. Gastauftritte von anderen Musikgrößen wie Purple Otten runden diesen lyrisch hochwertigen Grog’n’Roll Song noch ab.
Lange haben Fans darauf gewartet und nun ist es so weit: Pegleg Peggy am Mikro! „Mann über Bord“ prangert in Piratinnen-Manier Sexismus an und nimmt kein Blatt vor den Mund. Der Text bleibt einem sofort im Ohr hängen und der flotte Rhythmus lädt zum mitwippen ein. Merke: Legt euch niemals mit einer Piratin auf ihrem Karriereweg zur Kapitänin an! Im Anschluss kommen dann auch Buckteeth und Morgan zu Wort. „Mit’n Hut“ klingt vom Titel her wie die Fortsetzung von „Mit’m Schwert“, doch zeigt sich dieser Song textlich galanter und kommt (fast) ohne Pöbelei aus. Fast, denn Buckteeth ist ja schließlich ein sehr friedlicher Mensch. Er wird nur etwas ungehalten, weil man ihm den neuen Hut geklaut hat. Untermalt wird der Song von einer Melodie, die einen vom Feeling her sofort in ein Schankhaus versetzt.
Zwischen Balladen und Gesellschaftskritik
Neben all den tanzbaren und lustig angehauchten Titeln, darf auch eine Ballade nicht fehlen. „Dich und das Meer“ zeichnet mit sanften Klaviertönen und Hurleys ruhigem Gesang eine melancholische Szenerie, die einem nahezu Tränen in die Augen treibt. Zum Glücklichsein bedarf es keinen Reichtum, kein Gold, keinen feinen Zwirn – Meer, Schwarzpulvergeruch und das „Dich“ reichen aus. Es ist traurig schön.
„Schattenschwarze Segel“ beginnt wie ein astreines Piratenshanty, sodass man sich gleich ins 17. Jahrhundert auf einen Richtplatz versetzt fühlt. Nach dem Intro nimmt der Song an Fahrt auf, lädt zum Mitsingen und Tanzen ein. In den mehrstimmigen Chor kann man schon beim zweiten Hören einstimmen – live auf einem Konzert gibt das sicher ein ganz besonderes Feeling. Mit „Schotten dicht“ gibt es einen ersten Seitenhieb gegen Menschen, die Interesse heucheln, im Weg stehen, immer ihren Senf dazu geben und nur heiße Luft von sich geben.

Mr. Hurley & die Pulveraffen in der Essigfabrik 2020.
Bei „Menschen haben auch Gefühle“ scheint man auf eine tropische Insel versetzt zu werden. Tatsächlich geht es um einen Kannibalen-Stamm, in dem einer keine Menschen mehr essen möchte – denn die haben ja schließlich auch Gefühle und wollten artgerecht leben. Ein piratiger und textlich grandios gestalteter Blick Richtung Massentierhaltung und gegen die Ausbeutung der Tiere oder vielleicht doch Menschen.
Ist Captain Blake mittlerweile dem Tod entflohen? Es klingt, als sei er in Walhalla gelandet. Und herrscht dort etwa Metnotstand? Ob die Kolleg:innen von Feuerschwanz damit etwas zu tun haben? Während Blake und Thorsten auf der Suche nach einem Körper sind, um in die Welt der Lebenden zurück zu gelangen, haben Mr. Hurley & die Pulveraffen das Schiff in Brand gesteckt. „Brand an Bord“ erzählt fast von solch einer Unglücksgeschichte wie sie Bucktheeth mit dem Taljenblock erlebte. Tatsächlich berichtet der Track auch davon, was passiert, wenn Probleme nicht ernst genommen oder ignoriert werden. Am Ende geht das Schiff eben unter. Ein ernstes und aktuelles Thema, verpackt in lustige Zeilen, doch bleibt einem das Lachen irgendwann im Halse stecken.
…und wenn der Klabautermann klopft
Als Seemann oder – frau ist einem Aberglaube nicht fremd. So haben auch die Affen den Song „Klabautermann“ eben dieser Legende gewidmet. Balladesk und bedrohlich kommt der Song daher und lässt einen mit gemischten und nahezu hoffnungslosen Gefühlen zurück. Das „Schiff System“ könnte nicht aktueller sein – denn im Grunde sitzen wir alle im gleichen Boot, das in die falsche Richtung segelt.
Zu guter Letzt handelt „Wellenbrecher“ auch davon, dass wir alle auf dem gleichen Schiff sind. Der Grundtenor ist jedoch grundlegend verschieden und das spiegelt sich auch im fröhlicheren, Seemannsshanty-Gewand, wider. Eine Ode an die Fans, an die Crew – einfach an alle, die die Band in so schweren Zeiten unterstützt. Der perfekte Ausklang für ein nahezu perfektes Album.
Das „Seemannsgrab“ ist ein Wechselbad der Gefühle. Es hat alles parat, was einen zum Lachen, zum Weinen, zum Tanzen und zum Nachdenken bringt. Es bewegt mit den einfachsten Mitteln und ist dabei textlich immer on point und stilvoll. Mr. Hurley & die Pulveraffen werfen erneut mit Metaphern um sich, die sich sehen lassen können und untermalen ihre Songs mit abwechslungsreichen Melodien aus Akkordeon, Klavier, Gitarre und Bass. Viel mehr braucht es nicht, um ein absolutes Knaller-Album zu kreieren. Ganz großes Kino!