Septicflesh-6Eine finstere Welle bretterte letzte Woche durch Deutschland: die portugiesischen Unruhestifter von Moonspell zerlegen nämlich derzeit gemeinsam mit ihren nicht minder heißblütigen, griechischen Kollegen Septicflesh die internationalen Clubs und Konzerthallen. Anlässlich des Releases ihres neuen und -sage und schreibe- zwölften Longplayers „Extinct“ (VÖ: 06.03.2015) holt das Quintett um Frontmann Fernando Ribeiro gerade zu einem pan-europäischen Angriff aus und lädt die Metalheads zur ersten Hälfte der „Road to Extinction“-Tour ein. Fünf Ziele hatte die Truppe für ihren Schlachtplan in Deutschland gewählt – und so hielt ihr Konvoi am Montag, den 16.03., Einzug im Essener Turock. Wurde auch Zeit, denn ihr letztes großes Ding war die Doppel-Platte „Alpha Noir-Omega White“ von 2012. Bereits seit 1990 legen die Herren aus der Hauptstadt ihrer Heimat einen dunklen Schleier über die sonst eher sonnigen Gefilde am Atlantik. So darf die Band in diesem Jahr auch auf ihr 25-jähriges Jubiläum anstoßen. Ihr konsequenter und progressiver Mix aus symphonischen Elementen des Gothic und Dark Metal mit kleinen extremeren Abstechern wird weltweit gefeiert. Von einer eventuellen Schaffensmüdigkeit der Veteranen war am Abend im Turock jedoch keineswegs etwas zu spüren.

Der Konzertbeginn war für 19:30 veranschlagt – allerdings dauerte es noch rund eine halbe Stunde länger, bis sich die Lichter im Saal endlich verdunkelten und zunächst Moonspells hellenischer Support aus den Clubkatakomben den Weg auf die Bühne fand. Septicflesh, szeneintern schon lange eine urgewaltige Streitmacht, promoten Septicflesh-9momentan ihre im Sommer 2014 erschienene, hitzig diskutierte Platte „Titan“. Die Band um die beiden Brüder Spiros („Seth“) und Christos Antoniou besteht auf dem Papier fast genauso lang wie die ihrer portugiesischen Gastgeber, aber eine Aufspaltung von 2003 bis 2007 hatte die Athener vorübergehend zu einer Schaffenspause gezwungen. Sie eröffneten den Abend mit „War in Heaven“ vom aktuellen Werk und dem Klassiker „Communion“ vom gleichnamigen 2008er Album – gewaltige Sounds tünchten den Saal früh in einen einzigen Bass-Pool, der die Frontreihen zum Vibrieren und Kochen brachte, ohne dabei klangmäßig zu übersteuern. Trotzdem vermisste der Kenner Gitarrist, Kreativ-Gehirn und Lyriker Sotiris Vayenas, der aus zeitlichen Gründen nur an wenigen Gigs seiner Tech-Death Metal-Kollegen teilnimmt. An seiner Stelle stand Session-Gitarrist Dinos „Psychon“ mit auf der Bühne.

Weiterer Wermutstropfen für die Fans der Athener: die Setlist bediente sich ausschließlich an Songs von Alben seit 2007. Die Ära bis 2003 (noch als „Septic Flesh“ unterwegs) ließ man unbegründet außen vor. Der ausgelassenen Stimmung tat das aber keinen Abbruch, gab es mit „A Great Mass Of Death“, „Pyramid God“ oder „The Vampire from Nazareth“ doch genug ebenso imponierende und energische Songs wie die älteren Machwerke. Das Ende der Septicflesh-Show markierte der „Titan“-Song „Prometheus“, welcher bald um ein neues Musikvideo erweitert werde. Machtvolle Dynamik in allen Instrumenten, fiese und aufwiegelnde Songs und harsche wie böswillige Vocals zeichneten den einstündigen Auftritt der Herren um den brustgepanzerten „Seth“ aus – eindrucksvoll, stimmig, eben melodiöse, gelebte Extreme in der immer wieder von orchestralen Facetten durchsetzten Musik. Kein Wunder also, Moonspell-9dass die Besucher zahlreich um Zugaben flehten, die man aufgrund des engen Zeitplans nicht erhören konnte.

Auf die Hellenen folgte ein emsiger Bühnenumbau von gut dreißig Minuten, bei dem die kunstvollen Aufbauten der Entrée-Band durch ein großes Hintergrund-Banner des limitierten „Extinct“-Plattencovers mit penetrantem und in blanke Paranoia treibendem Motiv ersetzt wurden. Nachdem auch noch das Drumset mit Schaumstoff-Geißbock-Schädel und das Keyboard inklusive goldener Orgelpfeifen enthüllt worden waren, traten zu guter Letzt die „Overkiller“ von Moonspell auf die Bühne. Erneut füllte Nebel die Halle, wieder dimmte man die Lichter: eingeläutet wurde die Gothic-Metal-Odyssee mit einem gesprochenen, gar schauerlichen Text, gefolgt von „Breathe (Until We Are No More)“, einem progressiv-passagenhaften Hammerschlag zwischen gefühlvollem Clean-Gesang und heftigem Growling. Als Intro des neuen Albums taugte der Song natürlich hervorragend auch als Konzerteinstand. Nach dem Mitsing-Titelsong „Extinct“, zu dem ein atmosphärisch dichtes Schwarzweiß-Musikvideo spendiert wurde, schickte Fernando Ribeiro sein Publikum zurück ins Jahr 1996 mit den Eröffnungsstücken „Opium“ und „Awake!“ des Klassiker-Moonspell-Werks „Irreligious“. Die Band dankte den Fans an diesem Abend immer wieder, sowohl für den jahrelangen Support als auch für den hohen Chart-Einstieg des „Extinct“-Albums, dessen Verkaufszahlen nun das erfolgreichste Album der Bandgeschichte markieren, sowie fürs simple Erscheinen im Turock.

Ein gekonnter Tempo-Wechsel vom trancegescheckter Melodie zu unerbittlicher Härte war bei den diversen, vielschichtigen Moonspell-Liedern ja quasi vorprogrammiert: so wogen sich die Zuschauer mal mit geschlossenen Augen in tiefer Entspannung, um dann wiederum zum Headbangen überzugehen, was das Zeug hielt. Optisch grandios untermalt wurde dieses Spektakel nicht nur durch die andächtigen, teils beinahe rituellen Lichteffekte (man denke nur an die Anrufung des Leibhaftigen zum bekannten Stück „Mephisto“), sondern auch durch Moonspell-5Dampffontänen in harten Instrumentalphasen und einem ästhetischen Schneeregen auf Gitarrist Ricardo Amorims Haupt zum neuen Song „The Future Is Dark“. Keineswegs zu verachten waren auch die von den Fans ekstatisch gefeierten „Vampiria“ oder der letzte reguläre Song „Alma Mater“. Zum lauthals geforderten Zusatz gaben die Fünf noch den Debüt-Klassiker „Wolfshade (A Werewolf Masquerade)“ zum besten, zu welchem Ribeiro selbst sich noch als zweiter Mann am Schlagzeug mühte, und das Killer-Stück „Full Moon Madness“, bevor die Truppe sich verbeugte und man treuen Fans in der Front Row noch die Hände reichte.

Selbst wenn ein Montagabend für sich genommen bestimmt kein glücklich gewählter Konzerttermin ist, so füllte die Halle sich dennoch, um den Sound von Portugals musikalischem Aushängeschild zu feiern. Die Show an diesem Abend kann man nur als guten Rundumschlag der breiten Diskographie mit alten und neuen Songs bezeichnen, welche alle Höhepunkte des Schaffens einer Band abdeckte, die mit Bühnenpräsenz, inbrünstiger Energie, sowie dichtem Storytelling eines jeden Songs und Albums bestach – auch oder gerade deswegen wurde der Abend mit Moonspell eine Erfahrung für sich, bei der man eintauchen konnte in eine düstere, fantasy-gespickte Welt ohne Gott und Religion.