„Sonne macht albern!“ Aber laut Wetter-App sollte man vom brennenden Ball am Himmel an diesem letzten Festivaltag ohnehin nicht viel mitbekommen, oder vielleicht doch? Albern wurde es trotzdem: Schon auf dem sehr frühen Weg zur Dusche flanierte eine angeschwipste Gruppe übers Rollfeld und trällerte fröhlich Monty Pythons „Always Look on the Bright Side of Life“ vor sich her. Die Gute Laune steckte an und schnell vergaß man den Frust über die ersten Regentropfen, deckte sich im Uncle Emma Laden noch schnell mit dem Nötigsten ein und schleppte sich um kurz vor 11 Uhr vor die Einlasskontrolle des Infields.

Impressionen Tag 2-10Den musikalischen Startschuss in den Tag, lieferte die vierköpfige japanische Acid-Punk Band Bo Ningen auf der Main Stage. Die Ansagen von Bassist und Sänger Taigen Kawabe klangen dabei sehr nervös und im Verlauf des ersten Songs fragte man sich aufgrund des hohen fipsigen Gesangs und der Optik des Sängers (schwarzes Kleid), ob man nun Männlein oder Weiblein vor sich hatte. Abgesehen von der äußerst skurrilen Performance des Frontmannes klangen einige Instrumentalparts gar annehmbar, doch reagierten die ersten Zuschauer am Morgen darauf noch sehr verhalten. Auch der Alternative Rock der Ruhrpottband microClocks, lockte noch nicht viele Zuschauer vor die Hanger Stage. Viel Interaktion zeigte Sänger JT, der in der Halle eine Sonnenbrille trug, aber auch nicht wirklich. Um den Sound war es leider auch nicht besser bestellt, lediglich den Einsatz der Leadgitarre konnte man aus dem dumpf klingenden Gemisch heraus erkennen.

Während man geschwind die Location wechselte, hallte einem schon von weitem Ordensmusik entgegen, die man ganz klar nur einer Band zuordnen konnte: Heimataerde. Die Bruderschaft der Ordensritter angeführt von Sänger Ashlar von Megalon heizte dem Publikum mit ihrem Medival/Dark Electro ordentlich ein. Mit im Gepäck, der Titelsong ihres kommenden Albums „Kaltwärts“ den man hier als Appetizer zum Besten gab. Gute Stimmung war hier jedenfalls garantiert.

Eine echte Überraschung war der nachfolgende Auftritt der Kopenhagener Band Euzen, die nicht nur mit ihrer Mischung aus folkloristischen Anleihen zu einer elektronischen Basis, vertrackten Beats und stimmungsvollen Gitarren Arrangements überzeugte, sondern mit der Norwegerin Maria Franz auch eine unglaublich solvente Sängerin an ihrer Seite hat, deren Stimmfarbe von Björk bis hin zu Anneke van Giersbergen oder Kari Rueslåtten reicht. Eine tolle Band, die ein breites musikalisches Spektrum abdeckt. Hier lohnte es sich wirklich mal genauer hinzuhören.

Von musikalischer Tiefe – hin zum Schabernack und Klamauk auf der Main Stage. Feuerschwanz brachten den feierhungrigen Impressionen Tag 2-18Festivalgängern Mittelalter Folk Comedy nebst bandeigenen Mietzen mit, die während der Show die Meute mit großen Transparenten anfeuerten, auf den jeweils Schlagwörter passend zu den jeweiligen Songs standen. Zuschauer Christian wurde aus den Reihen vor der Bühne gefischt und musste in das bekannte rosa Feenkostüm zum Song „Wunsch ist Wunsch“ schlüpfen, während man sich nachfolgend hintereinander gereiht Symbolisch begattete. Eine Truppe, die immer wieder Spaß macht.

Als Digital Hardcore bezeichnen die beiden Weißrussen Natasha A Twentyone und Alexey Protasov alias Ambassador 21 ihren Stil. Nicht geneigte Hörer würden es wohl eher als sinnfreien Lärm bezeichnen. Ob diese Art von Musik noch etwas mit Kunst zutun hat, sollte im Hangar jeder selber für sich entscheiden, aber die zahlreichen Besucher die Kopfschüttelnd die Halle verließen sprachen da wohl Bände.

Gelobt, gehypet, gepusht…und das gleich zu Beginn ihrer noch recht jungen Kariere. Die Rede ist von Darkhaus, eine Synth-Rock Band, die durch Rupert Keplinger (Eisbrecher) und Gary Meskil (Pro-Pain) gegründet wurde. 2013 brachten die Musiker ihr Debütalbum „My Only Shelter“ auf den Markt und waren sogleich großspurig in allen einschlägigen Medien zu finden. Das Rad haben die Musiker nicht neu erfunden, dafür liefern sie eingängige Rocksongs mit Mainstream Charakter, denen Sänger Kenny Hanlon das nötige Charisma verleiht. Auf der Main Stage rockten die Jungs unter einem gut abgemischten Sound die Reihen vor der Bühne, mit Hits wie „Drive“, „Ghost“ oder „Life Worth Living“.

Sven Friedrich bat die zahlreichen Zuschauer im Hangar nun mit seinem Electro-Projekt Solar Fake zum Tanz. Electro-Pop Stampfer, wie „I Hate You More Than My Life” oder „No Apologies“ verfehlten ihre Wirkung nicht und zogen sogar eine Tanzgruppe an, die im hinteren Bereich der Halle die Blicke und Handydisplays auf sich zog. Eine sehr gute Songauswahl hatte auch die Letzte Instanz mit im Gepäck, die nun mit „Nur für uns“ auf der Main Stage Einzug hielt. Frontmann Holly Loose flitzte sogleich von Links nach Rechts über die Bühne und animierte die Zuschauer, die spätestens bei „Flucht Ins Glück“ kollektiv und hellwach die Hände in Wellenbewegung mitschwenkten. „Rapunzel“ aktivierte auch den letzten Nachzügler, während das Set mit „Wir Sind Allein“ einen theatralischen Ausklang fand. Eine Klasse Show der Brachialromantiker mit der folkigen Note.

Düstere Rave Klänge mit Hardstyle-Einschlag lieferten [x]-Rx, denen lauter Jubel auf ihre Frage: „Seid ihr gut drauf M’era Luna?“ entgegen Impressionen Tag 2-24brandete. Die Gesichter à la Combichrist mit schwarzer Farbe bemalt, schmetterten Pascal „Cyrex“ Beniesch und Jan „Sine-x“ Teutloff einen Kracher nach dem nächsten raus, darunter „Kein Herz“ das ausgiebig betanzt wurde. Aufgepusht und voller Energie, so zeigten sich die Industrial-Veteranen Die Krupps auf der Main Stage. An vorderster Front Jürgen Engler mit entschlossenem Blick. Von allen Seiten strömten nun Zuschauer nach, um den Auftritt der Urgesteine nicht zu verpassen, die mit „The Dawning of Doom“ schon mal mächtig vorglühten. Stahl traf auf Stahl im Klassiker „Der Amboss“, als Engler hierzu auf Metallrohre schlug, die in Bühnenfront wie ein Xylofon angeordnet standen. Dieses Spiel wurde zur neuen Single „Metal Machine Music“ noch perfektioniert, zu der man dem Röhrenhaften Klangerzeuger Marke Eigenbau ganze Tonfolgen entlockte. Ein grandioser Auftritt, der durch das letzte Stück „Fatherland“ nicht epischer hätte Enden können. EBM aus Schweden lieferten Spetsnaz, zu denen man es schwer hatte noch in den Hangar zu kommen. Selbst der Außenbereich vor der Leinwand schien gut gefüllt, als das Duo die Show mit dem Stück „Darkling“ eröffnete. Nicht immer traf E-Trommler Stefan Nilsson fortlaufend den richtigen Takt, was aber von kaum jemanden bemerkt wurde, tanzte man sich doch extatisch zu den Hits in eine andere Welt.+

Anmutender Pagan-Folk voller Magie und Mythen, dies hat sich die Band Faun auf die Fahne geschrieben, die am späten Nachmittag die Zuschauer mit ihren Klängen gefangen nahm. Fast schon schamanisch erklang das Intro, das mit einem Duett der Sängerinnen und den unterschiedlichsten nostalgischen Klangerzeugern ertönte. Wie hypnotisiert schunkelte man zum Hit „Diese kalte Nacht“ oder wurde vom spanisch gesungenen Liebeslied „Tinta“ umgarnt. Eine lohnenswerte Show, die allein schon durch die vielschichtige Instrumentierung und den warmherzigen Erzählungen von Oliver „SaTyr“ Pade einen besonderen Tiefgang erhielt. Im September erscheint übrigens das neue Album „Luna“, eine Tour mit neuer Bühnenshow ist für 2015 geplant.

Folgt nun ein musikalischer Act? Oder werden hier gleich mexikanische Köstlichkeiten auf einem Tablett serviert? Statt Erk Aicrag und Hocico gab es erstmal akustische Klänge dreier Sombrero-Träger auf die Ohren, die fröhlich „Canta y no llores“ und „Odio en el Alma“ auf ihren Saiteninstrumenten zupften. Gerade als man sich eine Portion Tortillas bestellen wollte, wummerten dann aber doch treibende Beats bzw. der Opener „Dead Trust“ aus den Boxen. Ein agiler Aicrag dessen Gesicht halb als Skelett bemalt war, zischte seine verzerrten Shouts ins Mikro und forderte per Handbewegung zum mitmachen auf. Ausgiebig wurden Nummern, wie „Intruder“, „Bite Me!“ oder „Poltergeist“ abgefeiert, ehe sich die drei Herren mit den Sombreros noch mal auf die Bühne schlichen, um zum Abschluss noch „La Cucaracha“ und „Tequila“ zu trällern.

Von feurigen Chilischoten, zu Klängen des Avantgarde und Electro Wave. Deine Lakaien spielten mit „Into My Arms“ auf und Alexander Veljanov sowie Multiinstrumentalist Ernst Horn wurden von vielen bereits ungeduldig erwartet. Ein Querschnitt durch die Dekaden der Band sollte folgen, darunter Stücke wie „Dark Star“, „Farewell“ und auch der Titelsong vom kommenden Album „Crystal Palace“ wurden geboten. Außergewöhnliche elektronische Klänge trafen auf Percussion und sanfte Gitarren Arrangements, auf die sich die sonore Stimme von Alexander Veljanov legte. Im Hangar sorgten De/Vision mit ihrem sphärischen Synthie-Pop für reges treiben. Sänger Steffen Keth und Keyboarder Thomas Adam hatten sich zur Unterstützung noch einen Schlagzeuger mit auf die Bühne geholt, der dem Sound mehr Impressionen Tag 2-29organische Substanz verleihen sollte.

Über einen organischen Sound brauchten sich In Extremo nachfolgend wohl kaum Sorgen zu machen, stehen die Musiker seit Jahren für handgemachten Mittelalter-Rock der Extraklasse. Bis zur im Hintergrund gelegenen Verkaufsmeile stand man nun in dichten Reihen, um sich von den optischen Effekten, wie Pyros und Flammenfontänen sowie bekanntem Liedergut berauschen zu lassen. Frontmann Michael Rhein und Band hatten es zu Songs wie „Rasend Herz“, „Liam“, oder „Sängerkrieg“ wahrlich einfach die Massen zu begeistern, zeigte jeder der Musiker doch gleich viel Bewegung auf der Bühne und hallte es zu jeder Animation lautstark vom Publikum zurück, wofür es zum krönenden Abschluss noch ein „Küss mich“ auf die Ohren gab.

Beim Betreten des Hangars zur Show von Covenant, erklang eine minutenlange Durchsage durch die Boxen: „Achtung vor Strobolicht und Rauch, bei Unwohlsein kontaktieren sie bitte sofort das Personal“. So richtig unwohl war es jedoch augenscheinlich niemanden, denn ausschweifend wurde das Set der schwedischen Future-Pop Akteure um Sänger Eskil Simonsson und Hits wie „We Stand Alone“, „Der Leiermann“ und „Call the Ships to Port“ gefeiert. Sogar eine Zugabe gab die Formation in Form von „Dead Stars“, ehe die Musiker umjubelt die Bühne verließen.

Impressionen Tag 2-45Dafür, dass die Meinungen über die Rolle von And One als Headliner für das M’era Luna Festival im Vorfeld weit auseinander gingen, war es um kurz vor 21 Uhr rappelvoll vor der Main Stage.
Zwei Tage vor ihrem Auftritt auf dem M’era, erschien die Trilogie I mit den Alben „Magnet“, „Propeller“ und „Achtung 80“ im Handel, deren schlichte Coverartworks nun im Hintergrund das Bühnenbild prägten. Für das große Finale hatten sich Mastermind Steve Naghavi im gelben Hemd und die auf drei Podesten agierenden Keyboarder Rick Schah und Nico Wieditz sowie Joke Jay an den Drums, so einiges vorgenommen und eine üppige Setlist aus ihrer Discografie geschnürt, die für jeden etwas bereithielt. Überraschender Weise standen dabei nicht die neuen Stücke im Fokus, sondern gerade Klassiker von Alben wie „Aggressor“ oder „Bodypop“. Ob nun „Krieger“, „Schwarz“, „Traumfrau“ oder „Military Fashion Show“ sowie das von Joke Jay performte „High“, zu dem die Hände der Zuschauer großflächig von links nach rechts geschwungen wurden, war die Show von And One ein gelungener Festival Abschluss, der mit „Shouts of Joy“ unter großem Jubel besiegelt wurde.

Während einige die diesjährige, mehr als gelungene Auflage des M’era Luna Festivals noch auf dem Mittelaltermarkt wehmütig Revue passieren ließen, zog es wiederum andere direkt auf die Autobahn oder auf den Campingplatz, wo bis spät in der Nacht noch das traditionelle Austrommeln stattfand und einige Raketen gen Himmel geschossen wurden. Ein fantastisches Wochenende nahm somit ein Ende, zu dem 25.000 Besucher friedlich und respektvoll miteinander feierten. Was bleibt, sind die Erinnerungen und die Vorfreude auf das kommende Jahr, wenn sich der Flugplatz in Hildesheim Drispenstedt am 8. & 9. August 2015 wieder für eines der schönsten Festivals der schwarzen Szene öffnet.