Zeitig sollte man sich aus seiner mobilen Gruft schwingen, wollte man noch eine von 114 Duschkabinen ergattern, die dieses Wochenende hoch im Kurs standen. Auf dem Rückweg konnte man sich am Frühstückswagen auch gleich mit diversem Backwerk eindecken. Frisch und fröhlich hieß es sich dann erst einmal brav in die Warteschlange zum Infield einreihen, wo sich gegen 11 Uhr der erste musikalische Act auf der Main Stage ankündigte.

Impressionen Tag 1-12Die Viersener Melodic Metal Band Aeverium entpuppte sich als gute Wahl für den Auftakt. Die sechs Musiker hatten zuvor den M’era Luna „Newcomer Contest“ gewonnen und waren selbst sichtlich begeistert, auf der großen Bühne spielen zu dürfen. Ihre klangvolle Fusion aus satten Gitarrenriffs, modernen Elektrosounds, eingängigen Hooklines sowie den beiden äußerst solventen Akrobaten am Mikro, Aeva Maurelle mit ihrer klassisch angehauchten Stimme sowie Marcel „Chubby“ Römer, dessen maskuliner Gesang den perfekten Gegenpart lieferte, rockte sich die Band wie ein guter Einschub Adrenalin in die Herzen der Anwesenden Frühaufsteher. Eine Band, von der man zukünftig sicherlich noch so einiges Hören wird.

Die ersten Slots am Samstagmorgen lagen dicht beieinander, eiligen Schrittes ging es daher rüber zur Hangar Stage. Meinhard stand nun auf dem Plan, der mit seiner Liveband die Zuschauer auf eine Reise in den dunklen Kaninchenbau von Alice im Wunderland mitnahm. So ungefähr kann man sich das audiovisuelle Konzept um den Singer-Songwriter Meinhard von Falkenberg vorstellen, der ein musikalisches Potpourri diverser Stile bot. Die Palette reichte dabei von rockig bis beat- und tanzlastig, wobei die surrealen, skurrilen und oftmals sonderbar wirkenden Lyrics im Erzählstil unter passender Gestikulierung präsentiert wurden. Ohne Frage, hier musste man offen für Neues sein und Neu ist ein gutes Stichwort, gab es mit dem Song „YSAYKTW – You Save And You Kill The World“ gleich einen Appetizer vom kommenden Album auf die Ohren.

Der Bereich vor der Main Stage hatte sich derweilen schon ein wenig mehr gefüllt und beim erspähen von Kilt und passenden Mittelalter-Gewandungen im Publikum war klar, das nun Dudelsack, Schalmei und Co. ihren Einsatz finden sollten. Ignis Fatuu boten Mittelalter-Rock und folkige Klänge, die zum tanzen animierten. Bereits der Opener „Nordwind“ brachte ordentlich Bewegung in die Reihen vor der Bühne und den Aufforderungen der Nürnberger, zum Mitklatschen und feiern, wurde bereitwillig folge geleistet.

Geschwind kehrte man nun zur Hanger Stage zurück und angesichts so vieler Reihen vor der Bühne war man schon ein wenig überrascht, da sich das neue Projekt Sündenklang um Stahlmann Frontmann Martin Soer doch erst im Herbst letzten Jahres formierte. Dafür verfügt die Impressionen Tag 1-18Truppe aber schon über eine breite Fanbase, die um 12.10 Uhr überaus aufnahmefähig solch emotionale Songs wie „Lieber sterben“, „Kreuzzug“ oder „Die Welle“ lautstark mitskandierte und sich immer wieder von der guten Interaktion der Musiker anstecken ließ. Auch gab es ein Ständchen für Basser Ablaz, der an diesem Tag seinen Geburtstag feierte. Dunkelangehauchte Pop-Musik mit Herzschmerz Charakter, garniert mit rockigen Anleihen. Übrigens nicht der einzige starke Auftritt der Herren auf dem M’era Luna Festival an diesem Wochenende.

Mit einer ausdrucksstarken Performance fegte Henke nachfolgend, gleich einem mittelschweren Tornado, über die Main Stage. Anspruchsvolle lyrische Kost, dargeboten vom typisch-markantem Sprachgesang Oswald Henkes. Eine Instrumentierung die sich von seicht und wavig, bis hin zum wütend-sphärischen Rockkracher bewegte. Ganz klar, eine organische Band steht dem extravaganten Künstler deutlich besser, als produzierte Sounds aus der Konserve. Wer bislang aufgrund der Komplexibilität seiner Werke eher einen großen Bogen um den Musiker machte, wurde hier aufgrund der vermittelten Intensität doch mehr als positiv überrascht.

Im Hangar wurde es am Nachmittag deutlich elektronischer, hier kündigte sich nun das Future/Synthpop/EBM Duo Chrom an, die mit ihren Beats zum kollektiven tanzen einluden.
Ein paar Meter Luftlinie entfernt, enterten in der Zwischenzeit die Schweizer Wave-Rocker von The Beauty Of Gemina die Main Stage. Wobei man sagen muss, das dass Set für Kenner der Band nicht wirklich überraschend war. Annähernd selbiges bekam man schon auf ihrer Tour oder den diesjährigen Festivalauftritten geboten.

Impressionen Tag 1-27So Richtig Gas gaben Rabia Sorda um 14.20 Uhr im Hangar. Bereits das Intro stimmte die Meute auf einen Besuch im „Hotel Suicide“ ein. Ein agiler Erk Aicrag wirbelte unter bebenden Beats und kompromisslosen Shouts über die Bretter und trieb die feierwütigen zu Nummern, wie „Eye M The Blacksheep“, „Out Of Control“, „Turbulence“ und zum abschließenden „Somewhere Along The Road“ immer wieder zur Höchstform an.

Rock’n’Sad, diesen Begriff verwenden die Musiker von Lacrimas Profundere selbst als Umschreibung für ihren Stil. Zutreffend, angesichts der schweren Riffs und dem melancholischen Grundton von Sänger Roberto Vitacca, der dem musikalischen Konzept spürbare Theatralik verleiht. Gleich sechs Stücke aus ihrem aktuellen Album „Antiadore“ gaben die Bayern zum Besten, doch auch Nummern wie „My Mescaline“ oder „I Don’t Care“ reihten sich mit ins Set ein.

Ein wenig leise schien der Sound von Solitary Experiments gleich zu Beginn ihres Openers „Pale Candle Light“. Dies regulierte sich zwar mit weiterem Verlauf, jedoch blieb der räumliche Hall des Hangars erhalten, womit so ziemlich jeder Act an diesem Wochenende zu kämpfen hatte. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch und nach Dennis Schobers Aufforderung: „Ihr dürft auch tanzen wenn ihr wollt“ wurden weitere bekannte Nummern, wie „Trial And Error“ oder das gefühlvolle „Stars“ angestimmt, zu dem Nebel und Laser über den Köpfen der Zuschauer ihre Muster zogen.

Ein Slot auf dem M’era Luna Festival schien der Truppe um Martin Soer nicht genug. Zur Mittagszeit noch mit Sündenklang im Hangar auf der Bühne, wurde nun in beinahe gleicher Besetzung die Main Stage in Beschlag genommen. Neue Deutsche Härte stand mit Stahlmann auf dem Programm, dabei durfte die Silberdusche der Herren natürlich nicht fehlen und die Mannschaft lieferte auch auf den großen Planken Impressionen Tag 1-26eine durch und durch professionelle Show. Bewaffnet mit einer Nebelkanone begrüßte Mart mit dem Song „Willkommen“, ein gut gefülltes Infield. Zum nachfolgenden Best-of Set, darunter Nummern wie „Hass mich..Lieb mich“, „Teufel“ und dem wohl mehr als passenden „Schwarz“, riss man die Menge mühelos mit und auch eine Danksagung an die Jungs von Eisbrecher durfte nicht fehlen, die seinerzeit für einen Karriereschub bei der Göttinger Band sorgten.

Während Sänger Sascha Mario Klein und Soundtüftler Henning Verlage mit ihrem Projekt Neuroticfish nebst Nummern wie „Silence“, „Former Me“ und last but not least „The Bomb“ die Boxen im Hangar zum beben brachten, kündigten sich weitaus ruhigere Töne auf der großen Main Stage an. ASPs von Zaubererbrüdern nahmen die Zuschauer mit auf eine akustische Reise, durch den Liederzyklus von Krabat bis hin zu den dunklen Tälern und Irrwegen der Kunstfigur ASP. Die Instrumentierung u.a. Akustikgitarre, Violine, Cello und Percussion, ging unter die Haut und die tiefe Stimme von Alexander „Asp“ Spreng war in Nummern wie „Denn ich bin der Meister“, „Krabat“ oder „Werben“ allgegenwärtig und sorgte für Begeisterung. Mit dem Stück „Rain“ bekam man zusätzlich noch ein großartiges Cover von The Cult auf die Ohren. Im März nächsten Jahres touren die Zaubererbrüder mit ihrer neuen Show „Zwielicht-Geschichten“ durch ausgewählte Konzertsäle, das sollte man nicht verpassen.

Den Auftritt von Das Ich wollte sich nachfolgend niemand entgehen lassen. Nach dem bekannt werden von Sänger Stefan Ackermanns Erkrankung 2011 bangte man, ob man das elektronisch-sinfonische Musikprojekt um seine beiden Gründungsväter Bruno Kramm/Ackermann in der Form überhaupt noch mal live erleben wird. Dementsprechend voll zeigte sich der Hangar, wo nun ausdrucksstark Stücke wie „Kain und Abel“, „Kannibale“ und zum Abschluss „Gottes Tod“ performed und vom Publikum ausgiebig zelebriert wurden.

Impressionen Tag 1-38Den britischen Wegbereitern des Gothic Metals konnte man nun auf der Main Stage beiwohnen, die einen perfekten Querschnitt aus ihrer Discografie boten. Ein persönliches Highlight war neben dem gut abgemischten Sound und einem Nick Holmes in Bestform zweifelsohne die Performance des Kultklassikers „Gothic“. Und auch wenn Holmes den gutturalen Gesang schon vor Jahren abgelegt hat, verfehlte diese Nummer ihre Wirkung nicht ebenso wenig, wie „Erased“, „Tragic Idol“ und die beiden eingängigen Dauerbrenner „One Second“ und „Say Just Words“. Ein toller Auftritt, der jedoch mit 10-minütiger Verspätung begann und der Stagecrew zum einhalten der Timeline nachfolgend einiges abverlangte.

Von einem Urgestein zum Nächsten. Claus Larsen befeuerte die Meute im Hangar mit seinem Elektro-Projekt Leæther Strip. Stampfende EBM Beats, Distortion-Effekte, Noise-Elemente und Larsens verzerrter Gesang, sorgten für reichlich Bewegung und ließen bei den herrschenden Temperaturen den Schweiß vom Körper tropfen.
Noch heißer wurde es draußen auf dem Infield, bei brütenden 28 Grad und empor schießenden Flammenfontänen, die mit dem Auftritt von Subway to Sally einhergingen. Das Bühnenbild umschlossen von Bauzäunen und mit dem Takte des Intros und dem einsetzenden Stück „Warte, Warte“ klatschte das Publikum Frontmann Eric Fish samt Band auf die Bühne. Diese Spannung konnten die Mittelalter-Rocker die gesamte Show über aufrechterhalten und die dicht stehenden Reihen vor der Bühne, reichten mittlerweile bis zur Verkaufsmeile weit im Hintergrund. Stücke wie „Feuerland“, „Wenn Engel hassen“, „Das Schwarze Meer“ und „Veitstanz“ wurden dabei ausgiebig gefeiert und mitskandiert.

Auch wenn die Deutsch Amerikanische Freundschaft durch die NSA- Affäre zumindest politisch gelitten hat, schien diese im musikalischen Sinne auf der Hangar Stage noch zu funktionieren. Neben Kraftwerk und Can werden DAF auch heute noch zu den weltweit einflussreichsten Gruppen der elektronischen Musik gezählt, ob berechtigt oder nicht, sei mal dahingestellt. Diejenigen, die ein gewisses Alter mitbrachten, feierten zu Klassikern wie „Verschwende deine Jugend“, „Ich Und Die Wirklichkeit“ und natürlich zum bekannten „Der Mussolini“. Wiederum andere kratzten sich am Kopf und verließen Kopfschüttelnd den Hangar – Geschmäcker sind eben verschieden.

Die Spannung vor dem nächsten Auftritt war groß. Dicht an dicht rückte man nun auf, um den Schockrocker Marilyn Manson möglichst aus einer guten Perspektive zu sehen. Folgen sollte zwar eine solide Show, die durchaus ihre Höhepunkte hatte, aber der große Flash-Moment blieb aufgrund mangelnder Interaktion mit dem Publikum, vergessenen Textpassagen – die einfach durch ein „lalala“ ersetzt wurden, und der Attacke auf die TV-Kamera, die nachher vorsichtshalber von den Sicherheitskräften gesichert werden musste, nebst Mansons Impressionen Tag 1-52herunterfallen von der Bühnenkante, weitgehend aus. Aufgrund der Seltenheit seiner Auftritte in Deutschland feierte man eher pflichtbewusst das Best-of Programm des skurrilen Künstlers, der Hits wie „Hey, Cruel World…“, „mOBSCENE“ und natürlich „The Beautiful People“ bereithielt, ebenso wie die Coverstücke „Personal Jesus“ von Depeche Mode sowie „Sweet Dreams (Are Made of This)“ von Eurythmics. Irgendwie hatte man sich mehr von dem Auftritt versprochen.

Combichrist demontierten derweilen die Hangar Stage mit ihrer Show. Nur gut, das vor der langgezogenen Halle eine Leinwand angebracht war, auf der man die gesamte Show verfolgen konnte, denn es gestaltete sich schwierig überhaupt noch einen Platz im inneren der Tanzhölle zu bekommen.
Für einen krönenden Abschluss des ersten Festivaltages sorgten mit viel Bombast, Pyro und Lichteffekten nebst prachtvollem Bühnenbild in Hydra-Optik, die niederländischen Symphonic Metaller von Within Temptation, die auf der Hauptbühne sämtliche Register zogen. Sharon den Adels Stimme überragend und tonlagensicher, eine berauschende Setlist und ergänzende Unterstützung bei einigen Stücken durch Cellist Jonas Pap…großes Kino! Bis kurz nach Mitternacht hallten nicht nur Musik sondern vor allem auch der Jubel der Zuschauer über die 300.000 qm große Fläche des Flugplatzes in Hildesheim. Gänsehaut pur bei großen Hits, wie „Let Us Burn“, „Paradise (What About Us?)“, „Faster“ und vielen weiteren Krachern. Auf Deutsch animierte die galante Sängerin immer wieder die Zuschauer und hielt zum Stück „Stand My Ground“ auch eine Mahnung bezüglich der aktuellen Geschehnisse in der Welt bereit. Man solle sich respektieren, egal welcher Herkunft man entspringt, fühlt oder denkt. Nach dem gefühlvoll und im akustischen Gewand vorgetragenen „Sinéad“, ließ es man zum Ausklang der grandiosen Show mit „Ice Queen“ und einem finalen Pyro-Knall so richtig krachen.

Imposanter hätte dieser erste Festivaltag nicht beendet werden können. Mit den unterschiedlichsten musikalischen Eindrücken im Gehör streifte man noch auf einen Absacker zum Mittelaltermarkt, der noch eine Feuershow bereithielt oder machte sich kurz fit für die bevorstehende Disco-Nacht im Hangar. Viele schlenderten aber erschöpft Richtung Zeltplatz, um sich für den nächsten Tag eine Mütze Schlaf zu gönnen, was angesichts der nächtlichen Dauerpartys gar nicht mal so leicht war.