melecheshenkicover_638Black Metal – und das aus der Wiege der jüdischen und christlichen Religion Jerusalem! Welch ein Fest subversiver Freude für alle Gegner und Kritiker jener Konfessionen. Die Unruhestifter Melechesh tragen nun unentwegt seit 1993 ihre blasphemische Kunst in die Welt und verfeinern ihren Stil immer mehr. Selbst keine Israelis, sondern assyrisch-armenischen Hintergrunds ist die Band – neben Frontmann Melechesh Ashmedi unter stetem Besetzungswechsel kränkelnd – seit einigen Jahren unter Vertrag beim namhaften Label Nuclear Blast. Melecheshs Sound ist experimentell und nicht einfach in den großen Black Metal-Bottich zu werfen, in dem fürs ungeschulte Ohr alles im Gleichklang zusammenläuft. Die orientalische Atmo- und Instrumental-Prise ist durchweg spürbar, ohne dabei den schwarzmetall-typischen, dominierenden Schwermut und die Härte darin vermissen zu lassen. Das neue Album „Enki“, benannt nach dem Gott der Handwerkskunst, Schöpfung und Weisheit der Babylonier und Sumerer, erschien am 27.02. – wie sehr sich das neue Werk unter die Haut frisst, das erfahrt ihr im Folgenden.

Nach kurzem Auftakt schmettert rasant „Tempest Temper Enlil Enraged“ durch die Speaker. Der Sound ist druckvoll, trotz überbordender Gitarrenwände melodiengespickt und lässt uns den geballten Zorn von Enlil, des aufgebrachten Hauptgotts der Zweistromlandreligionen spüren. Auch das folgende „The Pendulum Speaks“ dreht ordentlich auf und schnippelt rasiermesserklingenscharf jeden Zweifel an Intensität und Genre-bedingter Strenge auseinander, der eventuell aufkeimen konnte, wenn man den Sound des neuen Werks lediglich an den bereits im Vorfeld in Musikvideos auf Youtube veröffentlichten Songs bemisst. Als Beispiel beginnt „Lost Tribes“ da fast schon Kreator-haft und bäumt sich erst nach und nach zu voller Kraft auf. Überhaupt setzt der Song völlig ungeahnte Akzente im Repertoire von Melechesh, nicht zuletzt durch die Gastlyrics vom Szene-Urgestein Max Cavalera (Ex-Sepultura, Soulfly, The Cavalera Conspiracy), dessen markantes Organ einen wundervoll heftigen und brachialen Bastard aus dem Black Metal-Keifen Ashmedis und seiner selbst schafft. Ein Duett, das mitunter intensiver daherkommt, als es im cleanen Gesang so mancher Symphoniker und anderer Heavy Metal-Bands jemals fühlbar wäre.

Melechesh

Melechesh

Das zunächst und als erster Vorgeschmack auf „Enki“ veröffentlichte „Multiple Truths“ ist auch melodischer in der Instrumentierung gestrickt und drückt dem Klangkleid vielleicht noch durch Stimmlage das Black Metal-Label auf, wirkt aber in sich ruhiger (und das heißt bei Melechesh immer noch „quite high tempo“), auch durch den Einsatz rar gesäten Chorgesangs und akustischer orientalischer Instrumente wie generell antiker Instrumente wie Bendir-Trommeln oder einer Bouzouki-Laute. Gott Enki selbst erwacht erst im fünften Track „Enki Divine Nature Awoken“ – ein finsterer Mid-Tempo-Anrufungsritus, der es mitten auf dem Album wohl am meisten in sich hat. Kraftvoll produziert und wie eine Giftschlange, die sich ihrem Opfer nähert wird Ashmedi hier von Sakis Tolis, Frontmann von Rotting Christ, begleitet. Der neunminütige Koloss erstrahlt vor allem durch fälschliche Zaghaftigkeit, die die ruhigeren Passagen versprechen, welche aber schlussendlich in hunderte Teile zerbrochen wird, wenn der Song richtig Fahrt aufnimmt. Als letzten Gastmusiker im Ensemble dürfen wir nicht Anthrax-Gitarristen Rob Caggiano bei „The Palm The Eye And Lapis Lazuli“ vergessen. Das ganze Album durch setzen sich Double Bass-Salven und intelligentes Riffing im Gehörgang fest und wissen überzeugen. Melechesh Ashmedi hat eine unbändige kreative Power, das muss man einfach so stehen lassen. Bevor das Album mit dem melechesh-würdigen Allrounder-Dreizehnminüter „The Outsiders“ aufhört, sämtliche Register zieht und noch ein letztes Mal den Hörer abfertigt, darf man nicht vergessen, noch einmal das stimmige Folk-Instrumental „Doorways to Irkala“ zu erwähnen, das meditatives Ambiente schafft und noch einmal in die Straßen der Dörfer im Nahen Osten entführt.

Fazit: Das Konzept Melecheshs geht auf. Künstlerisch anspruchsvoll geht es hier nicht einfach bloß um Satanismus – die Band thematisiert Mythologie und Geschichte Mesopotamiens und lehrt ihre Hörer längst vergessene, alte Sprachen und Kulturen. Hier erwacht der Orient zum Leben. Dass das Sprachrohr ‚Black Metal‘ sich für die zürnenden Götter im Orient hier genauso gut eignet wie für den Sound eiskalter Bitterkeit aus Norwegens Wäldern, stellt Geschichtenerzähler Melechesh Ashmedi hier eindeutig unter Beweis. Spaß machen auch die atmosphärisch passenden Lyrics, die im Sujet der Historie und Mythologie einer Region, über die eher die Wenigsten gut Bescheid wissen, nicht nur lehrreich und interessant, sondern auch mit einer Böswilligkeit sondergleichen daherkommen. Die kreative Lohe Melecheshs ist auch nach mehr als zwanzig Jahren noch nicht aus – und namensgetreu (Melechesh ist Hebräisch und bedeutet „Herr des Feuers“) legt die Truppe hier nochmal ordentlich Holz nach. Neuer Stoff, der dem Alten in Nichts nachsteht – bahnbrechend und authentisch! „Enki“ erschien am 27.02.2015 bei Nuclear Blast als Vinyl und CD-Digi.

Ihr wollt die CD euer Eigen nennen? Dann bestellt gleich hier: Melechesh – Enki