Morgenrot CD-CoverOpernsänger, Koch und nun im Symphonic-Rock zu Hause: MajorVoice meldet sich mit seinem neuen Album „Morgenrot“ zurück. Sein dritter Langspieler erscheint am 22.01.2021 und wurde bereits im letzten Herbst durch die Single „Sunbed in the rain“ angekündigt. Auch das Musikvideo zu „Ruf mich“ (gemeinsam mit Daniel Schulz von Unzucht) gab in der vergangenen Woche einen Einblick darin, was Morgenrot zu bieten hat. Die 12 Songs haben es in sich, erzählen von Liebe, Schmerz und Sehnsucht und bestechen vor allem durch musikalische Abwechslung.

Zwischen Liebe und Leidenschaft

Laut MajorVoice geht es bei Musik immer um Liebe und manchmal tut diese eben weh. Dies spiegeln auch einige Lieder auf dem neuen Album eindeutig wider. Bei anderen muss man eher zwischen den Zeilen lesen oder genau zuhören, um den Sinn zu erfassen. Der erste Track „Waves of Love“ beginnt sogleich beschwingt mit Geigenklängen, die von keiner anderen als Ally Storch stammen. Gemeinsam mit dem unvergleichlichen MajorVoice-Bass baut sich ein sehnsüchtig wirkender Song auf, der live mit Sicherheit seine ganze Kraft entwickeln wird.
„Ruf mich“ erstaunt zunächst, da der Song auf deutsch gesungen wird – ungewöhnlich für MajorVoice. Gemeinsam mit Daniel Schulz‚ unverwechselbarer Stimme und dem rockig-symphonischen Klang entwickelt sich das Duett zu einem Lied, das einen träumend und melancholisch zurücklässt. „Sunbed in the rain“ wirkt zumindest musikalisch schließlich um einiges fröhlicher und hoffnungsvoller. Dass einen das Karma einholen wird, kann durchaus auch positiv gemeint sein. Im Leben ist eben nicht immer alles heiter, doch auch im Regen kann etwas Gutes gesehen werden.

Von Rache und Schmerz

So richtig düster und beinahe schmutzig kommt „Leah“ daher. Der Song erzählt die Geschichte einer ermordeten Frau und ihrem Mann, der davon berichtet, wie er den Mörder aufspürt und schlussendlich zur Rechenschaft zieht – oder auch nicht? Die Atmosphäre bleibt düster, jedoch muss man dem Text schon sehr genau folgen, um zu verstehen, worum es geht. Das fällt bei dem tiefen Bass, der in den Strophen einen rauchigen Unterton erhält, nicht immer ganz leicht.
Textlich etwas holprig wirken die Strophen von „Die ganze Zeit“ beim ersten Hören. Der Refrain hingegen packt sowohl textlich als auch gesanglich und musikalisch. Schade, denn durch die Strophen geht dem Song das gewisse Etwas verloren. „Live this day forever“ hingegen nimmt einen mutmachend mit auf eine Reise. Beim Hören bekommt man gleich das Gefühl von Aufbruchstimmung und Hoffnung. Ein absolut runder Song, der einen von jeglicher Traurigkeit ablenkt und für Gänsehaut sorgt. Vor allem in dieser schweren Zeit ein wundervoller Lichtblick, der auch musikalisch kraftvoll getragen wird. Daran schließt sich der rockige Song „Kein Meer zu tief“ an. In den Strophen tritt die Musik ein wenig in den Hintergrund, sodass MajorVoices Stimme glasklar zur Geltung kommt, doch auch jaulende Gitarren dürfen hier im Interludium nicht fehlen. So treibt der Song die Sehnsucht nach Leidenschaft und Liebe an, ohne kitschig zu werden.

„Wenn du gehst“ beginnt mit einem episch untermalten Ohoho-Part und baut sich dann zu einem rockigen Lied auf, in dem aber auch symphonische Klänge nicht zu kurz kommen. Textlich schwingt Traurigkeit, Schmerz aber auch Freiheit mit, die einen mit Tränen in den Augen zurücklassen kann. „I’ll remember you“ scheint in die gleiche Kerbe zu schlagen, ist musikalisch jedoch viel ruhiger gestaltet. Wurde zuvor noch kraftvoll gesungen, wirkt es nun melancholisch und traurig. So beleuchtet MajorVoice verschiedene Perspektiven von Herzschmerz, die jedoch gleichermaßen zu Tränen rühren können. Seine kraftvolle und doch beruhigende Stimme tut ihr übriges, um Gänsehaut zu verursachen.

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MajorVoice live in Köln 2019.

„Lullaby of Pain“ ist das zweite Duett des Albums, dieses Mal jedoch mit weiblicher Stimme, die niemand anderem als Scarlet Dorn gehört. Der Song beweist, dass sich zwei tiefe und facettenreiche Stimmen wunderbar ergänzen können. Musikalisch erinnert der Song fast an ein Musical, das von Auf und Abs und Konfrontation lebt. Im Gegensatz dazu klingt „When you love someone“ beinahe schon zu fröhlich und zu gewöhnlich. Als schneller Rocksong mischt sich der vorletzte Track tanzbar in die Playlist. Getragen wird der Track von der Frage, was man tun soll, wenn man jemanden liebt, der weit weit weg ist. Ob es darauf eine Antwort gibt?
Die Ballade „I believe“, die mit seichten Klavierklängen lässt vermuten, dass eine Vereinigung möglich ist, wenn beide Partien wollen, dass der Traum Wirklichkeit wird. Während die Strophen balladesk nahezu zum Träumen anregen, wirkt der Refrain wie ein Erwachen. Selbst wenn die Liebe auch Schmerz mit sich bringt, lohnt es sich doch immer wieder, es zu versuchen und die Liebe nicht aufzugeben.

Fazit

Das neue Album „Morgenrot“ ist teilweise melancholisch, teilweise episch und teilweise vielleicht noch nicht ganz ausgereift. MajorVoice zeigt großes Potential, dass er mehr kann als „nur“ Opernsänger zu sein. Viele Titel stammen aus seiner eigenen Feder und auch hierbei beweist er, dass er mit Worten umgehen kann –  auch wenn es sich an wenigen Stellen so anhört, als müsse man stolpern. Einige Songs des Album kann man sich sofort sehr gut in orchestraler Umgebung vorstellen, während andere allein von seiner Stimme leben. Natürlich ist es nicht für jeden etwas, eine Opernstimme mit rockigen und epischen Sounds zu hören, doch eine Chance hat das Album auf jeden Fall verdient. Besonders „Live this day forever“ und „I believe“ sind gerade in der jetzigen Situation wunderbare Mutmacher. Für das alltägliche Hören ist „Morgenrot“ vermutlich zu anspruchsvoll, da viele Songs Geschichten erzählen, auf die man sich einlassen muss. Aber vor allem, wenn man selbst gerade in einer Herzschmerz-Situation gefangen ist, wird man sich in den Tracks verstanden fühlen. Gleichzeitig bietet das Album Hoffnung und einen goldenen Schimmer am Horizont.
Das Album lebt vor allem auch davon, wie viele Größen der Szene mitgewirkt haben. Nicht nur hört man Ally Storch, Daniel Schulz und Scarlet Dorn – auch einige Songs stammen von anderen bekannten Musikern wie beispielsweise Martin Engler von Mono Inc.. Produziert wurde „Morgenrot“ von Lord of the Lost Frontmann Chris Harms, der den Songs schlussendlich den letzten Schliff gab. Ein Gemeinschaftswerk, das sich sehen lassen kann!