Erst ein Jahr ist es her, dass Krayenzeit ihr erstes Album „Auf Dunklen Schwingen(-> hier geht es zur Rezension) auf den Markt gebracht haben. Zwar sind sie schon einige Jahre länger im Geschäft und sind längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, doch vielen Anhängern der Mittelalterrock-Musik sind sie noch immer unbekannt. Die Band konnte mit ihrem Debüt im vergangenen Jahr durchaus überzeugen und gab sich in diesem Jahr auch auf Festivals wie dem Burgfolk (-> wir berichteten) und dem Feuertanz (-> wir berichten) die Ehre. Dort konnte das jeweilige Publikum sich bereits dank einiger Songs einen ersten Eindruck des neuen Silberlings verschaffen. Das neue Werk „Tenebra“ erschien dann am 26.08. via Oblivion/SPV und ob sich das Album lohnt, lest ihr im Folgenden.

Das Album beginnt ähnlich wie das Debüt mit krächzenden Krähen und düsterer Musik, die auch in eine epische Filmkulisse passen würde. „De Profundis“ (zu Deutsch: „Aus den Tiefen“) leitet den Silberling also ein, doch zum beschwingten, härteren „Tenebra“ will das Intro musikalisch nicht so recht passen. Zu harsch klingt der Cut zwischen den beiden Tracks. Der Titelsong packt einen mit seinen rockigen Klängen aber dennoch und schon schnell lässt sich zumindest der Refrain mitsingen. Die Geigen- und Drehleiertöne lockern den Song wunderbar auf und mit solch fröhlichen Tönen geht es in „Ruf der Lamia“ auch sofort weiter. Hier gelingt die Überleitung einwandfrei. Markus‘ Gesang steht dabei zwischenzeitlich komplett im Vordergrund, während die melodischen Teile in Interludien ebenfalls für sich allein sprechen. Der Song bietet musikalisch ein Wechselbad der Gefühle mit sanften Klängen, harten Gitarrenriffs, Schnelligkeit und langsameren Parts.

Mit „Noli Timere Messorem“ kommt dann ein Track, der das Tempo ordentlich anzieht. Das Intro des Songs verdient die Bezeichnung Mittelalterrock definitiv. Der Tod wird uns alle ereilen, aber warum mit dem Sensenmann vorher nicht noch ein Tänzchen wagen? Der Titel macht diese Vorstellung auf jeden Fall möglich. Das „Narrenschiff“ bildet dann einen ruhigen Gegenpol, in dem die Geige endlich richtig zur Geltung kommt. Hintergründig wird sie aber weiterhin von härteren Gitarrenriffs begleitet. Musikalisch und textlich wird der Hörer in eine ferne Welt entführt, denn das Schiff fährt gen Freiheit. Ein Lied, das einem ein wenig Fernweh bereitet. Wer wäre denn nicht gerne einmal frei wie der Wind?
Zeit zum Verschnaufen lässt Krayenzeit einem nicht. Mit „2000 Jahre Einsamkeit“ gibt es Musik, um sich hin und her zu wiegen und Text, der einen nachdenken lässt. Wer schon einmal allein gelassen wurde und sich so richtig einsam gefühlt hat, dem wird dieser Song ans Herz wachsen, doch am Ende wird man sicherlich wieder „Ein Tänzchen“ wagen. Der Tanz geht durchs „Fegefeuer“, das schnelle Melodien, vielfältige Instrumente und mehrstimmigen Gesang bereithält.

Die „Niemandsrose“ ist die zweite Ballade auf dem Album, die aber hin und wieder mit rockigeren Parts aufwartet. Die „Chimaera“ entspringt der griechischen Mythologie, doch die Interludien dieses Songs muten eher orientalisch an. Doch Angst vor einem Mischwesen aus Löwe, Ziege und Schlange/Drache schwingt in dem Track nicht mit, sondern der Biss (hier Stich des Stachels) des Wesens scheint die ersehnte Erlösung zu bringen. Nach einer verzehrenden Reise durch die Wüste erscheint das allerdings vermutlich tatsächlich ein guter Ausweg. Doch von der Wüste geht es zurück in ein gemütliches Heim, in dem man beisammen sitzen und Wein trinken kann. „In Vino Veritas“ scheint musikalisch und thematisch das Trinklied des Albums zu sein, obwohl hier der Wein keinen feucht fröhlichen Spaß sondern die Erleuchtung bringt.
Wenn dann nach dem Gelage die Apokalypse nahe ist und der Teufel auf die Erde kommt, wird mit „Fiat Lux“ nach einem Hoffnungsschimmer, einem Licht, gesucht. Auch hier wechseln sich wieder schnelle und langsame Rhythmen ab, doch die Geige kommt nur in den Interludien so richtig zur Geltung und geht sonst leider unter. Dafür bekommt dieses Instrument im letzten Song „Alles von mir“ noch mal eine größere Rolle. Die Geige begleitet hier nämlich die dritte und traurigste Ballade des Albums. Ein Song, der von Verzweiflung und Selbstaufgabe erzählt. Er spricht vom Leben, das immer nur nimmt und nichts zurückgibt, das Glück und die Hoffnung verschlingt und eine leere Hülle hinterlässt.

Fazit: „Tenebra“ schließt ganz wunderbar an Krayenzeits ersten Silberling an. Die Songs haben sich entwickelt, aber das Potential der Band ist wohl noch längst nicht ausgeschöpft. Das Album verspricht auf jeden Fall, dass da noch mehr steckt, das hervorgerufen werden möchte. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass mit den epischen Klängen aus dem Intro auch in ein oder zwei Songs weiter experimentiert worden wäre, aber insgesamt ist es ein stimmiges Werk. Ruhige und schnelle Songs wechseln sich ab, sodass man einerseits zum beschwingten Tanzen und andererseits zum Träumen eingeladen wird. Thematisch teils sehr melancholisch, teils euphorisch, hinterlässt das Werk ein Gefühl einer Achterbahnfahrt. Gesanglich und musikalisch ist Krayenzeit vielleicht noch nicht ganz ausgereift und trifft auch nicht jeden Geschmack, aber das ist auch völlig egal, denn man merkt, dass sie Spaß an ihrer Arbeit haben und alles aus sich herausholen wollen. Man kann schon auf ihre Tour mit Schandmaul sehr gespannt sein.