John GarciaJohn Garcia – der Name einer kultigen Rocklegende, doch eben als Solokünstler nicht vielen bekannt. Anfang der 90er machte der zwischen Kakteen und Palmlilien geborene Herr in den Staaten mit seiner Stoner-Rock-Band Kyuss aus Kalifornien Schlagzeilen und Karriere, nicht nur im Underground. Und weil es zu dieser Zeit noch keine Schublade für die eigentümliche Musik gab, nannte Garcia seine Musik schlicht „Desert Rock“. Und genau das schwingt bei der Musik bis heute mit: drückende Hitze inmitten von Wüste und Staub. Auch mit seinem jüngsten Solowerk „John Garcia“ wirbelt er ordentlich Sand auf und entführt mit seinem markanten Stimmapparat und dreckigem Stoner-Geschrammel auf einen knochentrockenen Roadtrip. Auch wenn das Album schon seit Ende Juli in den Läden steht – wir werfen noch einmal einen Blick darauf.

Lange war es still um Kyuss. Nach 4 Alben war 1995 Schluss und die Musiker gingen getrennte Wege. Garcia hatte diverse Projekte, unter Anderem Slo Burn und Hermano, der Rest der Band formierte sich zu den weitaus bekannteren Queens of the Stone Age.

Erst 2011 kam es zu einer Reunion, allerdings ohne Gitarrist Josh Homme – so spielten die Jungs auf diversen Festivals als Kyuss Lives! und hauchten dem rauen Phänomen von einst neues Leben ein. Wer den an Verhältnisse wie im Kindergarten erinnernden Rechtsstreit in der Berichterstattung der vergangenen Jahre verfolgt hat, wird sich an die Stirn gefasst haben, als Garcia sich letztendlich der Klagen um die Namensgebung der Gruppe beugte. Nachfolgend war er gezwungen, seine neue, „alte“ Band in Vista Chino umzutaufen, mit der er ebenfalls in diesem Jahr neue Stücke präsentierte. Zudem macht Garcia weiterhin den Eindruck, hungrig und nicht müde geworden zu sein: keine drei Monate später steht bereits sein Soloprojekt in den Startlöchern.

Und was für ein gehirndurchknetendes Ding das geworden ist! Schon der Opener „My Mind“, zu dem es auch ein Musikvideo gibt, das die Grundstimmung des gesamten Werkes bereits sehr gut vermittelt, schleudert Trommelfell bersten lassende Kadenzen her. Hier performt Garcia in einer alten Lagerhalle, während sich unterdessen ein Infizierter – Zombie-Apokalypse lässt grüßen – seinen blutigen Weg durch Wüste, verlassene Städtchen und Schrottplätze bahnt. Das alles in bester 70er Jahre-Optik, bis der Klangmeister persönlich gegen Ende vor untergehender Sonne samt Gitarre als Lone Ranger seiner Wege geht. Voller Energie und wie ein Peitschenhieb trieft der Sound aus den Boxen dahin. Tiefgestimmte Gitarren, die obendrein noch durch den Bassverstärker gejagt werden, um den charakteristischen, dreckigen Klang zu erzeugen, der für Garcia nebst charismatischem Gesang Dreh- und Angelpunkt ist. „What the hell are you saying? Who the hell are you talking to?” schmettert es immer wieder. Im Prinzip schmeckt man nach wenigen Liedern buchstäblich den Wüstensand auf der Zunge. Sobald der letzte Titel verklungen ist, sehnt man sich nur noch nach einem oder gleich mehreren Gläsern Rotwein auf der Veranda bei untergehender Sonne. Sauberer Sound sieht wahrlich anders aus – zum Teil spielen Vertreter des Genres auch alle Instrumentierungen gleichzeitig ein, (weil es oldschool ist, und das ist wichtig im Stoner-Rock & -Metal). Daher darf die musikalische Untermalung eigentlich gar nicht sauber klingen.

Gewiss ist der Sound aber nicht einfach nur ein Schwelgen in alten Kyuss-Zeiten für Garcia: in poppiger Monster Magnet-Manier schlagen Songs wie „5000 Miles“ ja sogar einen Spagat zwischen Black Sabbath, AC/DC-Allüren und dem Werken der Psychedelic-Rockstars um Dave Wyndorf. Sogar ein Cover von Black Mastiff ist auf der Scheibe zu finden. Nun aber kommen wir zu dem wohl einzigen Makel von „John Garcia“: so majestätisch kaputt wie die Lieder in den Gehörgang brummen, so einlullend ist der Sound auch nach wenigen Minuten und kann schläfrig und träge machen. Aber ist das nicht genau der Effekt, der erzielt werden soll? Vielleicht ist nicht jeder letzten Endes der Typ für den Las Vegas-Soundtrack und das als Problem zu bezeichnen ein einziger Frevel. Kyuss Lives! live zu erleben war jedenfalls – trotz Momenten, die geschaffen dafür sind, die Augen zu schließen und in der Musik zu schwelgen – nicht so betörend hypnotisch wie Garcias neues Werk. Eingängige Rhythmen wie bei „Argleben“ und „His Bullets‘ Energy“ vermögen es die Seele wieder ein wenig in die Gänge zu bringen und das Getriebe Mensch anzuschmeißen, bevor die spanische Gitarre von der ehemaligen The Doors-Legende Robby Krieger noch einmal die Wüstensonne erstrahlen lässt, bis sie schließlich hinter dem Horizont verschwindet.

Fazit: Für einige mag das Genre monoton-ermüdend, chaotisch und im wahrsten Sinne des Wortes verstimmt klingen. Das Ganze ist wohl ein Lebensgefühl, das John Garcia nicht nur konsequent ausbaut, sondern auch mit Kyuss geboren hat. Bei seinen aktuellen Projekten schmerzt es die Fans sicher nicht mehr so sehr, dass es die Formation von einst wohl nicht mehr geben wird. Nach Vista Chinos „Peace“ gibt es hier mit seinem Soloprojekt also noch eine Schippe Death Valley-Staub ins Gesicht. Nicht dass Josh Homme mit seinem Erfolg mit den Königinnen der Steinzeit in irgendeiner Weise neidisch auf seinen alten Kollegen sein müsste. Aber was Garcia hier abliefert ist ein wahrer Atombombentest in abgelegensten Wüstenregionen. Ja, der Klang kommt schmutzig daher. Ja, Stoner lebt von seiner klanglichen Unordnung. Aber irgendwie hat das Charme. Wer unter den jüngeren Hörern in den letzten Jahren Gefallen an den deutschen Newcomern von Kadavar gefunden hat und Größen wie Monster Magnet nicht abgetan ist, für den wird das Gesamtwerk des Sandmanns John Garcia eine neue Welt eröffnen. „John Garcia“ gibt es als reguläre und limitierte CD im Digipak und ist seit dem 25.07. bei Napalm Records im Handel erhältlich.