Die seit Juni erhältliche Platte „Quid Pro Quo“ läuft in Endlosschleife bei ihren Fans, während das „20 Wahre Jahre“-Festival noch immer im Schädel nachhallt: Die Herren In Extremo sind zurück und feiern noch bis Ende Oktober ihre Album-Tournee. Platin- & Gold-Auszeichnungen, Chart-Erfolge, zahlreiche Festival-Auftritte… all das spricht für sich. Am Donnerstag, 13. Oktober, fanden die Spielmänner sich auch in NRW ein und bescherten der Turbinenhalle Oberhausen mit ihrem furiosen Mittelalter-Metal einen unvergesslichen Abend – auch aufgrund ihres nicht ganz koscheren Supports Hämatom, den sie im Schlepptau hatten. Lest hier unsere Bilanz.

Hämatom-10Mit sattem Sound begrüßten Hämatom das Publikum und zockten mal gleich den Titel-Track ihres aktuellen Albums „Wir sind Gott“, auf den die verschmitzt-ironische Ode an unsere Heimat „Made in Germany“ folgte. Die nach den vier Himmelsrichtungen benannten Musiker und ihr bedrohliches Erscheinungsbild mit Slipknot-esken Masken und Corpsepaint schaffen hierbei ein Setting, das seinesgleichen sucht: Coole Atmosphäre, harte, auf den Punkt gebrachte und ab und an skandalträchtige Texte, dazu reißerischer Groove- & Thrash Metal-entlehnter Neue Deutsche Härte-Sound. Man merkte früh, dass manchen im Saal die straight-forward- & Auf die Fresse-Attitüde der Jungs etwas missfiel – schließlich muss man betonen, dass Hämatom als Vorband ein stilistisch ungewöhnlicher Support für In Ex ist. Trotzdem: Nicht wenige zelebrierten die Stücke der Bayern zwischen den Stühlen des Punk Rock und des rasanten Metals ausgelassen und waren vor allem beim Marteria-Cover des Hiphop-Songs „Kids (2 Finger an den Kopf)“ voll dabei. Zu „Auge um Auge“ enthüllte Sänger Nord eine T-Shirt-Kanone und feuerte ihr eigenes Merch in die Menge – und nach den Hits „Totgesagt doch neugeboren“ und „Alte Liebe rostet nicht“ waren spätestens beim finalen „Leck mich, du Wichser, leck mich“-Chor am Ende viele Besucher voll dabei, ihre Mittelfinger in die Luft zu strecken, anderen (wohl in erster Linie älteren Fans, bzw. gemäßigteren Mittelalter-Melodien-Frönern) war das ganze Procedere zu affig und sie freuten sich umso mehr auf den Hauptact. Wer aber ohnehin schon viel mit Hämatom anfangen konnte, für den wird der „Support“, vom Bekanntheitsgrad der Metal-Szene ausgehend, fast schon mehr ebenbürtiger, exzellent gewählter Co-Headliner als bloße Vorband gewesen sein.

In Extremo-3Als endlich In Extremo die Stage betraten, gab es jedoch im Prinzip für niemanden ein Halten mehr – vom Bereich vor der Bühne bis hinauf in die oberen Ränge der Turbinenhalle. Mit einem großen Knall fiel der Vorhang, der zuvor noch den Aufbau verhüllte und als Opener spielten die Berliner mit dem Titel-Track des jüngsten Albums auf. Zur folgenden „Feuertaufe“ stand auch die ganze Bühne in Flammen – und vor dem dritten Song „Zigeunerskat“ verlor das Septett auf der Stage auch keine Zeit, bis man willkommende Worte fand. Insgesamt vermittelten die Herren einen routinierten Eindruck – nicht, dass man nicht alles gegeben hätte, aber aus den Ansagen und der Interaktion war nicht viel Begeisterung für die Sache zu entnehmen. Woran das auch immer lag: „Vollmond“ als erstes „Classic Material“ holte den Anfangseindruck direkt wieder raus – auch die letzte Single „Störtebeker“ oder „Roter Stern“ (die Stage dabei getüncht in glühendes Signalfackel-Rouge) von der neuen Platte waren Augen- und Ohrenschmaus. Während es bei den ersten Tour-Konzerten das erotische „Rotes Haar“ gab, spielten In Extremo an diesem Abend an dessen Stelle den träumerischen Song „Ave Maria“, was für Fans insbesondere älterer Werke ein Highlight markierte.

Während natürlich auch Evergreens wie „Frei zu sein“, „Küss mich“, der „Spielmannsfluch“ oder der Disko-Hit „Ai Vis Lo Lop“ nicht fehlen durften, hatten die Spielleut bei ihrem brüderlichen Sauflied „Sternhagelvoll“ den Chor aus der Stimme eines jeden einzelnen Besuchers sicher: Und der Refrain wurde noch nach dem Song länger ausgekostet. Mit dem russischen Gruß „Чёрный ворон“ (Chornyy Voron/Schwarze Krähe) eine obligatorische Liebeserklärung an Russland, das den Bandmitgliedern Sänger Michael Rhein zufolge in den vergangenen Jahren immer mehr ans Herz wuchs schloss, schlossen In Ex ihre reguläre Show mit dem melancholischen „Moonshiner“-Requiem. Doch natürlich ließen sich die Jungs nicht lange bitten und man kam für eine ausgiebige Zugabe zurück auf die Stage: Mit den „Mein Rasend Herz“-Hits „Nur ihr allein“ und „Liam“, dem schweißtreibenden „Belladonna“ und dem finalen „Pikse Palve“-Ritus endete das fulminante, beinahe zweistündige Konzert.

In Extremo-2Fazit: Bei einem In Extremo-Konzert feiert man durch und tanzt und singt aus vollster Kehle – ganz gleich, welche Songs die Buben ihren Fans schenken, egal, ob vielleicht das eine oder andere Manko auf Soundebene zu vermerken ist. Und trotzdem darf man es schade finden, dass die Setlist der Quid Pro Quo-Tour eben viele, viele Klassiker der Band unbeachtet ließ und der Fokus wirklich mehr auf den letzten drei Alben lag. Andererseits: Schaut man sich die gespielten Stücke der anderen Tour-Gigs an, stellt man schnell fest, dass die Band auf eine so große Diskographie zurückblicken kann, dass man unmöglich alle Herzenswerke unterbringen kann und dass In Ex ihr Bestes taten, bei den unterschiedlichen Terminen auch unterschiedliche Songs unterzubringen: So gab es das vermisste „Erdbeermund“, oder die älteren „Omnia Sol Temperat“ und „Herr Mannelig“ zum Beispiel bei anderen Live-Shows auf die Lauscher. Anfangs noch etwas steif auf der Bühne tauten Band und Publikum schnell auf – und überhaupt ist In Extremo ja eine Band, die eine gewaltige Metamorphose durchlaufen hat, von kleinen Mittelaltermarkt-Auftritten bis an die Speerspitze deutschsprachiger Rock-Musik mit hohem Bekanntheitsgrad. Das haben die Jungs zu Recht geschafft – und die Besucher danken es immer wieder, schließlich begleitet die Band nicht wenige im Publikum seit über zwanzig Jahren, viele sogar seit ihrer Kindheit.