Wer Ignis Fatuu kennt, der weiß, dass sich diese Band nicht unterkriegen lässt. Schon beim Wechsel am Mikrofon 2012 munkelte man, dass es mit der Formatio aus Nürnberg nun kaum mehr bergauf gehen könnte. Trotz all der Kritik, weil nun eine wahre Stimmgewalt fehlte, hat sich die Band mit neuem Sänger P.G wieder gefangen und mit neuem Rückenwind und alten Fans den Weg zurück in die Musikwelt gefunden. Es verwundert daher wenig, dass man auf das neue Album, das den Namen „Meisterstich“ trägt und am 08.07. via TrollZorn erschienen ist, ganze drei Jahre warten musste. Mit dem neuen Silberling liegt nun ein Werk vor, das zum ersten Mal ein reines Konzeptalbum darstellt. Alle dreizehn Songs drehen sich um Albrecht Dürer, seine Kunst und dessen Merkwürdigkeiten.

Zu Albrecht Dürer muss man wissen, dass er unter anderem ein deutscher Maler des späten Mittelalters und der Renaissance war und für seine Kupferstiche und Holzschnitte bekannt ist. Er verewigte sich in zahlreichen Gemälden und erstellte Bildmaterial exotischer Tiere oder Wunderlichkeiten für Flugblätter und Ausstellungen. Ignis Fatuu hat sich ihn zum Vorbild genommen und präsentiert mit „Meisterstich“ ein Renaissance-Album in mittelalterlich rockigem Gewand.
Ob das Werk etwas taugt, lest ihr nun hier in unserer Rezension.

Das Album beginnt mit dem einleitenden „Die vier Reiter der Apokalypse c. 1497“, das mit voller Wucht daher kommt. Der Song lädt einen ein, das Jüngste Gericht mitzuerleben und zeigt einem mal eine andere Seite des apokalyptischen Motivs. Musikalisch wirkt der Titel ganz ähnlich wie schon die bekannten Songs von Ignis Fatuu und knüpft beinahe nahtlos an das letzte Album an. Mit „Nemesis c. 1501“ und „Ritter, Tod und Teufel 1513“ wird es musikalisch zumindest in den Interludien dann etwas schneller und fröhlicher, während die Themen weiter ganz im Dürer-Stil eher düster bleiben.

Kurios, aber fesselnd kommt dann „Rhinocerus 1515“ daher, das den Text eines Flugblattes wiederzugeben scheint. Das altertümliche Deutsch ist beim ersten Hören etwas schwierig, aber wenn man sich eingehört hat, dann ist der Song eine wunderbare musikalische Darbietung eines frühneuzeitlichen Flugblattes über ein exotisches Nashorn, das Albrecht Dürer mit einem seiner wohl berühmtesten Werke versah. Rockiger geht es dann bei „Der Liebestraum des Doktors c. 1489“ und „Satyr und Nymphe 1505“ zu. Letzteres besticht vor allem durch das wundervolle Zusammenspiel von weiblichem und männlichem Gesang während der Liebestraum mit einem sehr rauen gesprochenen Intro zunächst an Nina Hagen erinnert. Musikalisch bleiben auch diese Songs im rockigen, aber mittelalterlichen Bereich, ohne dass die Songs eintönig oder langweilig werden.

Das Album führt weiter durch die Werke des Albrecht Dürer und geht mit „Die wunderbare Sau von Landser 1496“ endlichIGNIS_FATUU_2015 auch auf ein wunderliches Monstrum seiner Zeit ein. Es geht um eine „Fehlgeburt“, die zu Zeiten Dürer als „Wunder“ oder „Monster“ aufgefasst und in zahlreichen Flugblättern publik gemacht wurde. Der Song stellt diese Sau aus der Sicht eines Schaustellers dar, sodass der Hörer wunderbar in die Zeit der Wunder und Sensationen eintauchen kann.
Mit „Melencolia I 1514“ gibt es dann zum ersten Mal auf dem Album eine seichte Ballade. Zeit zum Ausruhen gibt es aber kaum, denn schon bei „Adam und Eva 1504“ wird musikalisch wieder eine Schippe an Schnelligkeit drauf gelegt. „Das Meerwunder c. 1498“ erzählt dann auf geheimnisvolle Weise, die auch musikalisch an einen Ort unter Wasser erinnert, von einer Sage, die sich in der Mythologie aber nicht finden lässt. Eventuell wurde Dürer von Poseidon, dem die 50 Töchter des Danaos zur Besänftigung geschickt wurden, inspiriert. Der Song hat dieses Thema auf seine Art und Weise aufgenommen und durch das Duett (vermutlich zwischen Poseidon und Amymone) wundervoll zum Ausdruck gebracht.

Mit dem elften Song wird das sechste Siegel der Apokalypse geöffnet und wer bei dem Titel „Sternenfall“ zunächst vielleicht an Sternenschnuppen gedacht hat, wird sich tiefer in den Song denken müssen. Ein Blick in die Johannesoffenbarung der Bibel zeigt, dass sich nach der Öffnung des sechsten Siegels die Sonne verdunkelt, der Mond blutrot wird und Sterne auf die Erde stürzen. Man kann sich das Geschehen also vorstellen, als stürzten tausende und abertausende Meteoriten auf eine dunkle Erde, wodurch der jüngste Tag so gut wie eingeleitet ist. Musikalisch bringt der Song genau das sehr gut rüber, denn der jüngste Tag ist der Tag, an dem sich entscheidet, welche Seelen in den Himmel und welche in die Hölle kommen. Etwas fröhlicher wird es dann zum Schluss zumindest musikalisch wieder mit „Der Dudelsackspieler 1514“, das ganz ohne Gesang dafür mit ordentlichem Dudelsack auskommt. Einen ruhigen und mysteriösen Ausklang findet das Album dann mit „Der hl. Hieronymus im Gehäus 1514“. Sowohl das Bild Dürers als auch der Song stellen eine Ode an die Weisheit des Hieronymus dar. Das Bild gehört sogar zu den drei sogenannten Meisterstichen. Mit Meisterstichen meint man die Kupferstiche des Albrecht Dürer zu denen „“Ritter, Tod und Teufel“, „Melancolia I“ und „Der heilige Hieronymus im Gehäus“ zählen. Das gleichnamige Album endet also mit einem dieser Meisterstiche und hinterlässt tiefe Eindrücke.

Fazit: Insgesamt ist „Meisterstich“ ein sehr gelungenes Album, das spätestens jetzt alle Zweifel verblassen lässt, ob Ignis Fatuu auch mit neuem Sänger im Geschäft bleibt. Die Idee eines Konzept-Albums ist zwar nun nicht gerade neu, aber mit der Thematik und der Umsetzung hat es die Band geschafft, etwas völlig Neuartiges zu erschaffen, das definitiv auffällt. Für mich persönlich war es eine wahre Freude, das Album zu hören. Dies lag besonders daran, dass ich bislang nur die älteren Alben kannte, aber P.G hat nun auch mich überzeugt. Ein weiterer Pluspunkt ist für mich auf jeden Fall das Thema Albrecht Dürer, denn ich kenne ihn bereits aus dem Studium und es war ein Spaß, seine Werke nun in musikalischer Form vorliegen zu haben. Die Umsetzung ist wirklich gelungen und auch wenn besonders der Song „Rhinocerus 1515“ etwas merkwürdig anmutet, hat es mir gerade dieser Titel angetan und ich bekomme ihn nicht mehr aus dem Kopf.
„Meisterstich“ ist ein Meisterwerk der Umsetzung eines historischen Themas und auch musikalisch gelungen. Daher gibt es von mir ein klares „Daumen hoch“ und eine noch klarere Kaufempfehlung. Erwerben könnt ihr es gleich hier: Meisterstich