P1290303Die unermüdliche und unaufhaltsame Heldmaschine ist aktuell wieder auf Tour und getreu ihrem selbstgewählten Motto „Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Integrität adé“ promoten die Koblenzer ihre aktuelle Platte „Lügen“. Zu diesem Zwecke stattete man auch der Matrix Bochum am Mittwoch, 18. November einen Besuch auf der kleinen Rockpalastbühne ab, wo die sechs Jungs allerlei brandneue Stücke präsentierten. Hier erfahrt ihr, ob das entfesselte, markante Show-Theater wieder einmal bestechen konnte.

Jovian Spin im Vorprogramm waren stilistisch zwar völlig anders als das, was die Band mit H üblicherweise veranstaltet, hatte aber trotzdem eine ordentlich mitreißende Catchy-Tendenz im Auftritt. Mit ihrem vorpreschenden Electro-Rock ist die Band seit 2008 bereits unterwegs im Lande und genießt dennoch nach wie vor unbekannteren Status. Mit Songs von ihrem neuen Album „Angstladen“ im Repertoire (was fälschlicherweise die Erwartung weckt, man könne es unter Umständen auch hier mit deutschsprachigem Industrial Metal zu tun haben) heizten die Jungs aus Mainz dem Bochumer Publikum im kleinen, aber feinen Matrix-Obergeschoss aber gut ein und schufen dabei eine lockere Atmosphäre, kurzweilig und cool. Regelrechte Begeisterungswellen blieben im Macbook-Synthie-unterstützten, mal seichten, mal angespitzten Rock-Sound aber aus – einerseits vielleicht, weil die Musik der noch nicht so weiträumig bekannten Rheinland-Pfälzer nicht gewünscht bombig einschlug, oder weil die Wenigsten im Saal die Songs kannten. Who knows. Womöglich auch, weil man etwa zur Halbzeit des Supports damit rechnen wollte, dass sich René von der Heldmaschine für das Deutsch-Englisch-Duett „Lust“ der beiden Sänger auf der Jovian Spin-Platte schon jetzt auf die Bühne bemühen würde – leider blieb das ausP1300282 (warum eigentlich? Dass Frontmann Gerrit Wolf den Song alleine performt, könnte man sich doch für die Zukunft aufbewahren – aber auf gemeinsamer Tour wäre das doch ein nettes Gimmick geworden!). Abgerundet vom ebenfalls aktuellen Stück „Faces“ aber ein solider Job, bevor die Jungs (die augenscheinlich bei der Anreise mit gewissen Autopannen-bedingten Hürden zu kämpfen hatten, aber pünktlich da waren) die Bühne freigaben und sich bedankten. Alle Fotos gibt es in unserer Galerie (-> hier).

Als wenig später die Heldmaschinisten in düsterem Dim-Light-Schleier auf die Bühne traten, um ihre Arbeit zu verrichten, ging hingegen ordentlich die Post ab. Als Opener wurde der zugehörige Beinahe-Titel-Track des neuen Albums „Lügen“ gewählt – mit dem Mitsing-Refrain zu „Wer einmal lügt“ punktete man gleich zum Auftakt, bevor mit „Ich will dein Bestes“ und „Die Zeit ist reif“ gleich im Dreierpaket neue Songs präsentiert wurden. Neben neuen Stücken gab es natürlich auch zahlreiche Song-Happen für Fans des „Propaganda“-Albums und der Zeit, als man noch unter dem Namen Völkerball werkelte (welcher nun nur noch für Konzerte als reine Rammstein-Cover-Band reserviert bleibt), aufs Gehör. So durften in der Setlist auch das brachiale „Weiter!“, der wortwörtliche Dauerbrenner „Es brennt“ oder der geschmetterte „Mund zu Mund“-Choral zum Titelsong des Vorgänger-Albums nicht fehlen. Ein routiniertes Effektspiel mit vielen Boni während der einzelnen Songs feuerten Mr. Anlauff und sein Gefolge ab: der coole Weißkittel für den „Doktor“, der seltsame Green-LED-Anzug für „Radioaktiv“ oder die im Dunklen fluoreszierenden, weißen, anonymisierenden Masken für die „Maskenschlacht“ – das sind Show-Einlagen, die wie bei der Patenband Rammstein zu den einzelnen Songs einfach dazugehören. Und das wissen die Fans. Bei „Tränenblut“ schnappte sich der Fronter ein Zusatz-Mikro für den „Blut“-Schrei, dessen Anschaffung sich mit 45€ für diese eine Einlage „redlich“ lohnen musste. Mit „Collateral“ –neue Digital-Single ahoi!- endete das reguläre Set – nach den Zugaben „Roboter“ und dem akustischen Grazie-Stück „Wir danken euch“ die ganze Show. Wir danken euch auch, der Song passt ja auch am Ende mehr als gut – aber er wirkt tatsächlich vom Text her etwas anspruchslos und einfältig. Egal, trübt den Rest kaum. Im Rockpalast war es ordentlich voll (ist ja auch P1310131kuschelig da oben) und auf der doch sehr spärlichen Bühne war nicht so viel Platz für die Lichtaufbauten, die die Band normalerweise mitbringt. Ging aber klar. Die Bilder der Heldmaschine gibt es in der Galerie (-> hier).

Fazit: Ein starker Abend mit industriellen und Electro-gespickten Rock- & Metal-Klängen für Liebhaber der Neuen Deutsche Härte, welcher mit Jovian Spin anders geartet begann und mit Heldmaschine in abgebrühtem Feuerwerk (mehr Show-Feuerwerk als wörtliches Feuerwerk) endete. Eine gehörige Portion Selbstironie bewies die Band auch hier, wenn nahezu jeder Song als „wahre Kitschnummer“ angekündigt wurde oder man sich bei den Ansage-Pausen ab und an gegenseitig aufs Korn nahm. Schade für manche Erste-Stunden-Jünger, dass der eigentliche Hymnus, der den Bandnamen „Heldmaschine“ liefert, aus der Setlist geflogen ist – ein Glück für die, die das Lied und vielleicht sogar die Metapher für den heimischen PC, mithilfe dessen man bei World of Warcraft zum Herold der Schwachen wird, etwas zu aufgesetzt fanden. Insgesamt aber bleibt der Eindruck positiv, nicht zuletzt aufgrund der trotzdem sehr guten Set-Auswahl und dem sympathischen Auftreten einer Band, der derzeit immer mehr medialer Aufruhr zu Teil wird, die sich aber gleichsam davon nicht beeindrucken oder im abgestumpften Stress hinabziehen lässt. Die netten Gespräche am Merch-Stand, auch mit dem Support-Act by the way, legten dafür Zeugnis ab. Gerne wieder!