Der Samstag begrüßte das Feuertal-Festival mit nicht weniger warmen Temperaturen. Neuer Moderator im Amt war nun ASP, weil es eher unangebracht für Eric Fish gewesen wäre, sich selbst und seine Band an diesem Tag anzusagen. Dieser übernahm seine Aufgaben gewissenhaft und hatte sichtlich Spaß daran, obwohl er mehrfach betonte, dass es sich ja nur um einen Irrtum handeln könnte, dass er gefragt wurde, in die Fußstapfen von Eric zu treten. Erneut nicht auf die vielen „Ausziehen!“-Rufe eingehend performte er stattdessen eine instrumentlose, energisch-hallende Variante einer Strophe der „Ballade von der Erweckung“, welche einen kurzen Gänsehautmoment verursachen konnte, stellte in ausdrucksstarker und wortgewandter Manier die Bands im Einzelnen vor und spielte seine Anwesenheit an diesem Tag gehörig herunter. Trotzdem – der „Eiyoo“-Aufruf zum Auftakt einer jeden Band durfte kaum fehlen.
Als erster Act stand Paddy Schmidt auf der Stage des Feuertals, der mit seinem charmanten Humor, ausufernden Witzen und seinem geradlinigen Irish Folk aufwartete, aber nur wenig Publikum vor die Hauptbühne lockte. Im Kern waren auch die Gags, die er brachte, stellenweise etwas fade, seine High Speed-Variante des traditionellen „Rocky Road To Dublin“ –-kaum verständlich in Double-Time- wurde nur noch von der entstellt-flachen „Puff Paddy“-Hiphop-Einlage übertüncht. Im restlichen Set fanden sich aber viele Klassiker des Irish Folks, die zum Tanzen anregen konnten, jedoch fehlte noch irgendwie der nötige Pepp, um den Kater zu besiegen und die Müdigkeit aus den Gliedern zu schütteln. Später übernahm Paddy noch die Zwischenspiel-Einlagen auf der Mittelaltermarktbühne, da die beiden englischen Musiker vom Vortag heute nicht mehr zugegen waren – was insgesamt, vor allem in Kombination mit dem späteren Auftritt von Firkin, die ebenfalls viele Cover-Songs im Repertoire hatten, zu vielen Wiederholungen führte. „Whiskey in the Jar“ erst von Paddy, dann von den Ungarn Firkin zu hören, war dann doch irgendwie redundant.
Richtig erwachen wollte das Feuertal am Samstag erst mit Hotze Knasterbart und seinem „Asi“-Folk Rock – spaßige Ansagen, Aufrufe zum Saufen (mit passender, musikalischer Untermalung natürlich, Songs wie „Gossenabitur“ und „Sauf mich schön“ durften in der Setlist der Band nicht fehlen) und überhaupt das abgewrackte Auftreten der Side-Band von Versengold-Sänger Malte Hoyer machten den Auftritt der bekloppten Herren perfekt. Nicht nur bekanntes Liedgut bescherte die Band dem Feuertal-Publikum – mit „Mein Körper ist ein Tempel“ und dem selbstironischen „Kein Erbarmen“ von ihrem neuen Album „Super Knasterbart“ begeisterten die Branntwein-Liebhaber ebenso. Letzterer Song ist eigentlich vor dem Kontext, wessen Alter Ego da am Mikro steht, noch ulkiger, schließlich stellt er eine Kampfansage und bitterböse Satire aller Mittelalter-Rock-Band-Klischees dar – so ziehen sich Versengold ein bisschen selbst durch den Kakao, und das kann man ja nur liebenswert nennen. Mal werden Lebensweisheiten ausgetauscht (zum Beispiel die Tripper-Warnung „Geteiltes Leid ist halbes Leid“), mal zelebrieren Knasterbart ihre dargestellten Charaktere und ihre fragwürdige Biografie mit Stücken wie „Heiliger Hotze“ oder „Mein Stammbaum ist ein Kreis“, inspiriert von einem alten Volkswitz. Sauflieder, Humor und eingängige Hymnen und Ohrwürmer (denn Bandwürmer kann ja jeder) zogen einfach erheblich, und für nicht wenige ging das Feuertal-Festival an diesem Samstag jetzt erst los.
Um sich ein wenig zu erfrischen, pilgerten nicht wenige auch heute wieder zum Wasserspender, diesmal wurden die Schlangen auch erheblich länger – doch wo war das „Kein Trinkwasser“-Schild hin? Gestanden sich die Veranstalter ein, dass der Hinweis eigentlich hinfällig war, konnten die Wuppertaler Behörden über Nacht die Grundwasservorräte klären und jetzt endlich sauberes Wasser anbieten? Oder wurde das Schild einfach vergessen? Egal – die Erfrischung war bitter nötig. Auf dem Markt gab es am zweiten Tag neben der musikalischen Untermalung keine Änderungen – der Merch-Stand, zu dem auch die Knasterbärte später pilgerten, bot nun allerdings Artikel der heutigen Bands zum Angebot.
Firkin aus der ungarischen Hauptstadt Budapest machten im Nachhinein auf der Bühne richtig Druck und drehten ordentlich auf. Viel Tanz, viel Bewegung – die Show verlangte dem Publikum etliche Mengen Schweiß ab, auch wenn die Band bei uns zu Lande bei weitem nicht den Kult- & Bekanntheits-Status ihrer Heimat genießt. In der Setlist gab es -wohl aufgrund der Sprachbarriere- auch nur wenige ihrer ungarisch-sprachigen Hits, dafür Irish Folk Punk-Würze mit „Firkinful of Beer“ oder den „Drunken Sailor“-Song, verpackt in einer Stilistik irgendwo zwischen Fiddler’s Green und Ska-Musik. Manche blieben dem Auftritt fern, da sie für die folgenden Bands Kräfte sammeln wollten – wer trotzdem vor der Bühne weilte, wurde unweigerlich vom Firkin-Sog mitgerissen.
Die Bremer Versengold, die ASP als regelrechte Durchstarter der Szene anpries, starteten ihren Auftritt mit dem Opener des 2015er Albums „Zeitlos“ und konnten damit gleich das ganze Feuertal einschwören – der Text-Part „Es zählt nur die Sonne von heute“ konnte thematisch gar nicht besser zum Tag passen. Weiter ging es direkt mit dem Fan-Fanal „Wem? Uns!“, bei dem das Publikum direkt in den Song eingebunden wurde und bei dessen Instrumental-Passage einfach niemand stillstehen konnte. Es folgten Klassiker wie „Spaß bei Saite“ oder „Paules Beichtgang“ – das Highlight war wohl der metaphorische Säufer-Bericht „Drey Weyber“. Auch bei Versengold durften selbstredend die Trinklieder „Hoch die Krüge“ oder das brüderlich-freundschaftliche „Ich und ein Fass voller Wein“ nicht fehlen – zu letzterem Song forderte Sänger Hoyer auch gleich ein wogendes Meer in Form von einer schunkelnden Masse ein, die sich im Bühnenbereich auch schnell bildete und sich in die Arme nahm, egal, ob oder Freunde oder Fremde. Die Stimmung des Feuertals erreichte hier ihren unangefochtenen Höhepunkt, dessen Level bei Subway to Sally sogar wieder ein wenig abnahm. Danke, Versengold!
Subway to Sallys Problem war eigentlich nur der Sound, keineswegs die Songauswahl oder die Tatsache, dass wie schon auf anderen Festival-Terminen der Band Frau Schmitt an der Geige durch Ally Storch ersetzt wurde, die diesmal gar die ganze Zeit mit auf der Stage war. Die Höhen und Tiefen von Gitarre, Bass und Schlagzeug waren unausgewogen, überfluteten bei den ersten Songs nicht selten Erics Stimme und verwischten die Songs etwas, sodass sie stellenweise gar unangenehm wurden. Den Anfang machte das vergleichsweise angenehme Akustik-Intro „Alle Psallite Cum Luya“, das zur Freude der Fans alter Stücke von StS direkt in den „Bannkreis“-Klassiker „Mephisto“ überging. Schon beim folgenden, härteren „Knochenschiff“ und dem neueren „Mitgift“ allerdings machte sich das Mixing-Problem bemerkbar, das man zwischendurch wieder etwas in den Griff bekam. Mitten im Konzert war die Klangkatastrophe aber vor allem bei „Falscher Heiland“ perfekt, dessen Klang nicht nur vom Original entfremdet wurde, sondern auch durch die genannten Schwierigkeiten allen Glanz verlor. Sehr, sehr schade, spielten Subway to Sally doch eine ausgewogene und tolle Setlist aus ihrer gesamten Diskographie: mit „Grausame Schwester“ und „Arme Ellen Schmidt“ wurde das 2014er „Mitgift“-Album abgedeckt, als absolute Subway to Sally-Evergreens lieferten die Potsdamer natürlich „Ohne Liebe“, zu welchem Eric Fish zu einer cheesy „Wall of Love“ aufrief, bei der sich die Schneise in der Mitte der Menge umarmte und küsste, statt einen Pit zu eröffnen, sowie das ruhige, akustische „Maria“ (bei dem quasi der ganze Gesang dem Publikum überlassen wurde) und zum Abschluss des regulären Sets noch den „Veitstanz“. Auch „Sag dem Teufel“ flocht Eric Fish ein und gab an, er habe den Song eine Zeit lang als Klingelton für seinen Wecker genutzt. Weitere Highlights: Zum lateinischen „Ad mortem festinamus“ demonstrierte er seine Feuerspuckerkünste und holte zum melancholischen „Eisblumen“ ein Kind aus dem Publikum auf die Bühne und hielt es während des Refrains auf dem Arm – unvergesslich mit Sicherheit! Gleichzeitig hatte aber auch wieder die bereits während der Konzerte zum „Mitgift“-Album und der jüngsten Ekustik-Tournee im Frühjahr angeprangerte Dubstep-Verwurstung zugeschlagen und machte aus „Henkersbraut“ und „Kleid aus Rosen“ merkwürdige Electronic-Monstren, die dem Charme des Originals nicht gerecht werden. Zum allerletzten Grand Finale spendierten Eric Fish und Gitarrist Simon Levko natürlich das obligatorische „Julia und die Räuber“, zu welchem Ersterer auch seinen Dudelsack zückte.
Doch das sollte es noch nicht gewesen sein – als Festival-Ausklang spielte man aus dem Off ein weiteres Mal die nun schon manchen Besuchern aus den Ohren hängende Feuertal-Hymne. Da fragt man sich doch: Wenn der Song von Subway to Sally stammt und Subway to Sally gerade auf der Bühne standen – warum ertönt das Lied dann aus dem Playback? Wir werden es wohl nie erfahren. Auch heute präsentierte sich das Feuergrüppchen mit ihren Talenten auf dem Marktgelände und an diesem Abend konnte man sogar die Herren Versengold/Knasterbart im Wuppertaler Underground auf ein Bier (oder gleich… zwanzig) treffen. Ein würdiger, doch problembehafteter Abschluss des diesjährigen Feuertal-Festivals mit Subway to Sally, die eigentlichen Highlights des Samstags waren jedoch die Auftritte von Versengold und Knasterbart. Und so neigten sich zwei tolle, extrem heiße Festival-Tage dem Ende, die dem Feier- & Tanzwütigen Besucher-Volk in Wuppertal einiges abverlangten. Unser Team freut sich definitiv auf das Jahr 2017 – nach dem Ende des Burgfolk-Festivals betonten nämlich beide Moderatoren an beiden Tagen, dass die kleinen, familiären Festivals überleben müssen. Befragt man das Publikum dieses Jahr, wird das aber selbstverständlich so sein.