Im Gestrüpp der extremen Musik aus deutschen Landen gibt es immer wieder Perlen zu finden, die man gar nicht auf dem Schirm hat, wenn man sich bloß an den großen Veröffentlichungen der Major-Labels orientiert – eine Combo, die man nach vielen Jahren des Pausierens gar nicht mehr im Hinterkopf hatte, ist Farsot. Der Gothaer Black Metal-Geheimtipp aus dem Hause Prophecy Productions, genauer gesagt deren Tochterlabel Lupus Lounge (u.a. Eïs, Helrunar, Secrets of the Moon), hat sich stolze sechs Jahre Zeit gelassen, um an ihrem Nachfolgewerk zum 2011er Album „Insects
“ zu arbeiten – die Früchte der neuen Scheibe „Fail-Lure
“, die am 21. April erschienen ist, wurden aber bereits am vorab veröffentlichten Song „The Antagonist“ deutlich. Ob die neue Platte es wert ist, näher in Augenschein genommen zu werden, verraten wir euch im Folgenden.
Bereits zu Anfang wird man als Hörer von der sinnentleerten, apokalyptischen Stimmung von Farsot ganz in den Bann gezogen: „Vitriolic“ als Opener, sowie das folgende „Circular Stains“ – beides 9-Minütige Rauscherfahrungen – glänzen vor allem in ihrem Wechselspiel aus Chaos und Ordnung, typischen Black Metal-Kaskaden und einem ruhigen, melancholischen Touch. Die kratzigen Vocals des Frontmanns runden das Bild ab – der eingestreute Clean-Gesang verleiht dem ganzen noch einmal eine eindringliche Intensität. Nimmt man sich dazu die Lyrics vor, tut der Kopf sein Übriges, zusammen mit der mal ungestümen, mal einlullenden, mal in beiden Extremen schwingenden Musik, ein kleines Theaterstück im Geiste aufzuführen. Diese handeln von Tod, dem menschlichen Bergab, dem Strudel von Wahrheit und Lüge und sind dabei stets auf einem extrem anspruchsvollen, poetischen Niveau der englischen Sprache, die es beinahe etwas schwieriger machen, Zugang zu den komplexen Hünen-Stücken von Farsot zu finden.
Stilistisch pflegen die Akteure mit Elementen des rohen Depressive Black Metal zu kokettieren (gerade, wenn bei „With Obsidian Hands“ die Vocals zu schrillen, bohrenden Schreien werden), lassen diese aber mit Rock-Passagen, progressiven Sounds und ihrer ganz eigenen Vision der Black Metal-Avantgarde verschmelzen. Ob ihre kryptischen Noms de Plume (Frontmann 10.XIXt und seine Crew treten ja auch seit Neuestem stets mit anonymen, weißen Masken auf, nicht nur im Musikvideo) nun mathematischen Algorithmen entspringen, Buchstaben-Codes ihrer richtigen Namen sind oder einfach nur einem irren Geist entspringen, sei mal dahingestellt: Die Bandmitglieder halten schon länger ihre Identität geheim, um ihre Kunst für sich sprechen zu lassen, und das ändert sich auch mit ihrem neuen künstlerischen Schritt als Band nicht. Mit ihren Alben „IIII“ und den im Black Metal-Untergrund als Perlen gehandelten Demos „042103freitod
“ und „Im Zwielicht meines glanzlos‘ Lebens“ hat die Band jedenfalls einen treuen Zirkel von Verehrern angesammelt, und das bereits seit mehr als 15 Jahren Bandgeschichte.
Interessant ist, dass im Prinzip jedes der bloß sechs Stücke des Albums anders geartet ist – verstörend und beklemmend bis in die letzte Facette kommen da die folgenden „Undercurrents“ und „The Antagonist“ daher, die noch einmal untermalen, was für cineastischen Bombast „Fail-Lure“ annehmen kann, vor allem in Kombination mit dem vorab veröffentlichten Musikvideo zu letzterem Song. Das beinahe träumerische Finale „A Hundred To Nothing“ steht dabei in fast krassem Gegensatz zum düsteren Rest des Albums, löst es doch die Stimmung zwar nach wie vor atmosphärisch drückend, aber irgendwie auch beschwingt filigran in Wohlgefallen auf, wie ein nicht passendes, falsches oder vorgetäuschtes Happy End, das man nicht ganz glauben will.
Fazit: Schon das Label schreibt zur neuen Platte, diese sei „ein Tanz von Faszination und Manie, Verlangen und Ablehnung, Kraft und Schwäche“. Oder anders gesprochen: Jede Sympathie und jede Anziehung steht immer am Rand des Wahnhaften und der Besessenheit. Auch das Cover, welches eine Skulptur des französischen Künstlers Denis Lavoyer zeigt, reflektiert diese Themen: Weibliche Schönheit, idealisiert mit Ästen als Armen wie bedrohliche Klauen, dient hier als perfekte Visualisierung der Hauptthematik hinter „Fail-Lure“. Kann man sich einlassen auf die abstrakten Sphären, in die Farsot ihre Hörerschaft tauchen, und nimmt man sich die Zeit, die Texte richtig wirken zu lassen, so avanciert die CD wohl zu einer weiteren wertvollen Brosche in der Schatzkiste des großartigen Special Interest-Labels – was für zwischendurch schmieden Farsot allerdings keinesfalls.
Interesse geweckt? „FAIL-LURE“ erschien am 21. April und -> hier könnt ihr bestellen.
In der Zwischenzeit seht ihr hier das Musikvideo zu „The Antagonist“: