In den letzten drei Jahren hat sich in der Musikwelt der Schwarzen Szene einiges getan. Alte Veteranen haben mit neuem Songmaterial ihre Fans glücklich gemacht und andere Bands haben sich eine Auszeit genommen oder etwas mehr Zeit in neue Alben investiert. Hatten beispielsweise Unzucht für ihr neues Album „Akephalos“ 2 Jahre benötigt und eine überzeugende CD herausgebracht, haben Erdling seit ihrer Gründung 2015 nunmehr ganze drei Alben auf den Markt geworfen, als ginge es um Leben und Tod. Das Debüt 2016 „Aus den Tiefen“ konnte noch mit frischem Wind und musikalischem Potenzial punkten. Auf diversen Konzerten und Touren mit Unzucht und Megaherz konnte man sich auch live von der jungen Band überzeugen, die von einigen ehemaligen Mitgliedern der Band Stahlmann gegründet worden war. Nun folgte zwar auch ein Auftritt auf dem M’era Luna Festival 2018, jedoch scheint bei der Truppe um Neill Freiwald irgendwie die Luft raus zu sein. Das neue Album trägt den Namen „Dämon“ und erschien am 27.07.2018 via Out of Line. Hier lest ihr einen detaillierten Blick auf den neuen Silberling.

Das Album beginnt mit dem Song „Erdling“. Der Name der Band ist nun also auch Songtitel und schreit mit jaulenden Gitarren und eingängigem Rhythmus in die Welt hinaus, dass doch jeder Mensch ein Erdling sei, jedenfalls, wenn man auf der Erde geboren ist. Packt einen das Intro noch, wird bereits in der Strophe die Fahrt beendet. Monotoner Gesang tritt an Stelle des abwechslungsreichen Intros und erst im Interludium nach dem Refrain kann man erst wieder ordentlich abrocken. In Strophe und Refrain wirkt der Song eher poppig und gesanglich hört man leider keinerlei Variation heraus. Mit „Tieftaucher“ kommen auch die elektronischen Klänge nun mehr zum Einsatz. Das Intro ist musikalisch keine Neuheit, wirkt aber mitreißend. Das hat Potenzial! Neills Gesang wirkt zunächst gepresst und verzerrt, doch im Refrain wirkt dies tatsächlich passend. Insgesamt erinnert der Song sehr an Stahlmann-Zeiten der Bandmitglieder, was sehr schade ist. Vom frischen Wind der NDH ist bislang nicht mehr viel zu spüren.
„Nichts als Staub“ beginnt rauschig und dreckig, was zum Songtitel gut passt. Sobald Neills beinahe gesprochener Gesang beginnt, tritt die Musik wieder in den Hintergrund. Gemeinsam mit der elektronisch verzerrten Stimme im Hintergrund baut sich der Song weiter auf, um im Refrain endzeitmäßig über den Hörer hereinzubrechen. Auch stimmlich kann dieses Lied überzeugen. Es scheint, als treffe der Titel genau Neills Tonlage. Einen vollkommenen Bruch gibt es dann mit „Schau nicht mehr zurück“, einer seichten Ballade, die zunächst nur durch sanftes Keyboard begleitet wird. Wer hätte gedacht, dass Erdling Balladen können? Melodisch und poppig kommt der Song daher und man merkt, dass der Gesang rein und wirkungsvoll sein kann, wenn er nicht zu tief angesetzt wird.

Zu „Wieso weshalb warum“ ist man wieder zurück in der elektronisch-schmutzig-rockigen Atmosphäre. Harte Gitarrenriffs begleiten den tiefen, erneut beinahe monotonen Sprechgesang, unterschwellig. Dummerweise schleicht sich gedanklich beim Hören immer das alte Lied „Der, die das“ aus der Sesamstraße ein, sodass der eigentlich ernste Sinn des Liedes leider verschwimmt. Erneut mitreißend wirkt das Intro zu „Maschinenmensch“, doch schon sobald der Gesang einsetzt, wirkt der Song zu gewollt tief und böse. Elektronisch und böse bleibt die Musik auch bei „Tod und Teufel“. Harte und jaulende Gitarren untermalen das Intro, treten in der Strophe aber jedoch zu Gunsten von schnellen Drums und dem halb gesprochenen Gesang zurück. Gesanglich ist der Song leider nicht ausgereift und erinnert immer mal wieder an Stahlmann, wobei er recht gezwungen tief klingt.
Balladesk wird es wieder mit „Ungeheuer“. Eine weitere Verschnaufspause im Intro, doch schon nach nicht mal einer halben Minute fliegen einem wieder harte Gitarren- und Elektroklänge um die Ohren. Die Strophe ist dann sanft und beinahe bedrohlich ausgearbeitet. Während der Gesang beinahe tief und geflüstert erscheint, folgt der Hilferuf im Refrain kraftvoll, aber gedämpft. Es bleibt ruhig, wenn das „Winterherz“ schlägt. Melodisch und poppig wirkt die Musik, die gemeinsam mit dem Gesang und Text eine tatsächlich kalte Atmosphäre schafft. Stimmlich und musikalisch wirkt der Song im Refrain fast wie ein Titel aus den Anfangszeiten von Staubkind, doch insgesamt wirkt der Gesang wieder etwas zu gepresst und die Tonlage erzwungen.

Die Refrains von „Im Labyrinth“ klingen zwar stimmlich ausgereifter, jedoch überschatten die gezwungen tiefen Parts in den Strophen das Gesangspotenzial. Musikalisch bleibt der Song eher ruhig, sodass einem bei den harten ersten Tönen von „Die Zeit heilt alle Wunden“ beinahe die Ohren abfallen. Die Titel zuvor waren alle so sanft, dass dieser Titel wieder eine Überraschung darstellt. Der letzte Song „In meinen Ketten“ überrascht mit seinem verzerrten Gesang und den Sounds, die einen irgendwie an Unzucht erinnern. 

Fazit: Der „Dämon“ von Erdling kann leider nur wenig überzeugen. Versprach die Band zunächst unglaubliches Potenzial, scheint dieses nur wenig genutzt zu werden. Es gibt ein paar Songs, die man durchaus in Dauerschleife hören kann, da sie sowohl musikalisch als auch stimmlich durchdacht sind. „Nichts als Staub“ gehört beispielsweise dazu. Häufig hat man jedoch bei diesem Album das Gefühl, dass Neill seine Stimme in Tiefen zwingt, die nicht seinem Repertoire entsprechen. Die Songs, in denen er ein wenig höher singt (nur ein paar Töne), wirken gleich viel schöner und auch melodischer.
Textlich zeigt sich das Album auch nicht zwangsläufig abwechslungsreich. Es geht viel um gebrochene Herzen, Einsamkeit und den Kampf mit sich selbst. Manchmal hat man auch das Gefühl, dass die Reime in den Songs ziemlich platt sind und die Worte teilweise gekürzt und verschluckt werden, damit sie ins Schema passen. Das wirkt manchmal sehr schief, lässt einen beim intensiven Hören stolpern und erschwert auch das Mitsingen der Texte.

Dem Album merkt man leider an, dass sich die junge Band kaum Zeit für den Silberling gegeben hat. Drei Alben in drei  Jahren sind dann vielleicht doch etwas zu viel, um abwechslungsreiche Songs zu entwickeln und sich von der NDH-Masse abzuheben. Schade!