Seit bereits fünf Jahren bitten die Folk-Metaller von Subway to Sally immer gegen Jahresende auf ihrer „Eisheilige Nacht“-Tour zum Tanz. Nach verschiedenen, großen Festival-Auftritten in diesem Jahr (u.A. M’era Luna und sogar das szenefernere Deichbrand-Festival) begibt sich die Band noch einmal mit Freunden und Kollegen auf Reisen. Die diesjährigen Gefährten der Potsdamer: die Spielleute von Saltatio Mortis, die Neue Deutsche Härte-Truppe Heldmaschine und das Dark-Rock-Quartett Unzucht. Am 28.12. hielt der Zug in der Bochumer RuhrCongress-Halle. Klar, dass hier mit einer „Stillen Nacht“ nicht zu rechnen ist. Wir waren vor Ort.

Unzucht-10Als hätte sich Petrus die Sache mit der „Eisheiligen Nacht“ zu Herzen genommen, ging es tatsächlich durch frostige Temperaturen zu den Warteschlangen am Einlass. Nichtsdestotrotz eröffneten Unzucht das Spektakel pünktlich um 19 Uhr und heizten den Konzertbesuchern gleich mal gehörig ein. Zum brandneuen Song „Unendlich“ von der Platte „Venus Luzifer“ holte sich Frontmann Daniel Schulz obendrein noch Heldmaschinen-Vokalist René Anlauff auf die Bühne, um gemeinsam zu performen – nicht ohne die frisch aufgekeimte Freundschaft zwischen beiden Bands zu betonen, die sich auf dieser Tour kennen gelernt haben. Das spanische Canción „Entre dos tierras“, ein Cover der Héroes del Silencio, durchbrach das finstere Klangbild irgendwann und schenkte der Veranstaltung tatsächlich für einige Minuten ein gehöriges, heiteres Latino-Flair. Was die Dark-Rocker da live boten, stimmte schon einmal gut auf den Rest des Abends ein. Schulz versteht sich nun mal exzellent darauf, das Publikum zum Mitmachen anzuregen. Auch wenn Unzucht lediglich Auftakt und nicht Hauptact waren, wurde hier beim 30-minütigen Kurzauftritt alles gegeben. Das Ende machte der Band-Evergreen „Engel der Vernichtung“ und schloss mit einem eingängigen Fan-Choral beim Refrain.

Nach kurzer Umbaupause stiegen dann die Jungs von Heldmaschine auf die Bühne. Bereits beim eröffnenden „Radioaktiv“ stimmte die Band auf eine musikalische Stippvisite Neuer Deutscher HärHeldmaschine-4te oberster Güteklasse ein. Die Brandeisen des Rammstein-Einflusses mögen für manche Hörer noch heiß sein – aber es fehlt der Truppe, aus der Cover-Band „Völkerball“ entstanden, keinesfalls an Innovation und die Songs stehen den Berlinern in Nichts nach. Weder in Text und Komposition, noch in Sachen vielseitige Bühnenshow: Viel Nebel, ein einziges Lichtspektakel-Feuerwerk, ein Rucksack mit grünem Laserlicht und das wie eine Raumschiff-Brücke anmutende Bild auf der Stage. Auch Fannähe zeigt die Band: wenn der Doktor zum gleichnamigen Song mit Kittel und Stethoskop wie selbstverständlich seiner Wege durch das Publikum streift und von dort die Masse motiviert. Dabei war er sich in der RuhrCongress-Halle auch für kein Selfie zu schade und da war es dann auch nicht schlimm, wenn er mal die Songreihenfolge durcheinander brachte und andere Lieder versprach als im Endeffekt folgten. Knaller wie „Menschenfresser“ oder „Ich komme“ schlugen ein wie eine Granate. In Retrospektive waren wohl auch diese Songs die härtesten des gesamten Abends. Der scheinbar fremdsprachige Mitschrei-Song „Propaganda“, Titelsong des aktuellen Albums, wiegelte die Masse noch einmal richtig auf – scheinbar, weil der Strophen-Text wie ein Mix aus Spanisch und Russisch anmutet, sich aber dann doch als frei erfundenes Diktatoren-Kauderwelsch entpuppt. Zum Ende trat dann noch einmal der Unzucht-Schulz hinzu und erhob seine melodiösere Stimme zum Song „Weiter! “ , bevor auch die Heldmaschine einen „weiterhin geilen Abend“ wünschte.

Saltatio Mortis-5Zu wehenden Fahnen mit Bandlogo betrat kurze Zeit darauf die Spielmannskapelle Saltatio Mortis die Bühne – begleitet von den Schreien vieler Fangirls, die Alea den (ob seiner Ansagen nicht ganz so) Bescheidenen anhimmelten und zum Teil ausschließlich wegen ihm angereist zu sein schienen . Das wurde dann auch deutlich, wenn besagte Mädels beim crowdsurfenden Frontburschen jegliche Umstehenden wegdrängten, um auch ja keine Gelegenheit zu missen, ihn antatschen zu können. Wir meinen sogar eine Hand in der Nähe der Schrittgegend gesehen zu haben… Der Eröffnungssong „Früher war alles besser“ brachte dann allerdings wirklich die ganze Halle ordentlich in Wallung, der Rest war dann fast schon Leerlauf für die durch unzählige jährliche Auftritte routinierten SaMos. Die Darbietung der Minnesänger war gelungen und unterhaltsam; hier konnten alle Fans voll auf ihre Kosten kommen, gerade bei kurzweiligen Stücken wie „Prometheus“, der zusammenschweißenden „Ode an die Feindschaft“ oder beim Piano-„Spielmannsschwur“, zu dem nahezu jeder Anwesende seine Stimme erhoben hat. Vor allem sprang das Publikum sehr darauf an, als die Band, „spendabel zur Weihnachtszeit“ (O-Ton Alea), auch gleich zwei neue Stücke vom kommenden 2015er-Album vorstellte:

-„Wo sind die Clowns“, ein typischer SaMo-Protestsong gegen die ununterbrochene und übermäßige Berichterstattung über Mord, Krieg und Elend in den Medien,
-sowie „Willkommen in der Weihnachtszeit“, der wie eine eher schlichte Konsumkritik zu genannter Jahreszeit wirkt. So heißt es hier „Ich frage ständig nach dem Sinn – Weihnachtszeit heißt nur Gewinn“, kommt textlich wie ein Abkömmling des erfolgreichen Nationalhymnen-Verballhornungs-Stücks „Wachstum über alles“ vor und will mit Sicherheit an den Erfolg des Liedes anknüpfen. Trotzdem: der Song ist mitreißend und humorvoll.

Zwischen den Songs füllten Drummer Lasterbalk und Sänger Alea die Performance immer wieder mit spaßigen Elementen wie einem Herr der Ringe-Zitate-Schlagabtausch oder das gegenseitige Veräppeln der Bandmitglieder durch teils wie Standup-Comedy wirkende Anekdoten und Ansagen. So wurde aus diesem Abend (wie ein jedes Konzert von Saltatio Mortis) ein heiteres Narrenspiel.

Die vor jeder Band eingestreuten „witzigen“ Ansagen von Band-Chef Eric Fish mögen den eingefleischten Subway-Fans sehr zusagen, Subway to Sally-6wirkten aber objektiv betrachtet doch sehr aufgesetzt. Das ist aber okay, denn Fish gibt sich mit seinem seltsam-spröden Humor gerne mal als „Markus Lanz“ der Gothic-Szene. So persifliert er nebst Vorstellungen und eingefordertem Beifall für die Gastbands diese gut und gerne. Wenn er dann auch davon berichtet, dass Subway to Sally jüngst ihre erste Tribute-Band mit dem Namen „Herzbluth“ bekommen hat, welche noch auf der Suche nach Instrumentalisten sind, kommt folgender Kommentar-Zusatz wieder als sympathischer Sermon daher: „Wer von euch sich auch mal an Subway-Songs versuchen will… das macht einen Riesenspaß. Ich spreche da aus Erfahrung“. Und auf ihrem ganz eigenen Haus und Hof-Festival darf man auch mal Selbstbeweihräucherung und Parodie betreiben.

Gegen 10 nach 10 stand er dann auch endlich mit dem Headliner des Abends vorn auf der Bühne, eröffnete ohne Umschweife mit der routinierten Show in düster-melancholischer Schauer-Atmosphäre und dem Werwolf-Song „Warte, warte“. Mehrere weitere Songs vom diesjährigen Album „Mitgift-Mördergeschichten“ folgten, unter anderem auch das sich langsam zur voller Härte aufbäumende „Schwarze Seide“, zu dem man dann auch wieder in der Menge geheadbangt wurde. Das balladeske „Traum vom Tod II“ sowie der alte Klassiker „Unterm Galgen“ tauchten den Saal in eine kleine Nostalgie und wo zunächst das Bühnenbild von Licht und Nebel bestimmt war, flutete bei „Feuerland“ auch endlich die typische Pyrotechnik die Stage: Feuersäulen, die kurzzeitig die Temperatur im ganzen 3000m²-Saal in die Höhe schießen ließen. Die wohl bekanntesten Songs des Abends, „Kleid aus Rosen“, „Veitstanz“ oder das von Fans immer wieder zwischendurch gegrölte „Julia und die Räuber“ schlossen das Konzert letztendlich. Den Sound der Altmeister zeichnen an diesem Abend musikalisch erfrischende Neuinterpretationen alter Songs aus. So erstrahlt „Wenn Engel hassen“ in neuem, rockigeren Habit. Bei den neuen Liedern strömen gar unterschwellig basslastige, elektronische Untermalungen mit in das Klangbild. Auffallend ist den Abend über das Körperkontakt meidende Publikum – klar warten insbesondere StS gerne mal mit dem einen oder anderen ruhigen Song oder gar Akustikstück auf, bei dem man jetzt keinen wilden Moshpit wie bei einem Metal-Festival erwarten darf, aber auch zu den tanzbaren Klassikern aller Bands hielt sich das Publikum zurück oder bewegte sich allenthalben gemächlich zur Musik. Ob das nun der Songauswahl der Bands geschuldet oder das Publikum einfach noch vom vielen Weihnachtsessen der vergangenen Tage kugelrund und träge war, sei mal dahingestellt. Unter tosendem Beifall schloss sich dann gegen Viertel vor 12 der Vorhang der diesjährigen Eisheiligen Nacht. Berauscht von der Musik und heiser vom Mitsingen aus der Halle dann durch die Kälte zum Heimweg aufzubrechen… was kann es Schöneres zum Jahresende geben?