Ob man in ihnen nun die Industrial-Prototypen Deutschlands sieht oder die maßgeblichen Richtungsweiser der Entstehung der Electronic Body Music – Die Krupps sind eine Klasse für sich. Oft in einem Atemzug mit Kraftwerk und Einstürzende Neubauten genannt, gehört die Kombo zu den Veteranen des Genres in Deutschland. Die Düsseldorfer um das kreative Gehirn Jürgen Engler schmieden im wahrsten Sinne des Wortes seit ihrer ersten LP „Stahlwerksynfonie“ (1980) bis heute ihre harsche, eigenwillige Musik. In 35-jähriger Bandgeschichte sind zwangsweise viele Facetten versteckt und Klangvarianzen vorprogrammiert – so reicht die musikalische Bandbreite von maschinellen Sounds und elektronischer Arbeitermusik über Groove- und Thrash-Metal-Anleihen bis zu rammsteineskem, deutschsprachigem Industrial in Neue Deutsche Härte-Ästhetik. Nach einer langen Trennungsphase zwischen 1997 und 2005 feierten die Stahlwerker nach diversen Compilations und Retrospektiven ihre Rückkehr ins Genre mit dem hochgelobten. Electro-lastigen „The Machinists of Joy“ von 2013 – das Nachfolgewerk „V-Metal Machine Music“ erscheint in Kürze und führt den Faden konsequent da weiter, wo er 1997 liegengelassen wurde. Laut Engler spukte den Herrschaften genau das schon länger im Kopfe herum: nach dem Electro-Comeback muss es ein Vorschlaghammer-Metal-Album sein. Ob Die Krupps noch immer bohrende und innovative Parasiten der deutschen Musikszene sein können oder schon zum alten Eisen zählen, erfahrt ihr hier.

Nach dem aufreibenden Intro „Die Verdammten“ beginnt das Neuwerk mit dem deutschsprachigen SM-Schock-Song „Kaltes Herz“. Während man gleich zu Beginn zulangt und zum Tanzen anstachelt, wirkt der Text leicht platt und lässt leider eine Textironie vermissen, wie man sie von Till Lindemann oder dem großartigen „Nazis auf Speed“ kennt. Vor allem wird in den ersten Minuten mit der CD ganz deutlich, dass man hier wahrlich gehörig „back to the roots“ geht – so fügt sich auch diese Platte in die mit römischen Ziffern betitelte Albumreihe ein und erinnert viel mehr an die Prä-Hiatus-Ära vor 1997, genauer an den Krupps-Sound von „I“ denn an den vom Vorgängerwerk von 2013. Viele eingestreute Synthesizer-Effekte versetzen dabei nostalgisch in die Vergangenheit. Hier wird also musikalischer Querschnitt der gesamten Alt-Krupps geliefert. Auch balladesker und fast schon mit VNV-Nation-Touch können Die Krupps hier: „Alive In A Glass Cage“ klingt so, als hätte Ronan Harris ein paar Whiskey und so einige Schachteln Zigaretten zu viel gehabt, während er seichte E-Gitarren in seinen Sound einflechtet. „Vampire Strikes Back“ und „Kaos Reigns“ hingegen sind wohl die heftigsten Krupps-Stücke seit Ewigkeiten: während ersterer in Fantasy Noir-Manier eine militärische Vampirjäger-Stimmung aufkommen lässt und im Tempo zwar einen Zahn zulegt, walzt der andere mal eben mit dem Motto „Hell is empty – all the devils are here“ und einem stürmischen, Synthie-begleiteten Instrumente-Gewitter alles nieder.

Als wohl kontroversestes Stück ist wohl „Fly Martyrs Fly“ zu nennen, welches hochaktuell die Geschehnisse des in den französischen Alpen zerschellten Germanwings-Flugzeugs im März diesen Jahres aufgreift – die Geschehnisse werden aber makabrerweise aus der Sicht des Copiloten Lubitz erzählt, der den Absturz bewusst hervorrief, und der Song ist mit TV-Samples der Berichterstattung vollgepfropft. Schnelle Rhythmen zum bitterbösen Spiel, und zwar derart eingängig, dass man beinahe fragen muss, ob man zu dem Stück überhaupt tanzen darf. Aber eines ist klar: unbequem können Die Krupps schon lange. Weitere besondere Erwähnung erhält auch „Road Trip Warrior“ –in seinem Naturell ein echter Mad Max-Song – nicht umsonst ist das Frontcover von „V-Metal Machine Music“ an die Optik des Filmfranchises angelehnt. Der Song wartet nicht nur mit erfrischender Punkrock-Attitüde auf, sondern beeindruckt auch in seinem unermüdlichen Speed. Und wo mit einem deutschen Lied begonnen wurde, muss man die Platte natürlich auch mit einem deutschen Lied enden lassen: mit „Volle Kraft voraus“ buddeln die Krupps den Titelhit ihres zweiten Albums von 1982 wieder aus und interpretieren ihn neu. Der wirkt da textlich und konzeptionell insgesamt viel einfallsloser als die übrigen Songs auf „V-MMM“, zieht aber vor allem in seinem von einem wiederkehrenden Gitarrenriff überbordeten Refrain, der live sicher geil kommt, ist aber dann doch im Abgang etwas fad. Damals war der Song sehr ausgedünnt, träumerisch und minimalistisch – nun weit satter und brachialer. Wer’s mag. Insgesamt muss das Urteil aber lauten: viele der dreizehn Tracks versinken leider in einem stetig gleichbleibenden Sud, genau wie der Schluss-Song.

Fazit: Treibende, stampfende Muster zogen bei den Kruppstahlern schon immer und deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass auch das neue Album von einem mitreißenden Sog sondergleichen ist. Trotzdem steht der Elektronik-Part ein wenig hinter den Metal-Elementen zurück, wobei der Sound trotzdem regressive Pfade gewählt hat und sich wieder mehr am alten Klangbild der Jungs orientiert. Engler sagte es bereits so in einem Interview: „Der Titel steht für die ultimative Symbiose aus Electro und Metal, wie ich sie mir schon immer vorgestellt habe.“ Sind Die Krupps also nach dreieinhalb Dekaden endlich bei dem Klang angekommen, der den Altherren am meisten Spaß macht? Definitiv muss man zugestehen: martialisch und aufstachelnd brettert „V-Metal Machine Music“ in knappen 49 Minuten überaus kurzweilig runter, bockt dabei tierisch und kommt in einem abgebrühten Befehlston und voller Energie daher. Gleichsam hinterlässt die Platte aber auch nicht so sehr das gewollte Brandzeichen auf der Haut wie wohl von Engler und Konsorten beabsichtigt. Das mag daran liegen, dass hier viel Gleichklang herrscht und ein paar Songs einfach weder ideell noch thematisch brillieren – dafür sind einige coole Highlights dabei, die man nicht ausblenden sollte, wenn man dem Sound der Krupps prinzipiell zugetan ist. Insgesamt kommt dann also ein guter Durchschnitt heraus, auch wenn man sagen muss: mit so einem Brecher war definitiv von den Krupps nicht zu rechnen. Ja, die Electro-Phase ließ auch mehr Innovation der Jungs durchschimmern als die Metal-Ära, die hier fortgeführt wird. Was den Metal-Touch anbetrifft, ist noch interessant, dass das Album von Heaven Shall Burn-Gitarrist Alexander Dietz beim Mastering seine Finger im Spiel hatte. Oder war die Bekanntschaft sogar der zündende Funke für eine Rückkehr zum Brachialen? Who knows!

Interesse geweckt? „V-Metal Machine Music“ erscheint am 28. August via Steamhammer/SPV und ist als reguläre CD wie als limitierte Doppel-CD samt Remix- und Demo-Sammlung erhältlich. Wenn ihr diesem Link (-> hier)folgt, könnt ihr die CD bald schon in euren Händen halten.