P1230102bMit der VÖ des brandneuen Albums „V-Metal Machine Music“ meldete sich ein altbekannter Industrial-Parasit zurück: Die Krupps. Vorreiter des Genres, aktiv, lange bevor Hochkaräter wie Rammstein oder Oomph! überhaupt das Licht der Welt erblickten. Auf ihrer Promo-Tournee durch die deutschen Lande versprach die Band schon früh, neben neuen Stücken, die wieder etwas metal-lastiger ausfallen, auch ein buntes Potpourri alter Stücke in die Setlist aufzunehmen. Am Sonntag-Abend, 06.09., hielten die Herrschaften Einzug ins FZW Dortmund – hier könnt ihr lesen, was das Konzert mit zwei Supports im Vorprogramm mit sich brachte, für das man leider lediglich die Sekundärhalle der beliebten Dortmunder Event-Location erkor.

P1210773bMit Janosch Moldau stand ein zunächst sehr ruhiger Act auf der überfrachteten und somit sehr engen Bühne – der Musiker und Songwriter aus Ulm präsentierte in der ersten halben Stunde seinen sanften Synthpop. Mit seinem aktuellen Album „Minor“ im Gepäck und erstklassigen Kritiken für das Vorgängerwerk „Lovestar“ von 2012 sollte man meinen, dass eine unvergleichlich gute Stimmung hätte aufkommen müssen – leider war dies an diesem Abend im FZW kaum der Fall. Die stimmigen Musikvideos und kunstvollen Einspieler, welche mit Beamer an die Wand hinten geworfen wurden, gingen auf der kleinen Bühne unter und waren durch die Position des Geräts stark entfremdet, seine Versuche, die Hörerschaft mehr zum Mitmachen zu animieren, stießen auf geringe Resonanz und die gelegentlichen Tonaussetzer, bei denen man an den Vocals dann schonmal gehörig aus dem Rhythmus kommen konnte, blieben auch nicht aus.

P1220060bEtwas härtere Töne zwischen all dem leichtfüßigen Dark Pop gab es erst mit „In Another World“. Und überhaupt: so viele Jesus-Anspielungen in den Songs, dann das Kreuzzeichen und das eingeblendete Gebet „Hilf, Herr, dass ich nicht vergebens hier auf Erden bin“ am Ende – eine gewisse Nähe zum christlichen Glauben muss man Janosch Moldau dann ja schon unterstellen. Zurückhaltende Musik, ja, im richtigen Kontext sicher traurig-schön und von Melancholie-Beben durchzuckt – aber im Vorprogramm der Krupps doch etwas fehl am Platz. Zum Schluss ging der sympathische Herr dann doch sehr streng mit sich und der Musikerseele an seiner Seite ins Gericht, als er sich mit den Worten „Danke für eure Geduld mit uns“ verabschiedete. Da fühlt man mit.

P1220584bSo beschwingt und etwas farblos der Auftakt, so skurril und bunt ging es mit The Red Paintings weiter. Die australischen Alternative Rocker und Punker-Virtuosen genießen hierzulande noch keinen allzu großen Bekanntheitsgrad – als Tourbegleitung der Krupps wird sich das nun ändern. Man blickte schon in fragende Gesichter, als beim Bühnenumbau Sänger „Trash“ sich mit ulkiger Russen-Uschanka und langen Gewändern zeigte. Hier die optische Kulisse: Bassistin und Violinistin stimmten ihre Instrumente in Geisha-Outfit und Kimono. Ein kleiner Alien-Fötus in einem Glas in Alkohol eingelegt grinste mit leeren Augen ins Publikum. Ein kleiner Spielzeughamster drehte in seinem Plastiklaufrad seine Runden über die Bühne. Nein, kein Traum und auch kein Drogentrip. Kurz vor Beginn lotste man noch eine menschliche Leinwand mit gewaltigem Sonnen-Kopf auf die Bühne, welche das Konzert über nach Lust und Laune von einer Künstlerin mit Bodypaint bemalt wurde.

P1220653bDazu lässiger Folk-Punk mit teils bizarren Textkapriolen über Alice im Wunderland („Streets Fell Into My Window“), Alieninvasionen („Wasps“) und Ankotzen gegen das System mit „Fuck the System“-Parolen und „Your Revolution Is Never Coming“-Provokation. Oh, und ein Cover vom Donnie Darko-Thema „Mad World“ durfte auch nicht fehlen. Wem das beim Lesen zu verschroben klingt, um es witzig zu finden, der hat die Band noch nicht live erlebt. Der Beginn war klanglich etwas daneben und übersteuert, das kriegte man aber zügig in den Griff. Extrem sympathische Combo, genauso seltsam die Ansagen zwischendurch. „Listen to The Red Paintings for your protection“, kann man da nur sagen. Oh, man ist wohl als Herr von “down under” sehr verwundert über die Käsevielfalt in Europa. Aber hey, ihr habt Vegemite. *kotz*

P1230124bAls schließlich Die Krupps auf der Bühne standen, war die Halle so richtig proppenvoll. Mit den ersten Reißer-Stücken „Crossfire“ und „Dawning Of Doom“ dominierte die Industrial-Institution ohne jede Form von Zweifel ihre Stage. Ein performance-technisch perfekter Auftritt wurde früh durch Sound-Probleme getrübt, man war zu leise (einige Besucher forderten bereits brüllend nach „mehr Wumms“), dann fehlte der Sound auf den Monitoren – Frontmann Engler schien teils etwas genervt von den Verantwortlichen, aber das kaschierte er mit seinem Humor. Auch als der Sound kurz in Gänze weg war, schwieg der Herr nicht etwa, sondern wahrte seine Souveränität und unterhielt sich mit ein paar Leuten in der front row.

P1230854bWährend im See der Tanzenden die Eskalation immer andere Formen annahm und man teils auch weniger rücksichtslos seinen Nebenstehenden gegenüber feierte, begeisterte die Band mit Ausflügen in ihr neues Album (hier wohl am stärksten das kontroverse und makabre „Fly Martyrs Fly“ und der SM-Song „Kaltes Herz“, bei dem Engler kurz innehalten musste und seine Setlist über den Haufen warf), sowie alten Stücken mit „Fatherland“ und dem Gassenhauer „To The Hilt“. Auch die Songs vom Vorgängerwerk „The Machinists Of Joy“ von 2013 begeisterten, da diese der Band in den jüngeren Jahren neues Publikum einbrachten – etwas „ver-metalt“ wirkten hier „Risikofaktor“ und die skurril-rammsteineske „Nazis auf Speed“-Wucht. Auch „Odyssey of the Mind“ fand sein Plätzchen mitten im Set. Mit „Bloodsuckers“ endete der epochale Tourauftakt schließlich (wenn man mal die jüngsten Festival-Appearances ausnimmt) und man hinterließ ein schweißnasses Publikum (nicht zuletzt wegen der Temperatur in dem kleinen Saal). Eine einmalige Feier, tosender Applaus.

Fazit: Tjaja, die Technik war der Feind an diesem Abend. Macht nichts, man ist auch nur Mensch und bei einer Live-Performance darf auch mal was nicht zu 100% perfekt sein. Die Frage, warum man die kleine FZW-Halle für den Auftritt wählte, konnte man sich selbst beantworten, wenn man die Verkaufszahlen der Tickets bedenkt – trotzdem füllte sich der kleine Saal durch die Abendkasse erheblich, sodass man ohne Probleme auch die weiträumigere Location hätte wählen können. So gab es da nur gehörigen O2-Mangel und großes Gedränge. Das Vorprogramm war in Retrospektive doch sehr unterhaltsam – Herr Moldau mit seinen energischen, doch befremdlichen Tanzeinlagen, die Red Paintings und ihr verschrobenes Gesamtpaket (ein wahrlich cooler Haufen, by the way – auch oben am Merch und dem Bierstand zu ein paar netten Unterhaltungen). Von brachialer Power dann der Hauptact, der neben den kleinen Schwierigkeiten in bester Erinnerung eines jeden Besuchers bleiben wird, auch wenn eine frühere Spielzeit angenehmer gewesen wäre (schließlich war’s so Sonntag, in Herrgottsnamen). Trotzdem – eine ausgelassene Party mit genre-bezüglichem Facettenreichtum, den so manch einer als unpassend verreißen könnte, im Gesamtbild aber doch gefiel, wenn man sich darauf einlassen konnte. Gerne wieder, Jürgen Engler + Gefolge. Vor allem, wenn es tatsächlich eine „Stahlwerksinfonie“-Tour geben sollte, wie man verriet. 35 Jahre Bandhistorie – und noch lange keine Luft raus!