20151009_Bochum_Cultus_Ferox_Harpyie_0093Der Seelenfänger-Kahn Cultus Ferox legte am 09. Oktober zum Beginn der „Medieval Thunder“-Tour in der Matrix Bochum an und hatte die Combo Harpyie als Support im Schlepptau. Beide Bands promoten derzeit ihre aktuellen Alben – während Harpyie aus Bad Oeynhausen gerade die „Freakshow“ entfesseln, punkten Cultus Ferox aktuell mit ihrem neuen Longplayer „Nette Jungs„, welcher eine Woche zuvor in den Läden erschien. Leider wurde aufgrund zu geringen Ticketverkaufs das Konzert von der größeren Tube unten nach oben in den Rockpalast verlegt, der nicht nur vor der Bühne weniger Platz beherbergt, sondern vor allem auch auf der Stage selbst. Fans des gemeinen Pöbels aus Berlin wussten aber, dass es im Grunde egal war, in welchen Räumlichkeiten die Party stieg. Wie der Tourauftakt an diesem Freitagabend verlaufen ist, lest ihr hier.

Zunächst beschenkten die Ostwestfalen von Harpyie die Location mit einer Kostprobe ihres neuen Albums und einem bunten Potpourri ihrer bisherigen Platten. Netterweise gaben sich die Herren und die Dame gar nicht so klamaukig, wie ihre früheren Musikvideos vermuten ließen und so manch einen Nichtwisser beim ersten Blick geschockt haben müssen: während zunächst Frontmann Aello mit überdimensionierter Greifvogelmaske und Kirmes-Stab wie in einem Varieté zur 20151009_Bochum_Cultus_Ferox_Harpyie_0120Show begrüßte, folgten mit „Freakshow“ und „Monster“ als Werwolf-Story gleich Titelsong und wohl am meisten ballernder Düster-Song des Neuwerks. Danach begrüßte er -mit langen Haaren kaum wiederzuerkennen- das dürftige, aber feiernde Publikum mit den Worten „Nicht wundern, dass wir nicht wie gewohnt aussehen, wir sind Westfalen“. Tatsächlich wurde beim Kurzgig der Harpyien ordentlich eingeheizt: mit dem reißerischen „Fauler Zauber“ und den skurrilen Tanzeinlagen (Zombie von nebenan + Totengräber, ja, es gab Tanzstunden für alle zum Song) zu „Tanz auf meinem Grab“ gewannen die sympathischen Jungs gemeinsam mit Geigerin Mechthild schnell die Leute im Saal für sich. Spätestens beim wohl im positiven Sinne beklopptesten Mittelalter-Rock-Cover aller Zeiten musste einfach jeder mitmachen: Eiffel 65s „Blue“ in schmetternder Neu-Interpretation wollte sich überraschend gut in das Klangkorsett der Band einfügen lassen. Was für ein heller Wahnsinn. Als Finale gab es noch die durchaus starke Band-Hymne „Sturmvögel“, die ohne zugehöriges Video nicht nur hundert Male erträglicher ist, sondern auch zu einem mitreißenden und Metal-reichen Live-Stück wird, wenn man mal ehrlich ist. Ein gelungenes Warmup!

Wenig später versammelten sich die Spielleute von Cultus Ferox dann auf dem kleinen Bühneneck – wer die Band kennt, 20151009_Bochum_Cultus_Ferox_Cultus_Ferox_0034der weiß, dass es dabei ganz schön kuschelig auf der Stage wurde (Und auch brandgefährlich, wenn drei Dudelsackler ihre langen Bordunpfeifen aus Versehen als Vorschlaghammer missbrauchen, weil sie so geknubbelt stehen müssen!). Zu Acht sammelten sich die Musiker nach einem Gänsehaut-Intro dort, und das sogar ohne Klauz Klasson, Schlagwerker, Backing-Vokalist und Animateur. Dessen Job übernahm der Feuerteufel (warum der Herr ein Body-Double zum Tanzwut-Teufel abgibt, das wissen die Götter allein) kurzerhand im Schlagabtausch mit Bandkopf Brandan – Ersterer verteilte zwischendurch im Publikum leckeren Met und war auch sonst für jede Schandtat bereit. Rundum stimmig, optisch wie klanglich, das allerdings nur in der zweiten Konzerthälfte. Ein großes Manko gab es nämlich: der Gesang von St. Brandanarius starb einen jähen Rauschtod in den ersten Songs. Ganz cool meinte er aber gleich, dass sowas zum Tourbeginn schonmal passieren kann, und dass die Band ja dankbar sein könne über die geduldigen und aufmerksamen Besucher. Wo er Recht hat, hat er Recht: im Nachhinein wurde der Gesang besser verständlich und somit auch tatsächlich die Songs erst richtig erkennbar. Schade nur, dass von diesem Technik-Fauxpas ausgerechnet der großartig-raubeinige Titeltrack des neuen Albums „Nette Jungs“ und das ebenso stimmige wie halsbrecherische, eröffnende „Seelentanz“ betroffen waren. Zu ebendiesem Titeltrack meinte vor Konzertbeginn jemand im Publikum, die Band mache ihm neuerdings einen richtigen „Gangsta-Folk-Rock“-Eindruck. Wie passend. Neben einem Rundumschlag der neuen CD gab es natürlich auch ein paar Cultus Ferox-Evergreens zu bestaunen: die ruhigen und schwermütigen Seemanns-Lieder „Verlorene Seelen“ oder „Blendwerk“ zum Beispiel, welche allerdings beide in einem rockigeren und vor allem rasanteren Kleidchen präsentiert wurden, welches den Stücken verflixt gut stand. Ein sehr charismatischer Musikerzug, das untermalten jede Ansage und jeder Gag – und außerdem sah man jedem in der Band den unbändigen Spaß an der Sache förmlich an. Traurig nur, dass das Timelimit der Matrix mal wieder alles niederschleifen musste: da um 23 Uhr pünktlich die Pforten zum Diskobetrieb offen stehen mussten, war eben um 22:45 nach nur knappen siebzig Konzertminuten alles auch schon wieder vorbei. Wo war denn die Zeit hin, bitteschön? Während den Jungs und der Dame ein Abschluss-Song vehement versagt wurde und einige Helferlein schon mit dem Abbau begannen, ließ der „Wilde Lebensstil“ es sich nicht nehmen, wenigstens einen akustischen Instrumental-Schmetter-Song am Ende loszulassen – ein Glück, dass Dudelsäcke und Trommeln keinen Strom brauchen. Witzig, wenn gleichzeitig die Bühne von Leuten geflutet wird, die Sachen wegtragen.

Fazit: Ein abruptes Ende für eine (gefühlt) gerade erst angefangene Mittelalter-Sause. Also wirklich,
liebe Matrix. Klar gib20151009_Bochum_Cultus_Ferox_Cultus_Ferox_0491t es mal Verzögerungen im Vorfeld, aber da kann doch der Hauptact nichts zu. Harpyie lieferten eine solide und überraschend geile Show ab, Cultus Ferox toppten das aber mit ihren neuen Sounds, der Kriegsbemalungs-Optik, dem abgewetzt-abgebrühten Gesamtbild und ihrem unvergleichlichen Song-Humor. Wie gesagt – ein besserer Zeitplan, ein früherer Beginn und von Anfang an besserer Klang hätten das Konzert noch schöner gemacht, welches trotz der K.O.-Kriterien ein würdiger und schweißtreibender Tourstart geworden ist. Mehr davon und zwar zu jeder Zeit!