Nach über 200-jähriger Bandgeschichte war es durchaus nicht verwunderlich, dass sich die sechs Herren von Coppelius-2Coppelius am diesjährigen Karfreitag, dem 3. April wieder einmal nach Wien verirrt haben. Zwar mag die österreichische Hauptstadt inzwischen etwas an ihrer einstigen internationalen Bedeutung eingebüßt haben, allerdings fühlte man beim Auftritt der außergewöhnlichen Gruppierung regelrecht etwas vom imperialen Glanz der alten Donaumonarchie, wenn einem sanft der Dampf um die noble Wangenblässe schwebte und die sorgfältig ineinander geschraubten Zahnrädchen leise zu quietschen begannen.

Zuvor jedoch heizten Lolita Komplex pünktlich um 20:15 (oder „Viertel neun“, wie man in Wien zu sagen pflegt) als Vorband die Halle der Szene Wien ein. Bühnenauftritte der österreichisch-maltesischen Band sind mittlerweile leider eine Seltenheit; dies liegt wohl hauptsächlich am neuen Wohnsitz des Sängerduos Nana und Eve Evangel auf der kleinen Insel am südlichen Ende der Europäischen Union. Eine Dreiviertelstunde lang bescherten Lolita Komplex dem Publikum Vergnügen mit ihrem in Österreich kaum vertretenen Sound des Gothic Lolita Metals, der auch etwas an japanischen Visual Kei erinnert. Bemerkenswert: eine Cover-Version von „All the things she said“, im Original von T.a.t.u.Coppelius-12

Nach einer kurzen Umbaupause wurde es schließlich recht still im Konzertraum. Um 21:15 Uhr gingen die Lichter aus und klammheimlich betrat Bastille, mit nichts als einer Kerzenlampe in der Hand schweigend die Bühne. Alsbald hatte sich ein Fan bereiterklärt, die Kerze für den scheinbar unbeholfenen Diener auszupusten und die Band konnte sodann unter elektrischer Beleuchtung anfangen zu spielen.

Dargeboten wurde eine gelungene Abwechslung von Liedern der aktuellen CD „Hertzmaschine“ und älteren Stücken der vorangegangenen vier Alben. Intermezzi bot Butler Bastille durch seine beinahe slapstick-artigen sowie belustigenden Ansagen und spontanen Einfälle, indem er mal eben ein Instrument putzt oder zerlegt, umgefallene Mikrofonständer und hingeworfene Kleidungsstücke aufhebt und dabei auf seine momentane Zerstreutheit hinweist. Dabei hielt ihn auch seine Knieorthese nicht davon ab, voller Elan über die Bühnenbretter zu huschen.

Ein Höhepunkt des Konzertabends war außerdem der Song „Time-Zeit“, der nicht nur die Besucher zum Mitsingen animierte, sondern alle Anwesenden ebenso Zeugen des wohl belesensten Drumsolos aller Zeiten werden lies. Schlagzeuger Nobusama ist nämlich problemlos in der Lage, die Bass Drum in blitzschneller Abfolge zu treten und nebenbei noch Zeitschriften zu lesen. Das anwesende Volk war überaus begeistert und klatschte eifrig Beifall.

Coppelius-17Abgesehen vom steampunkigsten Auftreten seit es Coppelius gibt, gab man auch zwei unverzerrte Balladen zum Besten und die Zuschauer in den seltsamsten Outfits, eher abseits von den Luftschiffpiloten und Lolitas mit Lollys, einige wenige Iron-Maiden-Fans (eine Musikgruppe, beinahe so alt wie die Coppelianer), kamen mit zwei Cover-Titeln während der Zugabe voll auf ihre Kosten. Alles in allem, kann man von der Band halten, was man mag; Witz und Abwechslung (nicht zuletzt bei den Gesängen) kommen bei den Berlinern auf jeden Fall nicht zu kurz. Da capo!