Castle Rock-82Gefühlt noch heißer startete man zur Mittagszeit in den zweiten Festivaltag. Für einen perfekten musikalischen Einstieg sorgten die sechs Musiker der Modern Metal-Band Aeverium aus Viersen. 2013 Gegründet, spielten die hochgehandelten Newcomer im Folgejahr erstmalig auf dem M’era Luna Festival in Hildesheim und überraschten dort durch eingängige Nummern und der gesanglichen Leistung ihrer beiden Frontstimmen Marcel „Chubby“ Roemer und Sängerin Aeva Maurelle. Die Frage des ersten Songtitels „Do You Remember“ beantwortete sich somit quasi von selbst, denn der Auftritt im letzten Jahr war ohne Frage unvergessen. Lückenfüller waren hier fehl am Platz – die Show riss mit, interagierte doch gerade Chubby immer wieder mit dem Publikum. Kontinuierlich ließen Songs wie „The Other Side“, „Rest In Peace“, „Break Out“ oder die abschließende Hausnummer „Heavens Burning“ die Stimmung mühelos steigen. Vlad in Tears, die nun nachfolgend auf dem Plan standen, könnte man scherzhaft als „Szene-Boyband“ titulieren, nimmt die Scharr der weiblichen, ja fast schon fanatischen Fans stetig zu. In den vergangenen Jahren war die italienische Kombo, die mittlerweile in Berlin beheimatet ist, pausenlos auf Tour. Ob Akustisch oder mit Rockshow – die Herren verstehen ihr Handwerk, was sie mit ihrem aktuellen, selbstbetitelten vierten Studioalbum von 2014 unter Beweis stellten. Stücke wie „Kiss My Soul“, „Mary“ oder „Fallen Angel“ bohrten sich wie Armors Pfeil in die Herzen der weiblichen Zuschauer, die sich schon früh am Tag die erste Reihe vor der Bühne gesichert hatten. Mit der Interpretation von Chris Isaaks „Wicked Game“ gab es sogar noch einen sehnsüchtigen Coversong auf die Ohren.

Von Wolke sieben ging es nun in die Gruft zu The Other, die Michael Bohnes wieder selbst ankündigte. Deutschlands wohl bekannteste Vertreter des Horrorpunks veröffentlichten im Juni ihr sechstes Studioalbum „Fear Itself“. Klar, dass die neuen Songs auf dem Castle Rock ausgiebig vorgestellt werden sollten. Im typischen Untoten-Look gab man brandaktuelle Castle Rock-110Nummern wie „Nie Mehr“, „Bloodsucker“, „Black Sails Against A Midnightsky“ und den Übersmasher „Dreaming Of The Devil“ zum Besten. Natürlich durften auch die Dauerbrenner „Back To The Cemetery“ und „Der Tod Steht Dir Gut“ nicht fehlen. „Ich bin kein Freund meiner Ansagen“ gab Fronter Rod Usher zu verstehen: „Den nächsten Song haben wir extra für den heutigen Tag ins Programm genommen!“ Und der Titel  passte perfekt – „Castle Rock“ vom 2010er Album „New Blood“ drückte sich wie eine bandeigene Hommage an das Festival aus den Boxen. Ein klasse Auftritt der Kölner Kombo. Eiligst wurde im Anschluss die Bühne umgebaut. Das Backdrop im Hintergrund zeigte die beiden orangefarbenen Lettern „HM“, womit nicht die Bekleidungskette gemeint war. Die Musiker der Heldmaschine sollten in bester NDH-Manier die Stimmung nachfolgend zum Kochen bringen. Das nicht nur die Sonne strahlen kann, wurde auch sogleich mit dem Song „Radioaktiv“ bewiesen, zu dem Sänger René Anlauff mit seinem stählernen Kragen und tiefer Stimme über die Bühne stolzierte. Ein Outfitwechsel gab es mit dem Titel „Doktor“. Mit großer Spritze bewaffnet sprang der Sänger in den Bühnengraben um zahlreiche Injektionen zu verabreichen. Einen viel versprechenden Ausblick auf das kommende neue Album „Lügen“ (VÖ: 21.08) lieferten die Herren mit dem Song „Kollateral“: ein stampfender Beat, brachiale Gitarrenwände zu einem eingängigen Refrain – die Mischung für den nächsten Ohrwurm war perfekt! Unaufhaltsam ging es „Weiter!“, bevor man zum Ende des Auftritts die Zuschauer um ein wenig „Propaganda“ bat. Kein Problem, war die Menge ohnehin während der gesamten Show eifrig dabei mitzuskandieren, so hallte nun auch das „Mund zu Mund“ aus zig Kehlen den Musikern auf der Bühne entgegen, die sich gemeinsam mit ihren Fahnenmädchen verabschiedeten. Heldmaschine zählten ganz klar zu den Abräumern des Tages.

Dass melancholischer Gothic Rock/ Dark Wave nicht unbedingt bei brennender Sonne und 36 Grad funktioniert, sollten dagegen die Österreicher von Whispers in the Shadow zu spüren bekommen. Im Gegensatz zum vorherigen Act wurde hier musikalisch ordentlich auf die Bremse getreten und eine Mischung aus sphärischen Synthesizern, schwermütigen Texten und eine vielschichtige Instrumentierung geboten. Mal waren es einfach nur Drumsticks oder eine Rassel, die Sänger Ashley Dayour begleitet von düsteren Synthis über seinem Mikro zum Einsatz brachte, dann wiederum seichte und wavige Gitarren-Arrangements, die einem eine gewisse Aufmerksamkeit abverlangten. Selbst zu druckvolleren Stücken wie „The Arrival“ oder „The Lost Souls“ war nur wenig Aktivität vor der Bühne zu sehen.

Castle Rock-143Für die nächste Band rückte man dann aber wieder näher zusammen. 2008 waren Staubkind das letzte Mal auf dem Castle Rock zu sehen. Seitdem ist viel passiert. Zahlreiche Charterfolge konnten eingefahren werden, die Berliner spielten an der Seite von Unheilig vor ausverkauften Stadien und erreichten somit auch weit über die Szenegrenzen hinaus neue Zuhörer, mit ihrem popgeschwängerten Alternative Rock. Dem einen zu seicht, dem anderen zu schmalzig, die Meinungen gehen weit auseinander. Auf dem Castle Rock, so muss man gestehen, sorgten Staubkind für eine mega Party, was nicht zuletzt auch an der sympathischen Art von Sänger Louis Manke lag, der anders als früher mittlerweile deutlich Selbstsicherer in Erscheinung tritt und die Zuschauer immer wieder zu kleinen Aktionen bewegte. So sprach der Sänger gleich nach den beiden ersten Nummern „Bis Ans Ende Der Welt“ und „Nur Ein Tag“:„Ihr seit noch nicht warm genug für Joachim Witt!“ und forderte im gleichen Zuge zum klatschen auf. Zum balladesken „So Still“ wurde in die Runde gefragt, wer schon eingeschlafen sei und inspiriert durch Michael Bohnes Ankündigung auf Facebook, die Zuschauer während des Festivals auf Grund der Hitze zu wässern, bewaffnete sich die Band kurzerhand mit Wasserpistolen. Immer wenn der Refrain von „Durch den Regen“ einsetzte, sollte die Wasserschlacht beginnen. Zu „Irgendwann“ wurden zwei weibliche Fans auf die Bühne geholt, die mit ihren Smartphones das Geschehen festhalten sollten und zum vorletzten Stück „Angekommen“ hüpften zahlreiche bunte Luftballons über die Hände der Zuschauer. Vor dem großen Finale bedankte sich Louis Manke für die Einladung und rief zum Schlossherrn: „Micha, auf die nächsten 20 Jahre Castle Rock!“ Mit „Wunder“ verabschiedete sich die Band dann unter kollektiven Händeschwenken und erntete beachtlichen Beifall. Alt-Meister Joachim Witt trug nun die Bürde, das 16. Castle Rock feierlich zum Ausklang zu bringen und seine Setlist ließ wahrlich keine Wünsche offen. Die Aufforderung mit dem ersten Song „Aufstehen“ kam man gerne nach und stimmte sogleich klatschend in die Nummer mit ein. „Die Erde Brennt“ und „Mein Herz“ folgten unter ausschweifenden Gestikulierungen auf dem Fuße, bevor Joachim Witt kurz und knapp das Wort ans Publikum richtete: „Hallo und guten Abend!“ Die Ansagen zwischen den Songs wirkten teilweise sehr verstörend, mal mimte Witt den tattrigen Onkel, mal den aufrüttelnden und weisen Herrn. Gespannt wurden nachfolgende Nummern wie „Es Regnet In Mir“, „Ohne Dich“ und „Gloria“ aufgesogen. Wer mit dem Hit  „Die Flut“ kurz vor 22 Uhr noch nicht vom Gelände gespült wurde, erlebte noch Zugaben wie „Supergestört Und Superversaut“, „Eisenherz“ Castle Rock-158und natürlich das Aushängeschild „Goldener Reiter“, zu welchem sich die Menge ebenfalls Textsicher zeigte. Mit „Herbergsvater“ klangen die letzten Töne aus den Boxen, die gleichzeitig für ein wenig Wehmut sorgten. Die 16. Auflage des Festivals war gefeiert, doch traurig sein muss man nicht, denn mit dem 1. – 2. Juli steht der Termin für die nächste Auflage im kommenden Jahr bereits fest.

Fazit: Das Castle Rock ist und bleibt einfach das Festival der Herzen. Hier wird friedlich Jahr um Jahr unter Gleichgesinnten, Musikern und Freunden ein Familientreffen der besonderen Art zelebriert. Alles hat seinen festen Platz, die Preise beim Eintritt, Speis und Trank sind auch weiterhin moderat gehalten und ob man nun stehen oder sitzend die Shows genießen möchte, bleibt jedem selbst überlassen. An dieser Stelle wieder einmal einen großen Dank an Michael Bohnes und sein Team, für einen reibungslosen Festivalablauf, tolle Bands und das Gefühl Zuhause zu sein.

Alle Fotos des diesjährigen Castle Rock Festivals gibt es in unserer Galerie (-> hier).