
www.betontod.de
Wenn es um ehrlichen, deutschsprachigen Punk geht, denkt man an verschiedene Größen und Namen, aber an einer Truppe ist gewiss kein Vorbeikommen: Betontod. Seit 1992 im Geschäft bieten die geborenen Deutschrocker aus dem Düsseldorfer Raum den herrschenden Obrigkeiten plakativ im imagegetreu Paroli. Als selbsterklärte Asi-Kombo begonnen, beschritten die Jungs, die kein Blatt vor den Mund nehmen, bisher einen ähnlichen Weg wie ihre Kollegen von den Broilers oder den Toten Hosen zu immer breiter werdender Öffentlichkeit und gelegentlich auch poppigeren Sounds. Auch wenn Oliver Meister und seine Jungs mit mehr Wumms und Metal in ihrem Klang arbeiten und aus ihrer Party-liebenden Art in Alkohol-Lobliedern und ihrem oft angriffslustigen wie nachdenklichen Hang keinen Hehl machen. So sitzen die Betontod-Burschen in den letzten Jahren gewissermaßen in der freien Nische zwischen Rotz & Anarchie und softeren Schären des Mainstream-Suds mit ihrem eigenen, ikonischen Sound. Schon 2014 gab man auf Facebook bekannt, man wolle nach dem überaus erfolgreichen „Entschuldigung für Nichts“ von 2012 und ihrem Live-Album „Viva Punk“ wieder zu seinen rohen Wurzeln zurückkehren und Erinnerungen an die Anfangstage wecken wollen. Allein titelmäßig geht es auf dem neuen Album „Traum von Freiheit“ ja schon mit einer politischen These los: heißt „Traum“ nun vielleicht bloße Illusion vom wirklichen Freisein? Beleuchten wir die Scheibe mal genauer und schauen, ob Betontod nach all den Jahren wieder den Weg an bekannte Ufer gefunden haben – und wenn ja, ob man auch auf dem Heimweg noch etwas Innovatives schaffen kann.
Die Platte startet mit dem rebellischen Revoluzzer-Titelsong „Traum von Freiheit“ – von den Fans gefeiert ist das subversiv-beflügelte, starke Lied im Herzen ein echter Lovesong. Mit Textstellen wie „Wir tanzen zusammen im Wasserwerferregen – dann ist das Feuer unser Bühnenlicht und das Tränengas der Nebel“ samt passendem Musikvideo besitzt das Stück einen wahnsinnig großen Ohrwurmcharakter und mausert sich nebenbei zur wohl eingängigsten Punkseelenhymne, die die Rheinberger je geschrieben haben. Während die folgenden Songs „Flügel aus Stahl“ und „Geschichte“ tatsächlich mancherorts

www.sonymusic.de
irgendwie das Brandzeichen von Heavy Metal-Bands tragen und in ihrer Anti-Kriegs-Aussage markant sind und rein narrativ schon überzeugen, gibt es mit dem zwar ordentlich temporeichen, dafür irgendwie seltsam-kurios anmutenden „Nur für eine Nacht“ dann wieder ein ernüchterndes Follow-Up: storymäßig geht es wohl um eine Fan-Affäre mit einem stalkenden Girlie, kontrastiert befremdlich die beiden ernsten Vorgänger-Stücke und kommt so deplatziert daher, dass man den Kopf schütteln will. Davon, dass das Lied von plumpen Textstellen wie „Dass du mich heute mitnimmst, darauf hab‘ ich spekuliert“ etwas ins Komische abdriftet, mal ganz abgesehen: irgendwie erinnert der Song von der Instrumentierung her stark an Rise Against, weiß durchaus zu begeistern, aber kommt konstruiert und eher wie ein Lückenfüller daher. Ein ebenso deutlicher Kontrast bahnt sich durch die zornige Couleur von Stücken wie die gelungene Lebensretrospektive „Ich bereue nichts“ und das rasante Scheißegal-Stakkato „Ihr könnt mich“ daher, auf dessen anderer Ringseite das weichgespülte „Für immer“ hockt und es sich irgendwie auf dem Gerüst einfachster Textfetzen à la „Dein Bild in meiner Hand – mein Herz explodiert“ als dümmliche post-alkoholische Melancholie-Odyssee gemütlich macht. Wobei man zugeben muss, dass das ruhige Feuerzeug-Zück-Stück mit kurzen Orchester-Einlagen bestimmt als Ganzes funktioniert, wenn man das Album in Eins durchhört.
Die ganze Platte hindurch gibt es somit ein gehöriges Niveau-Auf und ab. Auch nach mehreren Durchläufen der guten 45 Minuten samt Limited Edition-Bonustrack „Der Countdown läuft“ (am Ende als Regierungs-Abgesang und Abrechnung mit dem hiesigen Gesetzessystem aber auch irgendwie eher blass) muss man sich die Frage stellen – was hat sich geändert in den letzten drei Jahren Betontod? Einige Songs für das Lager der „die Fäuste gegen das System“-Heber, einige für die metalhungrigen Festival-Junkies, aber alles irgendwie im Kern sehr ungründlich und nachlässig abgehandelt. Denn neu ist das alles nicht: Gesellschaftskritik mit immer wieder gleichen Bildern und Szenarien, Freundschafts- und Steh‘-auf-wenn-du-am-Boden-bist-Lyrics (nett, aber leider eben auch „nur“ nett: „Kämpferherz“) und auch ständig die gleichen Reimschemata. Gab’s alles schon. Aber keine Panik: ein Untergang ist der „Traum von Freiheit“ dabei um Gottes Willen nicht. Hat aber auch nix Neues an Bord.
Fazit: Stellenweise ist die Platte schon melancholischer und frustriert-aggressiver als frühere Betontod-Platten geworden. Es fehlen eindeutig Gute Laune-Songs und Feier- & Saufklassiker à la „Glück auf“ – diese sind durch aufrührerische Punk-Antheme und gefühlvollere Stücke ersetzt worden, was das Werk aber keineswegs trügt. Dass der Ernst etwas an vorderster Front steht, muss ja nichts Negatives bedeuten. Trotzdem wünscht man sich da ab und an doch etwas tiefgründigere Texte, wenn man sich etwas erwachsener und argumentativ ernstzunehmender gibt. Texte, die eben nicht so glattgebügelt und unbeholfen daherkommen, auch wenn Punk und Deutschrock ja für seine Frei Schnauze-Attitüde, die direkte und unverschleierte Ader und eine aufs Ultimatum getriebene politische Polemik steht. Zwischen romantischem Touch und auskotzendem „Draufhau“-Lack machen es sich Betontod hingegen einfach und nehmen den Weg geringsten Widerstands: so ist mit dem aktuellen Album ein solides Werk geschaffen worden, das inhaltlich außer einigen Parolen, die sie schon auf früheren Werken von sich gegeben haben, nicht viel zu bieten hat, dafür aber mit einer Reihe funktionierender, cooler, neuer Titel aufwartet, mit massenkompatiblem Metal-Anstrich und manchmal aufblitzender Träumer-Utopie, dessen Funke sichtbar, aber dessen Essenz bloß vordergründig vorhanden ist. “Traum von Freiheit“ erschien am 27.02. über das Label Sony Music.