Dass die glorreichen Gothic Novel-Rocker von ASP mittlerweile jährlich auf kleinere Akustiktouren gehen, ist nichts Neues. Allerdings ist das Ensemble in dieser Besetzung auf den Konzerten der letztjährigen “Dunkelromantische Frühlingsnächte”-Tour zu einem eigenen Bandprojekt von Mastermind Alexander „Asp“ Spreng verschmolzen. Auch in diesem Frühjahr tourte die Truppe mit ASP-Klassikern und auch eigens für die Konzertabende mit ASPs Von Zaubererbrüdern geschriebenen Songs durch die deutschen Lande und hielt in diesem Jahr gleich für zwei Abende in der Bochumer Christuskirche. Am 25. und 26. März lud die siebenköpfige Musikerkompanie zu einem Abend wie am Lagerfeuer bei sternenklarer Nacht zu den “Zwielichtgeschichten” ein, um ihr Publikum mit ihrer traumhaften Darbietung zu begeistern, die sie aus einer unwiderstehlichen Mischung aus Folk, Unplugged-Rock und mittelalterlich anmutenden Klängen zusammengewoben haben. Am Mittwochabend zum ersten Gastspiel waren wir für euch dabei.
Ohne Vorprogramm betraten kurz nach 20 Uhr die Musiker die Bühne und man begann mit dem neuen Titelsong der Tour. Als Introitus mit Textstellen wie „Keine Macht kann sie bannen, Zwielichtgestalten / Und sie kommen, ihr nächtliches, rauschendes Fest abzuhalten“ perfekt zum Einstimmen in den inniglich-gefühlsbeschwingten Abend voll von für den Texter charakteristischer Lyrik mit fachmännischer und –fräulicher Instrumentierung. Gleich im Anschluss schwenkte der Frontmann (heute in gemütlichem Schlabber-T-Shirt) zum Gänsehaut verursachenden „Beschwörung“-Ritus um, bevor man das Publikum zur „Wanderung durch uralte Wälder, mit Ausflügen in die Stadt bei Nacht“ begrüßte. Beeindruckende neue Stücke gab das Septett hier zum Besten: in der Ballade „Der Knochenmann, das Vöglein und die Nymphe“ beispielsweise musste man sich unweigerlich an den „Schnitter Tod“ erinnert fühlen, erzählt der Song hier die Geschichte von einem Vogel, der sein Nest im skelettierten Brustkorb eines Gefallenen gebaut hat. (Ein nettes Wortspiel-Seitenhieblein ging sogleich an die beiden Damen an der Violine und am Cello, Ally Storch und Kathi Kranich beim Namen – nämlich, dass auf der Tour keine Tiere zu Schaden gekommen seien, außer vielleicht den beiden.) Und das bereits von der 2014er Tour bekannte „Rüstzeug“ kam da gewiss genauso herzerwärmend wie im letzten Jahr schon an, wie auch die Ougenweide-Hommage „BaldAnders“, die die Standarte der Mediävistik hochhielt. Die erste Konzerthälfte beinhaltete aber auch viel Althergebrachtes: so skandierte ASP früh den Sinnspruch „das Innerste geäußert“, worauf das Publikum brav die Antwort „und aufs Äußerste verinnerlicht“ zum Song „Wechselbalg“ gab – außer Rand und Band geriet man in den Kirchenreihen aber erst richtig zum „Minnelied der Incubi“, bei dem man nahezu jede Kehle im Gewölbe hören konnte. In die etwa 20-minütige Pause leitete dann das epochale „Biotopia“ ein.
Ein Highlight des Konzerts markierte das zweite Cover-Stück des Abends nach der Atempause – um dem Unrecht in dieser Welt entgegenzuwirken, dass „The Inchtabokatables“ nach ihrer „Elfjahrespause“ noch weitere 11 Jahre dranhängen wollen, wenn es überhaupt neue Aufnahmen der Berliner Truppe gibt, schenkte man dem Tourpublikum eine unter die Haut gehende Neufassung des morbiden Songs „Das Beil“. Auch einen persönlichen Wert für ASP höchst selbst schien das Spielen des Songs zu bilden, kündigte er nämlich an, die „Band mit dem schier unaussprechlichen Namen“ sei eine, die ihm sehr am Herzen liege.
Gleich im Anschluss ging ein freudiges Raunen durch das Publikum, als der Herr am Gesangspult seinen Dreispitz hervorkramte und man ihm seinen schwarzen Ledermantel umtat. Es folgten mehrere Stücke der düster-feinfühligen „Krabat“-Liederreihe, gleich zu Anfang das titelschenkende Ohrwurm-Stück selbst, bei dem ASP einige Rabenfedern in die Kirchenreihen warf. Geradezu subversive und hämische Freude zog der Herr aus der Tatsache, dass ja er in seinem Auftreten als berüchtigter, dunkler Magus beim folgenden „Denn ich bin der Meister“ selbst angepriesen wurde – und als beim obligatorischen Mitsing-Duett „Zaubererbruder“ die Stimme zum Refrain erhoben wurde, forderte der Müllersmann erst hier seine Hörerschaft zum Aufstehen auf. Die Stücke in dieser Musikerzusammenstellung mal mit Dudelsackklängen zu hören war ebenso erfrischend.
Auch in der zweiten Hälfte wieder traditionelles Liedgut: zur „Stille der Nacht“ schufen die angeknipsten, blauen Leuchtdioden im Hintergrund ein schönes Sternenhimmel-Ambiente und mit „Werben“ folgte da noch als Zugabe ein herrlich frivoles Dauerbrenner-Stück des Bandrepertoires. Zur Vorstellung aller Musiker am Ende spielten die Damen an den Streichinstrumenten die „Game of Thrones“-Titelmelodie, und bevor aber alle Besucher „spurlos verschwinden“, so der Kantor, folgte ganz zum Schluss noch als zweiter Bonus mit „The Mysterious Vanishing Of The Foremar Family“ eine wahre Schauergeschichte.
Spreng selbst steht mittlerweile seit 16 Jahren auf der Bühne und blickt auf eine lange Erfolgsstory zurück. Schon lange mimt er den Geschichtenerzähler, der mit seiner Grusellyrik einzigartige Welten erschafft – so überbrückte er auch mit seiner unvergleichlich tragenden und ausdrucksstarken Vorlesestimme die Songs mit einigen Gedichten, zum Teil wohl auch zu finden in seinem Briefroman „Der Fluch“, welcher erst kürzlich veröffentlicht wurde. Den Stil des Frankfurters kennzeichnet eine mal bezaubernd verschmitzte, mal tiefromantische Note, dann und wann wieder urkomisch, denkt man an die fluchenden Elfen aus „Wechselbalgs erstem Brief“. Neben der Tatsache, dass es in diesen Tagen einfach schon zu viele Band-Klassiker zu verzeichnen gibt, als dass jemals ein Fan mit einer Setlist zufrieden sein könnte, hielten sich an diesem Abend in der Christuskirche die bekannten Stücke und die neuen „Von Zaubererbrüdern“-Lieder die Waage. Was für die einen Fans ein spannendes Live-Erlebnis bisher nicht gekannter Stücke aus Sprengs einzigartiger Poetenfeder war, war für die anderen womöglich ein kleiner Wermutstropfen, ließ man die wohl berühmtesten Evergreens „Ich will brennen“ oder „Und wir tanzten“ (unter Anderem) außen vor. Neben den Rock- und Metal-lastigen, archetypischen ASP-Konzerten wurde der Abend in Bochum aber dennoch zu einer nicht bloß andächtigen, sondern auch hochwertig-gefühlvollen Erfahrung für alle Schäfchen von ASP.