ASP sind zurück und schmiegen sich auf ihrem neuen Album „Verfallen Folge 1: Astoria
“ mit einer Horror-Konzeptstory bei ihren Jüngern ans Ohr. Den „Fremd
-Zyklus“ mit einer Alternativ-Erzählung zu unterbrechen, die gleich als Mehrteiler angekündigt wurde, ist natürlich eine ungewöhnliche Ankündigung im Vorfeld gewesen – andererseits ist es ja nichts Neues, dass bei ASP die Erzählfäden mal liegengelassen und mal wieder an anderer Stelle weitergesponnen werden. Als Motiv des Albums bot sich das seit Jahrzehnten leerstehende Hotel Astoria in Leipzig an, zu dem der in Fantasy- und Grusel-Literatur-Kreisen bekannte Kai Meyer die Kurzgeschichte „Das Fleisch der Vielen“ verfasste, die beim Schreiben für Alexander Spreng inspirativer Pate war. Begleitend zum Release begann auch die diesjährige „Verfallen“-Tour – und wie schon auf vergangenen Konzertreisen der Band erkor man wieder die Turbinenhalle in Oberhausen zum Ziel des Konvois auch in diesem Jahr. Am Mittwoch, 28.10., wandelte der Großmeister als kreativer Kopf der Gothic Rock-Hausnummer ASP die Halle zu seiner Pilgerstätte. Hier erfahrt hier, wie es dort gewesen ist.
Im Vorprogramm gab es auf der Tour zunächst Spielbann zu sehen, die derzeit von Herrn Spreng ordentlich promotet und mitproduziert werden – nicht umsonst sind die Spuren auf dem neuen Album „In Gedenken
“ überall zu sehen, in den
Lyrics, im Artwork, im Gesamt-Apparel: überall sind Einflüsse von ASP zu finden, ohne aber gleichsam als Abklatsch zu wirken. Anders als beim Solo-Gesangs-Hauptact singen hier Fronterin Nic Frost und männlicher Gegenpart Seb Storm im Duett. Mit der „Auferstehung“ beeindruckten die Dame und die Herren zuerst, welcher auch nach dem Intro ihr neues Album einleitet. Große Begeisterung schallte aus dem Publikum der Düsterrock-Combo aus dem Saarland entgegen,
während die ungestümen Power-Newcomer mit der „Zauberlehrling“-Abwandlung „Die Geister, die ich rief“ und dem weit aggressiveren und Metal-lastigeren „Gottesknecht“ beeindruckten. Interessanterweise wollte die Background-Stimme des Gitarristen Lias sogar noch besser mit der rauen Kehle des Frontmanns harmonieren als die von Madame Frost – aber gerade dieser Gegensatz von verroht und sanft ist im Grunde ein interessantes Stilmittel. Am Ende folgte noch der Reißer „Bestie deiner Welt“, und damit war der knapp vierzigminütige Einheizer-Auftakt schon vorüber. Spielbann dankten ASP für dessen Unterstützung und für die Möglichkeit, ihre Musik vor so breitem Publikum vorstellen zu dürfen (ich glaube vor der Tour kannten nur die Wenigsten die Fünfe, und Mr. Storm betonte auch, dass dieser Abend in der Turbinenhalle 2 wohl bisher ihr größter Gig war), bevor es dunkel zum Umbau wurde. Die Bilder von Spielbann in Oberhausen gibt es in unserer Galerie (-> hier).
Wenig später löschte man die Lichter und Maestro ASP samt Band traten auf die Stage. Die Intro-Melodei war entfernt vom Gitarren-Riff aus dem Requiembryo-Song „Offährte“ entlehnt – und trotz der Tatsache, dass die „Verfallen“-Tour den Release des neuen Albums zum Anlass hatte, begann das Set nicht etwa mit den brandneuen Stücken, sondern mit dem Aufwärm-Klassiker „Wechselbalg“, zu dem das Publikum von erster Minute an seine Textsicherheit auf den Prüfstand stellen durfte: zum „Das Innerste geäußert, und aufs Äußerste verinnerlicht“-Chor stimmten alle im Saal gemeinsam ein, ein perfekter Start. Über das sensible „Kokon“ aus frühen Tagen ging es dann zum Opener von „Verfallen – Folge 1: Astoria“, „Himmel und Hölle (Kreuzweg)“, bei dem durch das warnende „Vorsicht… Kreuzweg!“-Mantra schon eine schaurige Stimmung aufkam. Der routinierte Frontmann (neuerdings mal wieder mit etwas mehr Haaren auf dem Kopf) begrüßte artig seine Hörerschaft mit den üblichen Worten „Ihr schönen, schönen Menschen“ und leitete dabei gekonnt von Song zu Song über, indem er immer wieder einige Schlüsselbegriffe nannte, die den Groschen für den nächsten Punkt in der Songliste bei jedem in der Turbinenhalle schnell fallen ließen. Nach dem schwarzromantischen und wunderschönen „Krabat“ (warum eigentlich so früh schon?) folgte eine Song-Phase des Neuwerks: „Souvenir, Souvenir“, Titelsong „Astoria verfallen“ und der ruhige Riese „Loreley“, die live ganz im Sinne des Erfinders funktionierten – mitreißend, beklemmend und wunderschön dabei. Das Bühnenbild samt Schädelportrait-Tourbanner im Background, mal nebelverhangen, mal nur schemenhaft zu sehen, rief zudem einen grotesken Schauer hervor. Sehr schön vor allem auch das rasante „How far would you go? (The 6th of September)“ und das bisher nicht live gehörte „Sündige Heilige“ von der Retrospektive zum 15-jährigen Jubiläum „Per Aspera Ad Aspera“ von letztem Jahr. Die Highlights der Show markierten aber wohl (neben den obligatorischen ASP-Evergreens „Und wir tanzen (Ungeschickte Liebesbriefe)“ oder das verspielte „Werben“, zu denen ein jeder lauthals mitsingen und ausgelassen tanzen konnte und das auch ungeniert tat) „Schneefall in der Hölle“, in seinem Naturell zart und ruhig, zu dem auch noch einmal Spielbann-Sängerin Nic Frost zu einem Duett auf die Bühne trat, sowie die Gothic-Hymne „Schwarzes Blut“ mit dem kraftvollen und hasserfüllten „Vorwärts – abwärts“-Fanal. Zur ersten Zugabe dann eine kleine Rede in politischem Sinne: in diesen Tagen mehr denn je, so ASP himself, wiegt die ideologische Bedeutung des Stücks „Ich bin ein wahrer Satan“: gleichzeitig ein Vor-Augen-Führen der eigenen Verklärtheit und lyrisch hochwertig verpackte Kampfansage gegen Rechts. Schade bloß, dass der Song im ruhigen Text-Stakkato am Ende des zweiten Songdrittels ordentlich gekürzt wurde – aber besser ein
wenig cutten, als dass ein Song weniger gespielt worden wäre. Nach dem feurigen „Ich will brennen“ verließen die Frankfurter noch einmal die Stage, um sich zu „Rücken an Rücken“ (natürlich folgten alle im Saal der Aufforderung, der Band ihren Rücken zuzukehren) und dem Versprechen, sich bald oder gar im nächsten Jahr wiederzusehen noch ein zweites Mal zu einem Encore bitten zu lassen. Mit dem gewitzten „Fortsetzung folgt“ endete das Konzert (wurde das Stück eigentlich als Rausschmeißer konzipiert? Muss wohl).
Fazit: ASP werden und werden nicht müde. Den Anhängern der Schwarzen Szene wurde an diesem Abend mal wieder ein unvergesslich schöner Abend geschenkt, mit bekannten Klassikern und neuen Perlen im Programm auf der Bühne. Schade zwar, dass ausgerechnet ein Mittwoch-Abend-Termin für den Ruhrpott-Stopp der diesjährigen ASP-Tour gewählt wurde, aber nur am Wochenende auf Konzertreise zu gehen ist ja leider auch nicht realisierbar. Spielbann als Vorband präsentierten sich interessant und vielseitig, sind stilistisch sogar wie ein kleiner Ableger von Alexander Sprengs Main-Projekt zu sehen, halten aber textlich nicht ganz so viel Schwarzgold parat wie ASP, wirken stellenweise gar etwas zu bekannt. Böse Zungen würden von ‚zusammengeklauten‘ Metaphern sprechen. Und doch: beeindruckend lässig gingen sie ihre Bürde an, im Support-Programm der Gothic Novel Rock-Weltmacht mit drei Buchstaben zu spielen. Man darf gespannt sein, wohin die Reise des Quintetts gehen mag. Das neue Songmaterial von ASPs „Astoria“-Konzeptalbum wusste definitiv live zu überzeugen, auch wenn es schon etwas schade um die exzellenten, aber nicht gespielten „Dro[eh]nen aus dem rostigen Kellerherzen“ (wohl ein viel zu langer Gigas) oder die „Zwischentöne“-Songs war. Gerne wieder, und zwar bald, Herr Spreng! Ach, man vergesse bitte auch nicht die kleine Schelte gegen die Konzertlocation (die anscheinend trotzdem immer wieder neu angesteuert wird): Oh, Turbinenhalle! Die du doch klingst, als würde man mit Blechdosen auf den Ohren in einer Kathedrale singen!“