Alexander Spreng und sein Brain Child ASP waren im März und April wieder auf ganz besonderer Tour durch die deutschen Lande: Unter dem Motto „Rar und pur“ fand die diesjährige Frühjahrs-Tour „Intimus“ statt – ähnlich wie es bereits auf der Jubiläumskonzertreise der Fall war. Anstatt jedoch Shows zu spielen, bei denen an einem Tag ein reguläres Rock-Set und an einem zweiten Termin ein Akustik-Set präsentiert wurden, mixte der Goth-Virtuose diesmal beide Stilistika in einem abendfüllenden Programm mit Stücken, die sonst eher seltener ein Plätzchen in der Song-Liste der Band finden. Dabei gab das Konzept aber weit mehr her als ein Erlebnis „irgendwo zwischen Unplugged und angezogener Rock-Handbremse“, wie die Band die Tour offiziell bewarb: Vielmehr präsentierten ASP und sein Ensemble während der Tour hier ein ausgewähltes Best of ihrer Musik und entlockten ihren Stücken dabei ganz neue Facetten – so geschehen auch beim finalen und einzigen bestuhlten Gig in der Historischen Stadthalle Wuppertal in einmaligem Setting.

ASP-10Ganz ohne eine Band im Vorprogramm schlossen sich wie bei einer Theateraufführung gegen 20 Uhr die Pforten des prunkvollen Saals und man startete mit dem intensiven und eindringlichen „De Profundis“ in den Abend, ehe es mit „Wechselbalg“ einen ersten rockigen Einstand mit einem fleischgewordenen Klassiker gab. Trotz der Tatsache, dass der Frontmann mehrfach betonen musste, dass es ein seltsames Gefühl sei nach den ganzen gespielten Shows der letzten Wochen nun vor sitzendem Publikum zu spielen, war das Gesamtbild der Gothic Novel Rocker jedoch keineswegs müde oder weniger eindrucksvoll – und auch für die Band war es mit Sicherheit nicht so, als wären die Wuppertaler Zuhörer nicht voll dabei gewesen. Richtig zum Stehen und Tanzen kam man allerdings erst im späteren Show-Verlauf.

Dass die Setlist der „Intimus“-Konzerte ganz besonderer Natur war, merkte man bereits an den folgenden Stücken, die ASP damit einleitete, dass man nach so vielen Jahren schon manchmal ins Grübeln kommt – Fragen wie „wer begleitet dich“ oder „wo geht es noch hin“ passen hervorragend zum Song „Die vielen Jahre“ der „Per aspera ad aspera“-Compilation, der „Aufbruchsstimmung“, welcher zu den „Astoria“-Touren nie gespielt wurde oder dem doch recht betagten „Duett“-Bonustrack „Du bist nie allein“ des 2004er Re-Releases – so erhielten die Besucher der aktuellen Konzerte das Wörtchen „Rar“ bei der Losung der Konzertreihe schon einmal ganz deutlich als Brandmal aufgedrückt, und das noch mit extrem guter Qualität: Nicht nur dürfte es eine Wonne gewesen sein, die Songs überhaupt einmal live präsentiert zu bekommen, auch bekam man schnell das Gefühl, Teil von etwas ganz Besonderem zu sein, der spruchreifen „magischen Verbindung“, die bei ASP immer angepriesen wird, und selbstredend auch Zeuge einer Show, wie es sie so schnell mit Sicherheit nicht mehr geben wird. Und das, obschon die in die Länge gezogene Stadthalle dafür sorgte, dass es bei denjenigen in den hinteren Reihen wohl kaum „intim“ werden konnte.

Wer den englischsprachigen Songs von ASP zugetan ist, den wird vor allem gefreut haben, auch mal wieder „Me“ und „Hunger“ lauschen zu dürfen, auch der ewig-lange Fan-Geheimtipp „Varieté Obscur“, damals zur Veröffentlichung des gleichnamigen Graphic Novel verfasst, sorgte für zufriedene Gesichter in den Stuhlreihen. Etwas ironisch klappte ASP hier sein Gesangbuch auf und rügte den Schreiberling „solch langer Songtexte“ und damit sich selbst ein wenig – tatsächlich ist der Song in voller, sogar erweiterter Länge mit einem Mammut-Textblock ausgestattet, aber womöglich macht genau das den Charme des zunächst sehr langsamen Stücks aus. Nach den erneuten ASP-Perlen „Der Strom“ -den Besuchern der letztjährigen „GeistErfahrer“-Tour zum Album-Re-Release noch bestens im Gedächtnis-, sowie „Schwarzer Schmetterling“ -dem Prototypen in der Urversion- folgte ein kleiner Blick in die Zukunft: Für Herbst sind ja bereits weitere Tour-Termine von ASP angekündigt, welche in Zusammenhang mit einem neuen Album stünden; so leitete der Maestro ein und schon ging ein Raunen durch den Saal. Mit „20.000 Meilen“ wurde auch gleich ein textlich anspruchsvoller und hochinteressanter neuer Track vorgestellt, der mit einer ganzen Kaskade von verschiedenen Refrains aufwarten kann, die in Haut und Hirn fahren – und der Fan-Jubel war gigantisch.ASP-9

Nach „Souvenir, Souvenir“ deutete man allerdings auch schon an, langsam aber sicher auf das Konzertende zu zugehen – und nach der folgenden etwas entfremdeten „Finger Weg! Finger“-Interpretation, zu der es kaum noch einen auf seinen vier Buchstaben hielt, blieben zu den finalen Songs auch alle Besucher stehen und feierten ausgelassen mit „Rücken an Rücken“ (hier natürlich obligatorisch der Bühne abgewandt) und dem Evergreen „Werben“, welches von Lead-Gitarrist Sören Jordan mit reinem, beeindruckendem Gitarrenspiel angestimmt wurde. Nach kurzer Verabschiedung beendeten ASP den Gig schlussendlich mit dem starken „Requiembryo“-Hit „Nie mehr“, ehe es auf die ausgiebige Signing-Session samt Meet & Greet zuging.

Fazit: „Nicht so viel Bescheidenheit!“ kann man ASP nur zurufen, wenn man in den Dankesworten am Ende des Gigs plötzlich den Satz hört, man sei happy, dass die gespielten Songs genauso gefeiert wurden, als wären es „die absoluten Superhits“. Klar – jemand, der ASP zum ersten Mal an diesem Abend live gesehen hat, könnte die Abwesenheit so vieler wichtiger, bekannter Classics der Band bemängeln – kein „Ich will brennen“, keine Stücke vom beliebten „Krabat“-Zyklus, kein „Und wir tanzen (Ungeschickte Liebesbriefe)“. Doch die Gelegenheit, so viele Stücke als Live-Premiere, so viele heimliche Edelsteine in der Diskographie von ASP und so viele wirklich selten gespielte Songs zu erleben, noch dazu in dieser einmaligen Kulisse, das dürfte den Abend für nicht wenige Besucher zu einem ganz unvergesslichen Event gemacht haben. ASP präsentierten sich dabei auf gewohnt hohem Niveau mit einer tollen Spezial-Show und blieben keineswegs hinter den Erwartungen an die „Intimus“-Show zurück. Schade nur, dass eine geplante Aufzeichnung des Konzerts bereits früh gecancelt wurde. Wir sind bereit und freuen uns aber schon auf den Herbst mit weiterem neuen Material, von dem ASP schon jetzt versprochen hat, auf der zugehörigen Tour würde so richtig die Sau rausgelassen.
Den berauschenden Abend in Wuppertal haben wir natürlich auch in Bildern festgehalten. Alle Fotos gibt es wie immer in unserer Galerie (-> hier entlang).