Stillstand ist bekanntlich nur etwas für brave Soldaten und nichts für die Altmeister der Electronic Body Music-Szene And One. Die vier Herren um Mastermind Steve Naghavi hatten erst letztes Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum – 2014 gab es in diesem Zuge die „And One Forever“-Tour, bei der mit über 3-stündigen Setlisten alle Rahmen gesprengt wurden. In diesem Frühjahr soll nun das aktuelle „Trilogie I“ live vorgestellt werden. Auftakt der „Supershow-Konzertreise“ war am Sonntag, den 15.03., in der Kölner Live Music Hall. Dass den Jungs noch immer nicht die Puste ausgeht, haben sie mit ihrem neuen Songmaterial unter Beweis gestellt.
Los ging’s um sieben mit der Vorband „Beyond Obsession“. Das Trio aus dem Nordosten Deutschlands konnte durch die Genre-Nähe zwar einen Teil des Publikums für sich gewinnen, verebbte aber in der Erwartungshaltung der eingefleischten And One-Jünger. Songs wie die Debüt-Single „On My Way“ oder „Black White Hearts“ vom neuen Album „Pieces of Machinery“, welches am 03.04. erscheint, ließen jedoch erahnen, dass And One sich ihren Support nicht bloß wegen Frontmann Nils‘ weißer Doc Martens ausgesucht haben. Immerhin ließen die Jungs schon als Open-Air-Vorhut von Camouflage von sich hören. In Kritiken sagte man Beyond Obsession zuweilen zwar mangelnde Kreativität nach – aber die Mithilfe von Sound-Engineer Ken Porter, der beim Mixing und Mastering Hand anlegte, zeugt zumindest von klanglicher Zielstrebigkeit. Alles in Allem eine durchaus solide halbe Stunde mit Luft nach oben.
Kurz nach 20 Uhr standen dann die Berliner um den extrovertierten Naghavi auf der Bühne. Der eröffnende „An Alle Krieger!“-Rap fing das Kölner Publikum sofort – und kein Song hätte And Ones Bühnen-Einmarsch besser

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unterstreichen können! Nach herzerwärmender Begrüßung des Auditoriums legte die Frohnatur am Mikro schon nach dem zweiten Song „Wasted“ mit seinem Witz-Stakkato und kündigte an, die heutige Show würde ein 7 ½-stündiges Programm aufweisen, nur um gleich nachzulegen: „nur Spaß, das hier ist der letzte Song“. Aus der Tatsache, dass die „Trilogie I“-Show an diesem Abend tatsächlich eine ordentliche Länge von über zweieinhalb Stunden haben würde, machten And One keinen Hehl und performten ihre vollgepackte Show gänzlich unbeirrbar. In der Live Music Hall ragte die Bühne dann obendrein laufsteggleich ein paar Meter ins Publikum hinein – sehr zur Freude des eigens aus Kanada angereisten AO-Fanblocks. Abwechslung gab es somit en masse: Wechsel von neuen Stücken zu Klassikern, von eher gediegenen, ruhigen Songs wie „Stand The Pain“ über Lovesongs wie „Love Is Always On Your Side“ bis zu elektronisch-tanzbarer Verzückung wie „Metalhammer“. Vom gekonnten Changieren im englisch-deutschen Songrepertoire der ausgedehnten Diskografie der Truppe mal ganz zu schweigen. Die deutschsprachigen Dauerbrenner „Krieger“ und „Traumfrau“ quittierte das Publikum mit großer Begeisterung, auch das selig-getragene, neue „Unter Meiner Uniform“ fand zahllose Mitsingende im Saal. Nicht zu vergessen das starke und basslastige „Killing The Mercy“ oder das skurrile „Shice Guy“ mitsamt Heimorgel-Einlagen. Als Special servierten die Berliner ein Project Pitchfork-Cover vom intensiven „Timekiller“ und eine Electro-Adaption von The Cures „Walk“. Selbst ein Mikrofontausch war zu verzeichnen: etwa zur Hälfte des Konzertabends gab Naghavi an, er bräuchte eine Pause und schickte Schlagwerker Joke Jay für den harmonisch-einträchtigen Dauerbrenner-Song „High“ an die Front, den es so auf keinem Album und nur live als Schmankerl gibt.
Nach sehr kurzweiligen zwei Stunden dann die Ansage des „letzten Stücks“ – was nur bedeutete, dass noch ein ganzer Haufen an Zugaben auf das EBM-hungrige & -schmachtende Köln wartete. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. So gab es gleichwohl auch eine Ironie-Salve ins eigene Knie zu verzeichnen: so mahnte Krawatten- und Anzugträger Naghavi zum „Tanz der Arroganz“ vom 1993er „Spot“-Album in Richtung ermüdender Zuschauer an, ihn jetzt keinesfalls alleine zu lassen, bloß weil „eh alle And One-Songs gleich klingen“. Mit der anschließenden NDW-Reminiszenz „U-Boot-Krieg in Ostberlin“ verdrängte man die 90er-Vibes gleich wieder und mit der Porno-Industrie-Ballade „So klingt Liebe“ stellten die Jungs nochmal alle Stimmen im Saal auf die Probe. Da wurde dann sogar der sonst so toughe Naghavi sentimental, waren die neun Jahre seit Release des „Bodypop“-Albums doch förmlich im Zeitraffer vorüber gezogen. Nach „Second Voice“ versprach der Mann am Mikro der johlenden Masse dahingehend sogar, Tourneen bis in alle Ewigkeit in Köln starten zu lassen. Tosender Beifall.
Zur finalen Konzertetappe gab es noch die zwei treibenden Stücke „Back Home“ und den „Flop!“-And One-Erkennungssong „Techno Man“, bevor Naghavi zur „Military Fashion Show“ noch seine zwei Wadenpflaster als „Kriegsverletzungen“ präsentierte, die er sich während der Show wohl selbst zugefügt haben musste, und dafür eine Runde Mitleid vom Saal einheimste. Dann folgte „Shouts of Joy“ als fulminantes Finish. Nach einem scherzhaft angespielten John Lennon-„Imagine“ folgte ein Kurz-A Cappella des bis dahin unberücksichtigten „Nordhausen“. Die Publikumsrufe anderer Songwünsche beachtete Naghavi nur zum Teil- am jähen Ende musste es ja das obligatorische „Pimmelmann“ noch geben. War ja klar.
So entließen die Veteranen der deutschen EBM- und Electro-Pop-Musik ihre Gäste an diesem Abend mit Erinnerungen an eine prall gefüllte, über zweieinhalb Stunden messende Show. Wenn auch bei einer so immensen Songvielfalt immer einige Stücke auf der Strecke bleiben: man darf nicht das Partnerstädte-Konzept der diesjährigen Tour vergessen, bei der hier in Köln nur die „Setlist A“ gespielt wurde, in der Oberhausener Show am 24.04. hingegen eine ominöse „Setlist B“. Fans dürfen gespannt sein! Kurzum: eine durch und durch gelungene Show war die in der Kölner LMH alle mal – Synthie-Pop in Perfektion, voller Emotion und mit sensibler Grazie. Hut ab, Naghavi & Konsorten!