Die Anhängerschaft des größten Gothic-Festivals im Rheinland erfreute sich am Wochenende des 23. und 24. Juli am Kölner Tanzbrunnen wieder eines ganz besonderen Programms: Das Amphi Festival fand zum verheißungsvollen 13. Mal statt und fand nach der 2015er Affäre mit der Lanxess Arena wieder an der angestammten und beliebten Location statt. Erneut war das Aufgebot mit großen Hochkarätern gespickt: Durften sich die Festivalbesucher am Samstag u.a. an Auftritten der englisch-irischen Future Pop-Combo VNV Nation oder Industrial-Klängen von den Krupps erfreuen, legte am Sonntag Alexander Wesselskys Eisbrecher an und es heizten u.a. Combichrist, um Andy LaPlegua ein. Lest hier unseren gesamten Event-Bericht.

Bei schwülen Temperaturen und nur wenigen Wolkenmassen, die sich hin und wieder vor die Sonne schoben, machten sich die Szene-Anhänger über die öffentlichen Verkehrsmittel oder den großen Messe-Parkplatz im Stadtteil Deutz auf den Weg zum Gelände, holten ihr diesjähriges Festival-Bändchen ab (dieses Jahr, als hätten sich die großen Szene-Festivals im Metal- und Gothic-Bereich abgesprochen, ebenfalls in blauen Tarnfarben) und betraten das Gelände zum dreizehnten Amphi-Aufspiel. Pünktlich um 11.00 eröffneten Empathy Test auf der Hauptbühne das Festival. Ihr Auftritt konnte sich durchaus sehen lassen und es verwunderte kaum, dass das Infield schon zu dieser Zeit ganz gut besucht war. Da Gäste über den gesamten Vor- und Nachmittag zum Festival-Ground strömten, wurde es bei den Gigs von Eisfabrik und Chrom, welche den Besuchern schon früh am Tag ihr fulminantes Programm vorstellten, zusehends voller vor der Mainstage. Eisfabrik, bekannt für Schneekanonen und tanzende Eisbären und Yetis, ließen definitiv etwas von ihrer eiskalten „Coolness“ überspringen – vor allem mit ihren herausragenden Songs „Hell Is Made Of Ice“ oder „Walking Towards The Sun“. Auch ein neues Album soll in den Startlöchern stecken, so Dr. Schnee, Der Frost und Celsius.

Konnten Tanzwut im Folgenden als einziger richtiger mittelalterlich beeinflusster Act des Festivals eine große Menge vor der Hauptbühne versammeln und auf Geheiß von Frontmann Teufel dem Publikum das „müde Fleisch zwischen den Schenkeln zur Auferstehung“ bringen, so zog es manch andere Besucher eher in die Theater Stage zu FabrikC und Torul. Während die mediävalen Metaller Klassiker wie „Brüder im Geiste“, „Meer“ oder „Freitag der 13.“ präsentierten, ging es im prall gefüllten Indoor-Bereich mit melancholischeren und vor allem ruhigeren Tönen von statten. Nicht wenige auf dem Gelände ergriffen zwischendurch die Gelegenheit die vielen Händlerstände von u.a. Queen of Darkness, Out of Line oder Abaddon zu inspizieren, die diversen Essens- und Getränkestände aufzusuchen oder vom Strandbereich aus einen Blick auf den Rhein zu werfen.

Für eine logistische Herausforderung sorgte die Tatsache, dass der Pegel des Kölner Wassers zum Zeitpunkt des Festivals derart niedrig war, dass die MS RheinEnergie, sonst Veranstaltungsstätte der Orbit Stage, nicht wie im letzten Jahr in der Nähe des Haupteingangs anlegen konnte, sondern jenseits des Rheins auf Höhe des Heumarkts anlegen musste. Beim guten Wetter nahmen manche Amphi-Gänger zwar den Fußweg auf sich, doch die Veranstalter organisierten kurzerhand große Reisebusse, welche im 10-Minuten-Takt die Strecke befuhren und die Besucher so von Stage zu Stage brachten. Die gecharterten, roten Busse werden normalerweise für Städtebesichtigungen genutzt – und so hatte man auch beim Hin- und Herpendeln vom oberen Stockwerk einen herrlichen Blick auf die Rheinkulisse. Trotzdem mag die Entfernung der Stages durchaus dazu geführt haben, dass sich manche Festival-Besucher den Gang zur Orbit Stage an diesem oder am zweiten Tag gar komplett geschenkt haben, auch wenn mit allergrößtem Verständnis und ohne großen Ärger auf die Änderung reagiert wurde. Höhere Gewalt eben! Doch der Besuch lohnte sich alle mal: Highlights waren auf alle Fälle Esben And The Witch und der Clan of Xymox. Die britische Post- und Gothic Rock-Combo um die charismatische Sängerin Rachel Davies sorgte mit ihrem außergewöhnlich intensiven Auftritt für großes Aufsehen, und auch die Veteranen der 80er lockten nicht wenige zum Schiff. Währenddessen rockten auf der Mainstage Lord of the Lost und im Theater wurde das Licht noch weiter für Kite gedimmt. Kam man aus dem zwischenzeitlich hervorbrechenden Sonnenschein zu der extravaganteren Performance nach drinnen, musste man mehr als einmal blinzeln, um zu erkennen, ob dort überhaupt jemand auf der Bühne stand. 

Nachtmahr versammelten derweil mit ihrer Military Industrial-Show ihre Anhängerschaft in der Theater Stage, für welche man sich ob der Menge an Menschen lange anstellen musste, um überhaupt das kleine Rondell betreten zu können – zum Unmut der Fans, für die die Band eigentlich ein Tages-Highlight darstellte. An dieser Stelle auch noch einmal gute Besserung an Henric de la Cour, der den Auftritt beim Amphi auf der Orbit Stage dieses Jahr gehandicapt bestritt – zuerst munkelte man es im VNV Nation-12Publikum, später auch noch einmal offiziell die Nachricht, dass der schwedische Musiker noch an den Folgen einer Blutvergiftung leidet. Hut ab für diesen trotzdem sehr energischen Set!
Die Fans von elektronischen und derben Klängen blieben nach Nachtmahr direkt vor Ort im Theater, um den Auftritt von Die Krupps mitzuerleben, welche mit einem guten Mix aus Alt und Neu aufwarten konnten. Zwischen „To the Hilt“ und „Metal Machine Music“ gab es mit „Kaltes Herz“ oder dem martialen „Nazis auf Speed“ auch die Fan-Lieblinge der letzten Alben, welche nach langer Abstinenz veröffentlicht wurden. An der Hauptstage standen am Abend noch Diary of Dreams und Fields of the Nephilim an (denen man durchaus vorwerfen kann, seit Jahren immer wieder mit gleichem Song-Set aufzutreten), bevor Ronan Harris mit VNV Nation auf der Headliner-Position den Tanzbrunnen nicht nur in bunte Lichter tünchte, sondern auch den Besuchern einen rauschhaften und mitreißenden Ausklang für den ersten Tag bescherte.