Wo Licht ist, existiert auch Schatten. Auch wenn das Licht die dunklen und geheimnisvollen Flecken etwas in den Hintergrund rücken lässt, sind sie immer da. Dort irgendwo verbergen sich auch die vier Nürnberger von Schattenmann, die nun mit ihrem Debütalbum groß durchstarten wollen. Seit Ende 2016 existiert das Quartett erst, aber schon jetzt ist klar: Da kommt was Großes auf uns zu!
Das Album der Schattenmänner erscheint am 02.03. via Drakkar Entertainment und trägt den passenden Titel „Licht An„. Es beinhaltet 13 Tracks, die eine Mixtur aus Neuer Deutschen Härte und Gothic verspricht. Schon im vergangenen Jahr konnte sich Schattenmann auf kleineren Events live präsentieren und erste Songs vorstellen. Mit den beiden Videos zu „Generation Sex“ und „Brennendes Eis“ gab es dann in diesem Jahr die ersten Vorgeschmäcker für zu Hause. Während ersteres gemischte Gefühle bei den Fans hervorrief, konnte das Video zu „Brennendes Eis“ deutlich eher punkten. Nun gibt es ab morgen alle Songs auch auf CD und wir sagen euch hier in dieser Rezension, ob sich das Album lohnt.

Das Album beginnt mit geheimnisvollen Synthesizern und dem Titeltrack „Licht An“, das einen sofort auf der CD willkommen heißt. Beißende Gitarren und rauer Gesang von Frank Herzig (ehemals Stahlmann) begrüßen den Zuhörer mit klaren und ehrlichen Sounds. Besonders der Refrain, der hart und tanzbar gestaltet ist, bereitet einen auf das vor, was der Silberling noch zu bieten hat. Es wird knallhart, schamlos ehrlich, geheimnisvoll und vielleicht auch ein bisschen gefährlich. Denn niemand kann sich vor dem Schattenmann verstecken, selbst wenn das Licht an ist. Gleich im Anschluss dröhnen die ersten Töne von „Brennendes Eis“ aus den Lautsprechern. Zuerst bestechen wieder elektronische Klänge, bis die harten Gitarrenriffs einsetzen. Nach einem kurzen Intro fügt sich auch der beinahe geshoutete Gesang dazu ein. Das Lied wirkt dabei aber keineswegs aggressiv, sondern geradezu harmonisch und melodiös, während sich die Synthies und die Gitarren in den Gehörgang hämmern. Erzählt wird die Geschichte eines Paares, das sich zerstreitet, um dann doch den letzten Tanz auf der dünnen Fläche ihrer emotionalen Eisfläche zu wagen und sich wieder näher zukommen. Sowohl Gesang als auch Melodie sind dabei so eingängig, dass der Song direkt Ohrwurmcharakter entwickelt.
Nach den aufwühlenden Tönen der ersten beiden Songs, geht es zu den sanften Klängen von „Gekentert“ über. Hier dominieren keine harten Gitarren, obwohl diese auch ab und an zum Einsatz kommen. Vielmehr wird der ruhige Gesang von leichten Beats untermalt, um eine entspannte Atmosphäre zu liefern. Erst im Refrain erlangt der Song eine gewisse Aggressivität, doch passt diese Symbiose zur Thematik des Tracks beinahe perfekt. Es scheint wieder um die Liebe zu gehen, an der jemand scheitert, oder symbolisch gesprochen: an der jemand kentert. Aber das Problem an dieser Liebe ist, dass man nur von dem Verursacher selbst gerettet werden kann, ohne dass man etwas dagegen tun könnte. Auf Grund der ruhigen Sequenzen kann man fast schon von einer Rockballade sprechen. Aber eben auch nur fast. Ähnlich ruhig geht es dann über zu „Zahn der Zeit“ und man fühlt sich wie in einer melancholischen Ruhezohne des Albums. Dieser Track bleibt sogar auf der vollen Länge ruhig und nimmt kaum Fahrt auf. Im Vergleich zu anderen Songs, ist dieser zwar musikalisch zum Ausruhen, aber textlich eher zum Nachdenken. Die Erde dreht sich viel zu schnell, am Ende verliert man alles und bevor man bereut, was man verloren hat, sollte man schon während des Lebens gewisse Dinge viel mehr schätzen. Der Zahn der Zeit nagt nämlich an uns allen, doch kann er uns auch einiges schenken, bevor er uns das Herz bricht.

Wie ein Weckruf nach den langsameren Stücken knallt dann das Intro von „Amok“ durch die Boxen. Eine Sirene und kurze, harte Riffs untermalen die Gefahr des Songs. Mit inhaltlich passenden musikalisch ruhigen Interludien vor den Refrains wird das Auf und Ab der emotionalen Lage eines Amokläufers dargestellt. Der Amoklauf an sich wird hier wie ein Rausch beschrieben, wie eine Aggression, die sich entlädt und in der man Frieden findet. Ein Thema, was heutzutage durchaus bewegt. Ähnlich dem nächsten Track „Generation Sex“. Auch wenn dieser Song in eine ganz andere Richtung geht, ist doch die gesellschaftskritische Note durchaus ebenso spürbar. In der heutigen Welt geht es hauptsächlich um Gewalt und Sex. In der Öffentlichkeit profiliert sich jeder als Superhengst und wer auf Blümchensex steht, fällt in der Gesellschaft heute viel mehr auf. Denn extrem ist nun mal die Norm geworden. Ein Song, der besonders durch die gesungenen Zeilen eines Kindes aufrüttelt. Alles scheint sich heutzutage um Sex zu drehen und die Generation, die aktuell unter diesem Einfluss aufwächst, hat keine Chance dieser Sexualisierung zu entkommen. Untermalt wird dies durch harte Gitarren und schonungslosen Gesang. Der Text besteht dabei hauptsächlich durch die Aufzählung von ‚extremen‘ Sexpraktiken.
Ein wiederum weniger angenehmes Thema kommt mit „9mm“ auf. Mit schnellen Drums und jaulenden Gitarren erzählt der Track von einem Betrogenen, der sich mit 9mm, also einer Pistolenkugel, an seinen Peinigern rächt. Musikalisch und inhaltlich fügt sich dieser Song in den Block der aggressiven Themen ein und bildet eine Brücke über die einzelnen Lieder hinweg. Vom Amoklauf über den überdurchschnittlichen Sexkonsum zur Rache durch Gewalt. In „9mm“ wird eine kaltblütige Ader nicht nur durch aggressive Formulierungen, sondern auch durch den Gruß, man würde sich in der Hölle wieder sehen, und ein fast dämonisches Lachen zum Ausdruck gebracht. Zwischen den Zeilen gelesen, kann man neben der Aggressivität aber auch Kritik heraushören. Der Betrug von Personen anderen gegenüber scheint in der heutigen Gesellschaft normal geworden zu sein, der Song kann also durchaus auch die bestehende Morallosigkeit hinterfragen. Um Licht in das Dunkel zu bringen, wird schließlich der „Krieger des Lichts“ ausgewählt. Sowohl Text als auch die musikalische Untermalung mit oho-Chor im Hintergrund, erweckt das Bild einer Apokalypse. Auch die Textzeilen, dass man mit dem Licht in den Verstand schlagen wolle oder dass jemand auferstehe, verstärken den Eindruck eines Endzeitszenarios. Nur bestimmte Leute können ausgewählt werden, nach ihrem Tod (?) zu einem Krieger des Lichts werden zu können. Musikalisch wird hierbei vermehrt mit unterschwelligen Synthesizern gespielt und die Rhythmen von Gitarre und Drums verstärken das Bild einer Licht-Armee.

Eine thematische Überleitung zur Apokalypse gibt es dann mit „Trümmer und Staub“, das wieder ein wenig ruhiger daherkommt. In den Strophen steht die Musik eher im Hintergrund und der Gesang wird durch kurze Gitarrenriffs untermalt, während erzählt wird, was von uns bleibt, wenn unsere letzten Handlungen vollzogen sind. Nach uns bleiben nur Ruinen, so wie von jeder Kultur. Gemeint ist aber nicht zwangsläufig das Ende der ganzen Zivilisation, sondern wieder das Ende einer Beziehung, die mit einem großen Streit auseinander gegangen ist. Auch danach bleibt von der Beziehung eben nur Trümmer und Staub, wo vorher noch die Liebe gekämpft hat. Von diesem Schlachtfeld erhebt sich im Anschluss unter unheilvollen elektronischen Klängen der „Schattenmann“. In der Dunkelheit verführt er die einsamen Seelen und lockt sie in sein Reich. Während der Strophe bleibt der Song weiterhin unheilvoll und die Gitarren kommen nur kurz und abgehackt zum Einsatz. Erst im Refrain drängen sich die harten Riffs in den Vordergrund und untermalen die Forderung des Schattenmanns, der zum Mitkommen auffordert. Ist man dann erstmal vom Virus des Schattenmannes befallen, kann man anfangen sich zu wehren. In „Böser Mann“ wird gezielt die Frage gestellt, wer denn Angst vorm bösen Mann hätte. Franks Gesang wird dabei zu einem rauen Flüstern und von schnelleren Drums und treibenden Rhythmen begleitet. Das bekannte Spiel „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann“ wurde hier geheimnisvoll in Szene gesetzt.
Als vorletzter Song schleicht sich mit jaulenden Gitarren der Track „Rot“ in den Gehörgang. Nach einem eingängigen Intro, tritt die Musik in den Hintergrund, sodass man einwandfrei Franks Gesang lauschen kann. Rot wird hier als Farbe der Liebe und des Hasses inszeniert. Ein Wechselbad der Gefühle wird nicht nur in Worten ausgedrückt. Auch Sprichworte werden umgekehrt. So wird die Farbe der Liebe im gleichen Satz zur Farbe der Wut. Musikalisch wird dieser Wechsel zumindest in den Übergängen zwischen Strophe und Refrain deutlich, insgesamt bleibt der Rhythmus des Songs aber eher beruhigend langsam. Dies ist ein guter Übergang zum letzten Track des Albums. Als Bonus-Song hat sich eine weitere Version von „Gekentert“ auf den Silberling geschlichen. Als Akustik-Version ist das Lied wirklich eine Ballade, die zum Träumen einlädt. Außerdem beweist Schattenmann, dass sie auch sanft und ruhig sein können. Auf Grund der melancholischen Thematik des Liedes passt die Akustik-Version sogar noch ein wenig besser. Jedenfalls gibt „Gekentert akustik“ dem Album einen ruhigen Abgang, bis es in der Dauerschleife mit „Licht an“ wieder voll zur Sache geht.

Fazit: Schattenmann beweist mit dem Debutalbum „Licht An„, dass in ihnen ordentlich Potenzial steckt. Musikalisch ausgereift und gut produziert ist das neue Album ein wahrer Stern am Newcomer-Himmel. Die Songs sind abwechslungsreich, zeigen aber auch, dass das Quartett bereits einen eigenen Stil entwickelt oder gefunden hat. Meint man in manchen Parts noch Rückschlüsse auf Stahlmann und Co. ziehen zu können, werden diese Gefühle binnen von Sekunden zunichte gemacht. Schattenmann klingt nicht wie der Einheitsbrei oder als würde sich die junge Band bei irgendwem was abgucken müssen. Besonders Songs wie „Brennendes Eis“ oder „Krieger des Lichts“ beweisen, dass die Band Wiedererkennungswert hat. Sowohl thematisch als auch musikalisch zeigt sich das Debut sehr facettenreich, ohne in andere Musikrichtungen abzudriften. Man würde sich weit aus dem Fenster lehnen, wenn man meinte, Schattenmann würde die Neue Deutsche Härte neu definieren. Allerdings kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sich die alten Hasen des Genres durchaus warm anziehen müssen. Es weht nun ein frischer Wind in der Szene und der versteckt sich nicht länger in den Schatten. Der Virus des Schattenmannes befällt am Ende alle. Eingängige Rhythmen, harte Gitarrenriffs und durchdachte Texte machen „Licht An“ zu einem Album, das man durchaus allen Fans des Genres empfehlen kann. Bei Schattenmann lohnt es sich, einen zweiten oder dritten Blick zu riskieren. Oder auch die Augen und Ohren gar nicht mehr abzuwenden.