rabiasorda_animalessalvajes_2500Bei Rabia Sorda ist eine konkrete Schubladeneinordnung der musikalischen Facetten eine wahre Sisyphusarbeit. Schon mit dem 2013er Album „Hotel Suicide“ hatte der Hocico-Shouter Erk Aicrag alle musikalischen Brücken zu seinem Main-Projekt abgefackelt – der Sound von Rabia Sorda ist einschlägiger, provokanter, impulsiver und hat sich in neue Gefilde weiterentwickelt. Auf der aktuellen EP „Animales Salvajes“ – zu Deutsch „Wilde Tiere“- lässt der mexikanische Springinsfeld jedenfalls gehörig das Tier im Manne los und präsentiert sein Bastardkind aus Electro, Post-Punk und Industrial-Rock in nie gehörter Härte. Im Dezember erschienen haben wir nochmal einen Blick auf die Kurzplatte geworfen.

Schon der Opener-Song „Obey Me!“ wirkt auf mich wie eine Stabgranate zwischen die Lappen der Großhirnrinde – das Schlagzeug drischt die Müdigkeit aus den Gliedern, während sich Electro-Bass und die Gitarrenwände ihre Schneise durch jedwede Hindernisse schlagen. Aggressionen pur. „I’m so fucking sick of you“ gellt es hunderte Male in den schnellen Parts der zweiten Songhälfte – und man muss einfach den Eindruck gewinnen, der kreative Kopf hinter den Stücken habe erhebliche Stressbewältigungsprobleme. Rabia Sordas Texte erzählen von Frustration, Leben und Tod – und auch vom Sterben in der deutschen Hauptstadt: „Die In Berlin“ strotzt da nicht minder vor Power, hier nun wieder deutlich elektronischer und rhythmischer, allerdings auch farbloser, bevor mit „We’re Here To Win“ nochmal auf allen Frequenzen der klangliche Vorschlaghammer gehoben wird. Hier entladen sich eindeutig aufgestaute Zornesglut und Energie in jeder Sekunde. Für „I’m Tragedy“ erhebt Aicrag sogar seine Stimme zum Gesang, anstatt gewohnt zu shouten. Das schenkt der EP dann doch wieder ein wenig die Couleur des Melodiösen und Spirituellen zurück, den die ersten Tracks eher weniger versprachen. Den Schluss macht der Titeltrack zur Scheibe „Animales Salvajes“ – ein Spoken Word-Song, stimmig und tief atmosphärisch, finster und bedrohlich wie ein Soundtrack für einen Horrorfilm. Aicrags robotisch-bohrende Stimme in spanischem O-Ton vermag es schon, dem Hörer einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen , bevor dann noch drei weitere Male in Berlin gestorben wird – die Remix-Versionen von Unzyme, Hardwire und Larva schaffen es allerdings kaum, dem ohnehin eher mittelmäßig-mitreißenden Stück noch ein gehaltvolleres oder gar kraftvolleres Klangkleid aufzupfropfen und plätschern mehr oder weniger dünn durch. Wo erste Neumischung noch 80er Wave-Mahnmale in der Haut trägt, prügeln Hardwire dem Song Metal-Allüren ein. In Letzterer hingegen schleifen Larva „Die In Berlin“ im Endeffekt jeglichen Druck ab und lassen ein zwar sehnsuchtsvolles, aber zu gemaches und dissonantes Electrostück zurück, irgendwie scheppernd und schief.

RS10 Milla BratashFazit: Puh, erstmal den Puls runterkommen lassen… rasant und ohne Atempause schlägt „Animales Salvajes“ zunächst einmal ein und hinterlässt einen großen Krater. Gitarrenriff- und Industrial-Rock-geschwängerter Aggrotech pumpt eine gute halbe Stunde lang aus den Lautsprechern und massiert Herz und Seele. Ob die Musik des Mexikaner-Masterminds, auch die von seinem Hauptprojekt Hocico, allen zusagen mag, das kann man gerne diskutieren. Indiskutabel hingegen sind die Inbrunst und die unbändige Lust, die hinter dem Werken von Rabia Sorda steckt, welche aus jedem Schrei, jedem Beat und jeder Synthesizer-Oszillation anspringen. „Animales Salvajes“ kommt als groß-ambitionierter Wut-Antiklimax daher, der mit den tatsächlich neuen Songs absolut punkten kann, während die zweite EP-Hälfte zu „abgespaced“ und chaotisch-inhaltlos wirkt – wohlgemerkt die Hälfte, bei der in erster Linie fremde Hand an Rabia Sorda angelegt wurde. Altmeister Aicrag weiß trotz der verpuffenden Remixbeiträge jedenfalls nach wie vor, wie man seine Fans begeistern kann – und mit seinem neuesten Werk liefert er seiner lechzenden Meute tanzbare und für schwitzende Disco-Abende perfekt passende Songs. Ob man nun wirklich Bahnbrechendes in Rabia Sordas neuem Tonträger sehen will, sei mal dahingestellt – in jedem Fall wirken die Lieder wie Antheme und Schlachtrufe, die aufwiegeln und ungemütlich sind. Die Bestien entfesseln kann das Ding alle Mal. Die „Animales Salvajes“-EP gibt es seit dem 12.12.2014 als CD im Digipak bei Out of Line Records.