13 2 heppner0002Das Autumn Moon Festival verbindet gleich zwei Vorzüge miteinander: Erstens findet es in einer Zeit statt, in der andere Veranstalter bereits die Nebensaison eingeleitet haben und zweitens liegt es mitten im atmosphärischen Herbst, in dem sich melancholische Goth Sounds und mittelalterliche Folk-Klänge besonders gut in Szene setzen lassen. Darüber hinaus firmiert das Autumn Moon, das in diesem Jahr überhaupt erst zum dritten Mal stattfand, in der Szene noch immer unter der Kategorie Geheimtipp. Wer jedoch einmal beim Autumn Moon gewesen ist, wird nur schwerlich wieder davon loskommen, denn die Location in der Rattenfängerstadt Hameln und das bezaubernde Flair des Festivals sind zu einzigartig, als dass man sie missen möchte.

Auch in diesem Jahr verhieß das Line-Up einen gelungenen Mix aus gestandenen und weniger bekannten Akteuren der Schwarzen Szene, die an diversen Örtlichkeiten in der Weserstadt ihr Repertoire zum Besten geben würden. Wie schon in den Vorjahren gehörte zu den Festival-Spielstätten wieder der beschauliche Mystic Halloween Market, der auch für die breite Öffentlichkeit offen stand. So kam es zwischen Markt und Musik abermals zu erfrischenden Begegnungen zwischen den Einheimischen und der Subkultur, die sich wie immer in formschönen Kleidern, Gewandungen oder gar prunkvollen Uniformen präsentierte. Überhaupt war der Markt in diesem Jahr Dreh- und Angelpunkt der meisten Festivalbesucher, denn das Autumn Moon 2017 stand wettertechnisch im Gegensatz zum Vorjahr unter einem guten Stern: Das ganze Festival über herrschte ein zwar verspäteter, aber schöner Altweibersommer. Grund genug für die meisten, in diesem Jahr abseits der Headliner vor allem den Mittelaltertruppen auf dem Markt Gehör zu schenken oder die großen Terrassen von Sumpfblume und Papa Hemingway zu besetzen. Manch einer nutzte auch die Zeit zwischen zwei Acts, um ein wenig an der Weserpromenade entlang zu flanieren oder die historische Altstadt Hamelns zu erkunden. Da sämtliche Locations nur wenige Minuten Fußweg voneinander entfernt liegen, waren solche kleine Exkursionen möglich, ohne seine Favoriten zu verpassen. Zumal ein paar der Künstler sich beim Autumn Moon im Anschluss an ihr Konzert ohnehin gern unters Volk mischen. Das Weserfestival erhält dadurch im Großen und Ganzen einen ähnlichen Charakter wie das WGT, nur in kleinerem Rahmen. Nicht nur aufgrund der Stimmung und der verschiedenen Spielstätten, sondern auch aufgrund der Freundlichkeit des Festival Staffs und der Liebe zum Detail: So steht inmitten der Rattenfängerhalle beispielsweise ein riesiges Piratenschiff, das als Bar dient oder direkt neben der Hauptbühne eine Art kleiner Wald, in dem ebenfalls eine Theke eingebettet ist, an der man Shots und Cocktails erwerben kann. Im Zusammenhang mit den beim Großteil der Locations eingesetzten Lichtshows sorgen diese sorgsam ausgewählten Dekorationen unabhängig vom jeweiligen Künstler für die perfekte Kulisse. Diese gekonnt umgesetzten Arrangements sind es, die viele Besucher in den vergangenen drei Jahren zu schätzen gelernt haben, und die auch verzeihen lassen, wenn wie im letzten Jahr ein Headliner auftritt, der so skurril rüber- und wenig ankommt wie Zombie Boy.

1 1 celticapipes0017Doch trotz des Verzichts blieben beim Autumn Moon auch in diesem Jahr einige erinnerungswürdige Momente nicht aus. Neben den wunderschönen Feuershows auf dem Markt und der einprägsamen Lesungen Christian von Asters sind vom ersten Tag vor allem der Celtica Pipes Rock und die Show von Faderhead in der großen Halle positiv hervorzuheben. Ein wenig enttäuschend war dagegen der Auftritt von Herzleid, die sich in Anlehnung an Rammstein formiert hatten, aber leider selbst NDH-affine Personen nur schwerlich zu beeindrucken wussten, wenngleich sie sich bemühten, die musikalischen Lücken mit einer opulenten Bühnenshow wettzumachen. Das wahre Highlight des ersten Tages war jedoch ganz ohne Zweifel der Auftritt von Urgestein Joachim Witt, der nicht nur alle Lieblingsstücke der Fans wie „Die Flut“ oder „Der goldene Reiter“ sang, sondern obendrein zwischen den Stücken eine bizarr-launige One-Man-Show ablieferte. Unter anderem bekam sich Witt mit einem der Zuschauer aus den ersten Reihen in die Wolle, was in die ikonische Aussage „Ich freue mich auch, dass du heute Abend hier bist – verdient hast du’s nicht“ mündete und von den an Witts eigenwillige Art gewöhnten Anhängern mit begeistertem Johlen quittiert wurde. Darüber hinaus äußerte Witt wiederholt die rhetorische Frage, was das Festival „eigentlich für eine Scheißveranstaltung sei“ und dass man einen Mann in seinem Alter doch nicht ohne Stuhl singen lassen könnte. Zwischenzeitlich begann man bei so viel sprunghaftem Geplapper dann doch, sich zu fragen, ob der Mann noch alle beisammen hätte oder sich nicht vielleicht doch das ein oder andere Glas zu viel genehmigt haben mochte. Joachim Witt strafte aber derlei Vermutungen gleich wieder Lügen, als er das Lied „Wintermärz“ dem verstorbenen Can-Musiker Jacky Liebezeit widmete und im weiteren Verlauf des Konzerts das äußerst selbstironische „Wenn andere sich eine Zigarette anstecken, atme ich erst mal tief durch“ verkündete. Definitiv das unterhaltsamste Konzert des ersten Tages, sofern man mit dem schnoddrigen Zynismus der Pausenmonologe denn umgehen konnte.

3 2 witt0021Ganz anders und dennoch absolut bühnentauglich gab sich in der Sumpfblume die schwedische Pagan-Combo Black Magic Fools, die mit ihren esoterischen Klängen den hohen Norden nach Hameln holten und das Blut der versammelten Metaller gehörig in Wallung brachten. Wem das jedoch zu viel wurde, konnte im Papa Hemingway eines der wohl schönsten Konzerte des Festival-Freitags erleben, als Tommy Tom mit seiner Band Godex gegen 23.30 die Bühne betrat und trotz des noch vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrades der Gruppe vor einem gut gefüllten Zuhörerraum spielte. Dank Songs wie „Glory, Glitter and Gold“ und „Dragonrider“ brannte sich der Name der Formation unweigerlich ins Gedächtnis der anwesenden Goth Rock-Jünger und mittels der zahlreichen liebenswerten Dankesbekundungen des Sängers sammelte die Truppe obendrein ordentlich Sympathiepunkte, da ihre Höflichkeit und Spielfreude letztlich in krassem Gegensatz zu den Allüren eines Joachim Witt stand. Der begeisterte Jubel am Ende des Gigs war in jedem Fall durch und durch verdient errungen.
Hatte man nach der 80s Revival-Episode unter Joachim Witt noch nicht genug von der NDW verhieß Kochkraft durch KMA daran anzuknüpfen, allerdings waren deren unruhige Performance und die nervenzehrenden Texte eher wenig erträglich, sodass viele Metalbegeisterte auf dem Absatz kehrt machten und zur Sumpfblume wanderten, um Drescher zu sehen, deren Auftritt ein Jahr zuvor kurzfristig abgesagt werden musste, weil sie JBO auf ihrer Tour begleiteten. Im Hamelner Kulturcafe boten sie in diesem Jahr dann aber schließlich alles, was sie 2016 zu tun versäumt hatten und so wurde zu dem exzentrischen Akkordeon-Metal der Österreicher eifrig abgemosht, obwohl es kurzzeitig technische Probleme gab, die aber nicht weiter ins Gewicht fielen. Nach diesem fulminanten letzten Konzert stieg in der Sumpfblume noch eine Aftershowparty, die aber von den meisten Besuchern nicht mehr wahrgenommen wurde, da man nach diesem langen ersten Festivaltag doch schon eine gewaltige Müdigkeit verspürte.

 

7 1 elferya0347Der zweite Tag begann zur Mittagszeit und es war doch deutlich zu merken, dass die meisten Besucher erst heute angereist waren, denn erst jetzt war das Areal rund um die Rattenfängerhalle wirklich gut gefüllt. In der Sumpfblume ging es zunächst sehr ätherisch zu, da die Symphonic Metal-Formation Elferya dort ihren Autumn Moon-Einstand gab und abgesehen von den üblichen Übersteuerungen am Beginn eines Festivaltages eine tolle Show ablieferten, ehe sie von der wesentlich härteren, aber nicht weniger gefeierten Gruppe Reliquiae abgelöst worden, die den Konzertsaal des Kulturcafés trotz der verhältnismäßig frühen Stunde ordentlich zum Kochen brachten. Für den ersten größeren Andrang an der Main Stage sorgten nach den ungewöhnlichen Balkan-Klängen von Gasmac Gilmore.
[x]-rx mögen
 zwar nicht jedermanns Fall sein, lassen aber bei den Fans elektronischer Klänge die Herzen höher schlagen – entsprechend voll war auch die Halle, was an den anderen Örtlichkeiten für eine etwas entspanntere Atmosphäre sorgte. Allerdings litten sowohl das Papa Hemingway als auch das Schiff, welche die beiden anderen Spielstätten stellten, wieder an denselben Kinderkrankheiten, die man auch im Vorjahr bereits bemängelt hatte: Der Pub wurde bei einem größeren Publikum unerträglich stickig und war akustisch wenig reizvoll und das Schiff brauchte man gar nicht erst zu betreten, wenn man sich nicht bereits eine halbe Stunde vor Konzertbeginn dorthin aufmachte, da man aufgrund der architektonischen Ausrichtung des Weserkahns schlicht nichts mehr sehen würde.

10 2 letzteinstanz0117Dahingehend würde es sich womöglich empfehlen, noch einmal mit anderen Locations zu verhandeln, um besser aufgestellt zu sein. Vielen Künstlern wie beispielsweise der großartigen Laura Carbone konnte das Schiff gar nicht die richtige Bühne bieten, ähnlich wie der Irish Pub den Sänger von Beborn Beton später mit seinem Klima beinahe den Atem raubte, was sich vor allem darin zeigte, dass er auf die Rufe nach einer Zugabe mit einem etwas geschafften „Muss ich?“ reagierte. Wirklich berauschend war es am Samstag eigentlich nur in der Rattenfängerhalle, wo mit Letzter Instanz, Suicide Commando, Faun und Peter Heppner bedeutende Größen der Szene ihr Repertoire präsentierten und mit Ausnahme kleinerer technischer Ungereimtheiten bei Herrn Heppner, der bei vielen Songs irritiert an seinem In-Ear herumfummelte, alles im Lot war. Ein wenig ärgerlich war der Umstand, dass die Merciful Nuns in die Sumpfblume gesteckt wurden, die in der Folge völlig überlaufen und wenig einladend war. Wesentlich entspannter ging es unterdessen auf dem Markt bei Irdorath und Waldkauz zu, die von Szenegängern und Einwohnern gleichermaßen begeistert aufgenommen wurden. Angesichts der Besucherflaute auf dem Schiff wurde das Konzert von Waiting for the winter im Anschluss an das Markttreiben sogar für jedermann geöffnet, was eine Vielzahl der neugierigen Besucher von außerhalb sich nicht zweimal anbieten ließen. Die Festival-Besucher strömten zu späterer Stunde dagegen eher wieder in die „Sumpfe“, um mit Beauty of Gemina und Irdorath den Ausklang des zweitägigen Geschehens zu feiern, ehe es eine letzte Aftershowparty gab. Den folgenden Sonntag würden einige von ihnen dem Vernehmen nach vorwiegend dazu nutzen, um noch einmal in aller Ruhe über das Marktareal zu flanieren und sich womöglich bereits eine der vergünstigten Frühbucherkarten für das Autumn Moon 2018 zu sichern.

Fazit: Das Autumn Moon hat das Zeug dazu, zu einer festen Institution zu werden und jedes Jahr verbessert sich das kleine Festival an der Weser weiter, was dazu führt, dass mehr und mehr Leute es ins Herz schließen. Klar ist, dass man über manche Locations noch einmal nachdenken sollte, um gegebenenfalls den Unmut mancher Gäste zu vermeiden. Im Großen und Ganzen ist das Autumn Moon aber ein familiäres, schönes und vor allem facettenreiches Festival, das noch lange Zeit erhalten bleiben sollte, da ein so schönes Flair bei Veranstaltungen in dieser Saison Seltenheitswert hat.

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