Während es das Wetter am zweiten Tag mal mehr, mal weniger gut mit dem Amphi-Volk meinte und man auf dem Tanzbrunnen nicht selten ein Meer aus schwarzen Regenschirmen begutachten konnte, ließen sich die Besucher aber nicht ihre Stimmung vermiesen. Manche nutzten die kurzen Regenphasen für einen Besuch im großen Händlerzelt oder gingen schon früh in die Theater-Stage, um Lucifer’s Aid und Near Earth Orbit zu lauschen – für andere startete der Tag dicht geknubbelt unter den großen Tanzbrunnen-Zeltstrukturen vor der Hauptbühne mit Massive Ego und dem Zweitpojekt M.I.N.E. der Camouflage-Musiker um Jochen Schmalbach, Marcus Meyn und Volker Hinkel. Letztere konnten hierbei die Frühaufsteher mit einem guten Mix aus alten Stücken der 80er (z.B. „The Great Commandment“) und neuen Songs besonders begeistern.

Viele zog es auch zum Gig der unermüdlichen NDHler Stahlmann, welche von den einen für ihren kompromisslosen Sound und dem im Gegensatz zu ihrer Anfangszeit wesentlich gereifteren und anspruchsvolleren, neuen Album Bastard gelobt, von anderen als Rammstein-Abklatsch abgetan werden. Mit Stücken vom jüngsten Album wie „Nichts spricht wahre Liebe frei“ sorgten sie für einen Das Ich-8starken Auftritt mitten am Tage – für einen nicht kleinen Anteil der Festivalgänger waren aber ganz andere Termine Pflicht: Dicht an dicht drängelte das schwarze Volk sich nämlich schon am frühen Nachmittag am Steg des Schiffes für We Are Temporary und den folgenden Kapitän Rummelsnuff mit seinem Maat Asbach auf der Orbit Stage. Auf dem Schiff bot der wohl skurrilste Act des Festivals seine Show irgendwo zwischen Körperkult, Seemannslied und Schunkelmusik – alles mit einer gewaltigen Prise Humor. Zwischen der Engelsstimme von Asbach und der rabiaten Kehle des Käpt’ns ging es von italienischem und französischem Chanson („Salutare“ oder „La Rochelle“) über eine Ode an den „Harzer Käse“ hin zu den etwas elektronischer beeinflussten Stücken der bemerkenswerten Ausnahme-Combo, bei der sich Unwissende gewiss an den Kopf gefasst haben müssen – diejenigen aber, die wussten, welch eine Band sich das Amphi hier an Bord der MS RheinEnergie geholt hatte, feierten ausgelassen inmitten der ernsteren, weit düstereren Programmpunkte des Festivals. Dieses Highlight hielt sogar einige Besucher vom gleichzeitig stattfindenden Todeskunst-Gigs von Das Ich fern.

Wer sich im Folgenden nicht ganz zu Hocico und Combichrist vor der Hauptbühne totgetanzt oder alle Energie weggetobt hatte, legte sich in die Abendsonne im Strandbereich, um für das nahende Finale Kräfte zu sammeln. Klar, manchen Besuchern war um die Uhrzeit, zu der langsam aber sicher das Stündlein für die Headliner schlug, die Hauptbühne mit dem exzentrischen Alexander Wesselsky und seine Eisbrecher-Instanz zu viel des Guten – überhaupt hatte man bisher nie so sehr wie auf dem diesjährigen Amphi Festival den Eindruck, die Besucher fänden die Ansagen des Kapitäns der „Sturmfahrt“, so der Titel des kommenden neuen Albums, too much, zu lang und zu „unlustig“. Während es von hinten „Spielt weiter, verdammt!“ hagelte, hingen die eingefleischten Fans der BanEisbrecher-10d natürlich an den Lippen. Dennoch: An neuem Material gab es lediglich die neue Single „Was ist hier los“ – der Rest der Show war gespickt mit zahlreichen Klassikern wie „Verrückt“, „Willkommen im Nichts“, „Leider“ oder „This is Deutsch“ als Zugabe. Für brave Tourbesucher also kaum ein Mehrwert. Da boten Elena Fossi mit Kirlian Camera auf dem Schiff wahrscheinlich den Headliner mit mehr Nervenkitzel, vor allem bei den seltenen Live-Terminen der Band. Für alle Electro-Fanatics ging es ohnehin eher zum Daniel Myer Project, das sich aus mehreren Größen der Szene (Daniel Myer, Jean-Luc De Meyer, Eskil Simonsson, Andy La Plegua, Sven Friedrich, Boris May und Tomas Tulpe) zusammensetzt.

Fazit: Auch das diesjährige Amphi Festival bot wieder ein erlesenes Line-Up und stellte einmal mehr unter Beweis, dass es zwischen dem WGT und dem M’era Luna nicht mehr aus dem Kalender der Schwarzen Szene in Deutschland wegzudenken ist. Für die Unannehmlichkeiten mit dem veränderten Anlegeplatz der MS RheinEnergie konnte natürlich auch niemand etwas und auf die Änderung wurde überwiegend mit großem Verständnis reagiert – auch wenn das übliche Band-Hopping von einer Bühne zur nächsten so etwas erschwert wurde. Erneut konnte man von einem guten Genre-Split sprechen, wenn auch die Rock- und Metal-Front dieses Jahr ein bisschen vernachlässigt wurde und aus dem allseits beliebten Mittelalter-Bereich eher wenig Musik vertreten war. Natürlich sind wir auch gerne wieder 2018 dabei! Notiert euch unbedingt schon einmal den 28. und 29. Juli 2018!